Im Jahre 1721 von dem Fürstbischof von Speyer Damian Hugo von Schönborn als Jagd- und Lustschloss erbaut und vom herrschaftlichen Baumeister Ludwig Michael Rohrer im barocken Stil gestaltet, ist das ursprünglich mittelalterliche Wasserschloss Kislau am Rande Mingolsheim schon von weitem sichtbar. In seiner wechselhaften Geschichte als Militärhospital, Privatschule, Gefängnis und Konzentrationslager war ein Blick hinter die Mauern selten möglich, und das ist bis heute so, da es sich um eine Außenstelle der JVA Bruchsal handelt. Eine Ausnahme sind die Hoffeste, und auch diese mussten aufgrund der aufwändigen fünfjährigen Restaurierung eines denkmalgeschützten Gebäudes in Pandemiezeiten ausfallen.
Am vergangenen Sonntag war dies erstmals seit 2019 wieder möglich, und das Wetter spiele glücklicherweise mit. Schon am Eingang sorgten viele Gänse auf der Weide für ein richtiges Postkartenmotiv. Der traditionelle Eröffnungsgottesdienst im Innenhof am Morgen war gut besucht. Viele fleißige Hände hatten Kürbisse, Kohlköpfe, Quitten, Äpfel und vieles mehr wundervoll dekoriert und den Altar zum Erntedankfest geschmückt. Pfarrer Peter Holzer, seit 2007 Seelsorger in der JVA Bruchsal, hielt dazu an, bewusst danke zu sagen für vieles, das nicht selbstverständlich ist. Das Leben nahm seinen Anfang im Wasser und der Blick auf Urelement sollte durch den Gottesdienst leiten. Miriam Schick begleitete die Lieder am Keyboard.
Wer sich gleich dann direkt für die erste Führung anstellte, hatte Glück, denn danach wurde die Schlange länger und länger. Kamera, Handy und Taschen mussten draußen bleiben. Schnell strömten immer mehr Besucher herbei, um die Feuersuppe aus dem Topf, Leckeres vom Grill oder die tollen Kuchen zu günstigen Preisen unter blauem Himmel und Sonnenschein zu genießen.
Im von der Architektenkammer prämierten Hofladen warteten frische Eier, Obst, Gemüse, Dosenwurst und vieles mehr auf die Käufer, und viele Apfelsorten konnten verkostet werden. Für großes Interesse sorgte das „einmalige Busunternehmen“ des Baden-Württembergischen Justizvollzugs mit einem fensterlosen Transportfahrzeug, in dem die Bewohner ankommen. Auch konnte man sich Handschellen anlegen lassen, die sich inzwischen individuell dem Handgelenk anpassen und nur noch mit Spezialschlüsseln zu öffnen sind.
Neben der Landwirtschaft in Kislau gibt es in Bruchsal auch eine Polsterei, eine Schlosserei sowie eine Druckerei. Die großen, massiven Holzkohlegrills im Hof wurden von Strafgefangenen hergestellt. Natürlich war auch der Lernort Kislau mit einem Infostand vertreten und die Deutsche Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen (DVS) warb unter dem Motto „Wir schöffen das“ für das Ehrenamt.
Highlight für die Familien war ein Blick in den Stall, wo die Kühe gerade kräftig am Fressen waren, oder ein Besuch bei den Zwergkaninchen. Die Hühner durften allerdings in Ruhe Eier legen und machten sich nur durch Gackern bemerkbar. Ein tolles Hoffest, das von der Anstaltsleitung mit der Sportgruppe Kislau organisiert wurde und das nun hoffentlich wieder jedes Jahr stattfinden kann. (cm)