Die Eingemeindung Neureuts erfolgte am 10. April 1975 und ist bis heute die Letzte in Karlsruhe.
Sie bildete den Abschluss einer längeren Reihe von Eingemeindungen in den 1970er Jahren: Hohenwettersbach und Stupferich 1971, Wolfartsweier 1973, Grötzingen 1974 und Wettersbach schließlich 1975 – termingerecht zum 1. Januar 1975, wie es das Gemeindereformgesetz des Landtags von Baden-Württemberg vorgesehen hatte.
Die Eingemeindungen erfolgten einerseits entsprechend der Reformbestrebungen der Landesregierung seit 1968 (zu Beginn noch eine Koalition aus CDU und SPD), mit dem Ziel, leistungsfähigere Gemeinden durch größere Verwaltungseinheiten zu schaffen. Abgeschlossen wurde dieser Prozess mit dem genannten Gemeindereformgesetz vom 9. Juli 1974, das sowohl Eingemeindungen als auch die Bildung neuer Gemeinden durch Zusammenschlüsse vorsah. Hintergrund dieser Reform war vor allem, dass kleine Gemeinden den zunehmend komplexen Infrastrukturanforderungen (Schulen, Kindergärten, Sportstätten, Straßen etc.) nicht mehr genügen konnten und zudem zum eigenen Nachteil in den wirtschaftlichen Sog benachbarter Städte gerieten.
Andererseits hatte Karlsruhe aufgrund der rasanten Stadtentwicklung nach 1945 großes Interesse an weiteren Flächen für Wohnungsbau, Gewerbe oder verbesserte Verkehrsstrukturen. Die Stadt beklagte zudem die kostenträchtigen Funktionen in der sozialen und infrastrukturellen Vorsorge auch für das Umland, während die Umlandgemeinden von Zuzügen profitierten.
Ein Interesse an Eingemeindungen hatte bereits der Karlsruher OB Günther Klotz zu Beginn der 1960er Jahre bekundet. Er blickte dabei im Süden auf Forchheim und im Norden auf Neureut und Eggenstein. Keine der Gemeinden erwiderte jedoch dieses Ansinnen.
Mit der Gemeindereform, die nur noch sogenannte überlebensfähige Großgemeinden mit mindestens 8.000 Einwohner*innen vorsah, erhöhte sich der Handlungsdruck. Neureut, mit fast 14.000 Einwohnern die größte Landgemeinde Baden-Württembergs, wollte kein Stadtteil von Karlsruhe werden. Bürgermeister Hermann Meinzer, der Gemeinderat und ein großer Teil der Bevölkerung beharrten auf Eigenständigkeit.
Die Landesregierung unterstützte jedoch die Karlsruher Perspektive, mithilfe der Neureuter Gemarkung die Entwicklung der Stadt voranzubringen. So entstand 1973 eine veritable Bürgerinitiative, die ihren Protest in Versammlungen und Großdemonstrationen auf die Straße trug. Fast einstimmig hatten sich die Neureuter Bürgerinnen und Bürger in zwei Voten – ohne rechtlichen Charakter wie bei Volksentscheiden oder -abstimmungen – gegen die Eingemeindung ausgesprochen.
Am 18. Januar 1974 zogen nahezu 6.000 Neureuter*innen aller Altersgruppen mit wenig schmeichelhaften Spruchbannern gegen die Pläne Karlsruhes und seines OBs Otto Dullenkopf durch die Straßen der Gemeinde, eingehüllt in den Rauch der mitgeführten Pyrotechnik.
Doch auch der Landtag in Stuttgart wies Neureuts Ablehnung im Juli 1974 schließlich zurück, weshalb sich der „Neureuter Zorn“ auch gegen den Landtag und die CDU-Mehrheit richtete. Der Bürgerprotest ging weiter. Am 28. Juni 1974 demonstrierten nochmals rund 2.000 Bürger*innen gegen den Beschluss des Landtags. Als Mahnmal stellte die Bürgerinitiative später einen Proteststein vor dem Neureuter Rathaus auf. Dieser steht heute vor dem Heimatmuseum und zeugt als Museumsobjekt – der Stein wurde 1975 auf Veranlassung von OB Dullenkopf entfernt – von der damaligen Stimmung in Neureut.
Bürgermeister und Gemeinderat waren sich bewusst, dass die Eingemeindung durch die Landtagsentscheidung unumstößlich geworden war, versuchten dies jedoch noch über den Rechtsweg zu verhindern. Die Gemeinde Neureut stellte am 27. September 1974 beim Staatsgerichtshof den Antrag auf ein Normenkontrollverfahren.
Mit Urteil des Stuttgarter Staatsgerichtshofs vom 14. Februar 1975 wurde die Eingemeindung schließlich verfassungsrechtlich bestätigt. Die daraufhin erfolgten offiziellen Verhandlungen der beiden Nachbarn waren dann von gegenseitigem Respekt und konstruktivem Umgang geprägt und fanden ihren Abschluss mit der Unterzeichnung des Eingemeindungsvertrags am 10. April 1975. Diskutiert wurde sozusagen auf neutralem Terrain – nicht im Rathaus, sondern im Gästehaus Solms.
Die Eingemeindung war mit dem in der Gemeindereform festgelegten Vorteil der Unechten Teilortswahl sowie der Ortschaftsverfassung verbunden. Dies sichert Neureut eine besondere Stellung sowie die Bewahrung gewachsener Traditionen aus der Zeit der Eigenständigkeit.
Seitdem hat sich Neureut positiv weiterentwickelt. Neue Baugebiete entstanden, und die Einwohnerzahl stieg von etwa 14.000 auf heute über 19.000. 1977 konnte der 1974 begonnene Bau der Badnerlandhalle fertiggestellt werden. Mit ihr verfügt Neureut seitdem über eine Veranstaltungshalle, deren Einzugsbereich weit über den Stadtteil hinausreicht.
Kulturamt Stadtarchiv & Historische Museen