„Eine Chronik schreibt nur derjenige, dem Gegenwart wichtig ist“, lautet ein Zitat des großen Dichters Johann Wolfgang von Goethe. Der Oberöwisheimer Heimatforscher und Historiker Alfons Oßfeld beschäftigt sich seit vielen Jahren unter anderem mit dem Thema „Jüdisches Leben im Kraichgau“ und hat gerade zum Friedhof in Oberöwisheim in der Vergangenheit viel Wissenswertes zusammengetragen.
Die nachfolgenden Aufzeichnungen stammen im Wesentlichen vom rührigen Heimatkundler, der im März seinen 80. Geburtstag feiern darf und sagt: „Ich möchte in Zukunft eigentlich kürzertreten, zumal die steilen Treppenstufen auf dem Friedhof meinen Beinen Probleme bereiten“. Es wird also ein Nachfolger gesucht und jeder, der Interesse hat, sich als Gästeführer in Oberöwisheim oder einem anderen Stadtteil einzubringen, kann sich gerne bei der Stadtverwaltung oder beim Heimat- und Museumsverein Kraichtal melden.
Schon lange hatte der Verband der Juden im Kraichgau nach einem geeigneten Begräbnisplatz für ihre Verstorbenen gesucht. Bis zum Jahre 1432 mussten alle Toten auf dem Verbandsfriedhof in Speyer, dann später auf dem Verbandsfriedhof in Worms beerdigt werden. Da die Toten nach jüdischem Ritus innerhalb 24 Stunden bestattet werden mussten, war es den Juden aus dem Kraichgau kaum möglich, diese rituelle Frist einzuhalten, denn die Entfernung nach Speyer oder Worms war zu dieser Zeit enorm weit und über den Rhein gab es damals keine Brücken. Auf der Gemarkung von Oberöwisheim fand man einen geeigneten Platz an einem steilen steinigen Westhang, der sich kaum zur wirtschaftlichen Nutzung eignete. Dieses unwirtliche Gelände wurde den Juden von den Dorfherren von Helmstatt und Sternenfels zur Pacht angeboten. Der Jüdische Verband willigte ein und ab 1629 wurden auf dem neuen Verbandsfriedhof in Oberöwisheim alle verstorbenen Juden bestattet. Somit ist dieser jüdische Friedhof der älteste Verbandsfriedhof im Kraichgau.
An die Obrigkeit war indes nicht nur den Pachtzins in Höhe von acht Reichstaler zu entrichten, sondern es fielen für jedes Begräbnis zusätzliche Kosten an. So kostete die Bestattung eines Erwachsenen ein Gulden, für ein Kind einen halben Gulden. Die Ausgaben für ihre Verstorbenen waren noch nicht genug: so verlangten fast alle Obrigkeiten der Dörfer oder Städte, die man mit den Toten passierte, um sie zum Friedhof zu bringen, ein Passiergeld. So kostete eine Passage durch Odenheim ein Gulden und dreißig Kreuzer, was heute etwa 96 Euro entspricht. Eine horrend hohe Summe an Bestattungskosten. So musste eine jüdische Familie, die ihren Verstorbenen von Obergrombach über Heidelsheim nach Oberöwisheim brachte, nach heutigem Wert 205 Euro aufbringen, um ihren Angehörigen bestatten zu können. Diese hohen Kosten waren den Familien auf die Dauer zu viel. Deshalb entstanden schon in den Jahren 1632 in Obergrombach, 1661 in Wiesloch, 1688 in Flehingen und 1690 in Waibstadt Verbandsfriedhöfe. So kam es, dass auf dem ältesten Verbandsfriedhof im Kraichgau nur noch drei jüdische Gemeinden ihrem Begräbnisplatz treu blieben: Münzesheim, Menzingen und Odenheim. Seit dem Vorjahr weist nun auch ein Schild an der Straße nach Neuenbürg auf den jüdischen Friedhof in Oberöwisheim hin.
Alfons Oßfeld, aktives Mitglied im Heimat- und Museumsverein Kraichtal, hatte sich auch vor vier Jahren beim großen Ortsjubiläum „1250 Jahre Öwisheim“ in vielen Bereichen eingebracht. Zudem hält der versierte Hobbyfotograf die Jahreszeiten im Bild fest und hat ein großes Archiv an historischen Bildern aufzuweisen. (hjo)