Der schwäbelnde Asterix und dessen Vater

Im Gespräch: Klaus Mühlsteffen, Pionier der Mundart-Asterixe

Nachdem Klaus Mühlsteffen 1995 als Student Asterix ins Schwäbische übersetzt hatte, löste er eine Welle von Mundart-Übersetzungen aus.
Asterix, Obelix und Druide Miraculix mischen den Zaubertrank auf schwäbische Art.
Asterix, Obelix und Druide Miraculix mischen den Zaubertrank auf schwäbische Art.Foto: Foto: Asterix®-Obelix®-Idefix® / © 2024 HACHETTE LIVRE/ GOSCINNY – UDERZO/Egmont Ehapa

Ob als Badenser, Hesse, Schwob, Pälzer oder was auch immer man schwätze und babbeln tut: Seit Mitte der 1990er Jahre kann man die Asterix-Comics auch mit dem jeweils eigenen lokalen Flair und den regionalen Eigenheiten lesen. Pionier und Vater dieser Mundart-Asterixe ist Klaus Mühlsteffen. Und ein wenig auch der Zufall ... Er wollte als Student einem Kommilitonen Schwäbisch beibringen und löste damit eine Mundart-Welle aus, die weit über die Grenzen des Ländles hinausging. Mit nussbaum.de sprach er unter anderem über die Anfänge dieses kultigen Vorhabens und über seine Begegnungen mit Albert Uderzo, Illustrator und Mitautor des französischen Originals.

Klaus Mühlsteffens schwäbisch schwätzender Asterix führte zu weiteren Mundart-Interpretationen, die über die Grenzen des Ländles hinausragen.
Klaus Mühlsteffens schwäbisch schwätzender Asterix führte zu weiteren Mundart-Interpretationen, die über die Grenzen des Ländles hinausragen.Foto: Egmont Ehapa

nussbaum.de: Herr Mühlsteffen, welcher Asterix-Comic ist Ihr Lieblingsband?

Klaus Mühlsteffen: Der, den ich als Erstes übersetzt habe: „Asterix, der Legionär“. Da kommen aber auch viele knapp dahinter.

nussbaum.de: Was war am Legionär so besonders, dass sie ihn auserkoren haben, um ihn zu übersetzen?

Mühlsteffen: Beim Legionär geht es viel um Essen und die Verpflegung bei der römischen Armee. Dabei konnte ich die ganzen schwäbischen Leckereien einfließen lassen. Zudem konnte ich auch sehr viele schwäbische Schimpfwörter einbringen. Insgesamt ist die Geschichte einfach schön.

nussbaum.de: Es ist bekannt, dass sie einem Freund aus Norddeutschland den schwäbischen Dialekt beibringen wollten und daraufhin auf die Idee kamen, Asterix auf Schwäbisch zu übersetzen. Können Sie das weiter ausführen?

Mühlsteffen: Der Freund kam aus Eckernförde zu Besuch. Allerdings konnte er kein Wort Schwäbisch - und das, obwohl er in Stuttgart geboren wurde! Wir dachten uns: „Das geht überhaupt nicht!“ Also haben wir angefangen ihm die ersten Worte beizubringen wie etwa “e Virdale Woi“. Weil wir gerne Asterix zitiert haben und Asterix für Prähistoriker Pflichtlektüre ist, kamen wir auf die Idee, dass wir ihm einen schwäbischen Asterix basteln könnten.

Wenn ich gewusst hätte, wie viel Arbeit es ist, weiß ich nicht, ob ich es noch gemacht hätte (lacht). Die Übersetzung ist eine Sache, die braucht schon relativ lange. Aber alle Sprechblasen abzupausen, neu zu beschriften und in den Originalband einzukleben hat mindestens zehn Stunden gedauert. Von den handgeklebten Bänden sind insgesamt 17 entstanden, die noch an andere Freunde und Verwandten verschenkt wurden. Das sind im Grunde genommen die waren Raritäten auf dem Asterix-Markt.

nussbaum.de: Wie lange war der Übergang von der reinen privaten Asterix-Übersetzung hin zu dem Schritt, dass sie an den Verlag herantraten?

Mühlsteffen: Das hat eine Weile gedauert. Der Freund hat die schwäbischen Exemplare im Freundeskreis gezeigt. Das Interesse istieg. Es war mir aber rechtlich gesehen doch zu heikel. Letztendlich konnte mich ein Freund davon überzeugen, den Schwabenasterix an den Verlag zu schicken, nachdem er mir gedroht hatte, dass ich bei seinen Festen nichts mehr zu essen und zu trinken bekommen würde. Unter diesem Druck habe ich dann nachgegeben (lacht).

Das letzte handgeklebte Exemplar habe ich eigens für den Verlag produziert und eingeschickt. In dem Fall aber nicht den Legionär, sondern einen anderen Band. nussbaum.de: Im Grunde genommen waren Sie doch Wegbereiter für die Mundart-Versionen von Asterix, oder nicht?

Mühlsteffen: Auch in Frankreich hat es Versuche gegeben, aber niemand hat so recht dran geglaubt. Ich weiß, dass Ende der 80er in Luxemburg, kurz vor meiner schwäbischen Version, Bände auf Luxemburgisch veröffentlicht wurden. Aber in Deutschland war ich derjenige, der der bereits gewesenen Idee zum Durchbruch verholfen hat. Dadurch bin ich zwar durchaus der Vater dieser Reihe, aber nicht derjenige, der als erster die Idee hatte.

nussbaum.de: Nach welchen Kriterien wählen Sie die Comics aus, die Sie „einschwäbeln“?

Mühlsteffen: Die ersten zwei Bände wurden mir vorgegeben, da die aktuellsten Bände übersetzt werden sollten. Das waren „Der große Graben“ und „Asterix im Morgenland“. Ab dem dritten Band, also mit „Asterix als Legionär“, habe ich dann die zu übersetzenden Bände selbst herausgesucht. Mir ist es wichtig, dass eine schöne Geschichte vorliegt. Bei meinen Übersetzungen schwätzen meistens alle schwäbisch, auch die Römer. In Bayern konnte man mit der Übersetzung den Dissens zwischen Franken und Bayern thematisieren, bei dem die Franken das gallische Dorf waren und die Bayern die Besetzer. Ich mache meine komplett auf Schwäbisch und suche einfach danach, was mir gefällt.

nussbaum.de: Verfassen Sie die schwäbischen Übersetzungen allein oder haben Sie auch Unterstützung von Familien und Freunden?

Mühlsteffen: Anfangs habe ich im Freundeskreis oder in der Wohnheim-Küche Lesungen gehalten. Inzwischen ist mein bester Berater mein Sohn, der hellauf begeistert davon ist. Er ist Autist, hat ein unheimlich gutes Sprachgefühl und vor allem ein sehr gutes Gedächtnis. Wenn ich beispielsweise ein Schimpfwort bereits verwendet habe, dann weiß er, dass es 20 Seiten weiter vorne schon zu finden ist. Das ist sehr wertvoll.

Asterix vermöbelt seine Gegner seit fast 30 Jahren auch auf Schwäbisch.
Asterix vermöbelt seine Gegner seit fast 30 Jahren auch auf Schwäbisch.Foto:

nussbaum.de: Was mögen Sie selbst am Asterix?

Mühlsteffen: Ich schätze vor allem den Humor von René Goscinny. Albert Uderzo hat sich nach dem Tod von Goscinny alle Mühe gegeben und ebenfalls sehr gute Geschichten veröffentlicht. Aber Goscinny ist einfach unübertroffen.

Nussbaum.de: Hatten Sie die Gelegenheit, Goscinny oder Uderzo einmal zu treffen?

Mühlsteffen: Albert Uderzo habe ich zweimal getroffen. Einmal bei der Premiere von Band 30, bei dem er beim Verlag zu Besuch war. Zeitgleich wurde auch ein schwäbischer Asterix veröffentlicht. Anlässlich des Besuchs gab es einen Brunch für ausgewählte Mitarbeiter des Verlags. Manche verzeihen es mir bis heute nicht, dass ich eingeladen wurde und sie nicht (lacht). Die zweite Gelegenheit gab es auf der Frankfurter Buchmesse, bei der auch zwei Mundart-Versionen von Asterix vorgestellt wurden. Mehrere Mundartübersetzer waren vor Ort. Dabei haben Uderzo und ich vom Köln-Forum für unsere Verdienste um die Kölner Mundart, einen Preis erhalten. Es waren zwei sehr schöne Gelegenheiten. Ich habe es aber bedauert, dass ich so schlecht Französisch spreche.

nussbaum.de: Es kursierten vor einigen Jahren Parodien von Asterix in der Comicwelt, die bei Uderzo und Goscinny nicht gerade auf Gegenliebe stießen. Mit den Mundart-Asterixen schienen sie aber kein Problem gehabt zu haben.

Mühlsteffen: Sie spielen wahrscheinlich auf Titel wie „Asterix und das Hüttendorf“ und „Asterix und das Atomkraftwerk“ an, die haben natürlich einen ganz anderen Inhalt. Und deswegen waren die Autoren verständlicherweise etwas pikiert. Das lag aber vor allem an der Geschichte hinter der ersten deutschen Fassung. Die wurde nicht vom Ehapa Verlag herausgegeben, sondern vom Kauka Verlag, der unter anderem auch Fix und Foxi und weitere Titel hatte. Asterix und Obelix hießen da noch „Siggi und Babarras“ und hatten einen eher revanchistischen Ton. Das kam in Frankreich gar nicht gut an. Seither haben die Goscinny und Uderzo die Bände stets begutachten lassen. Die Bände sollten nicht dem Esprit von Asterix widersprechen.

nussbaum.de: Wie erklären Sie sich den Erfolg des schwäbischen und der anderen Mundart-Asterixe?

Mühlsteffen: Für die Mundartübersetzung ist es besonders wertvoll, dass in den Comics mehr gesprochene Rede enthalten ist als bei Erzähltexten. Die Stärke der Mundart liegt nun mal darin, dass man schreiben kann, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Natürlich kommen auch viele schöne Schimpfwörter vor und man kann viele regionale Feinheiten, wie etwa die Kehrwoche einbauen.

Hinzu kommt die Identifikation mit dem gallischen Dorf, frei nach dem Motto ‚Wir halten zusammen gegen die da oben‘, sprich: die Unterdrückten gegen die Unterdrücker, etc. Das ist natürlich auch ein weit verbreitetes Gefühl. Denken Sie an die zahlreichen Bürgerinitiativen, die sich auf das kleine gallische Dorf bezogen haben.

Nicht zuletzt zeichnet sich Asterix durch seinen tiefen Humor aus. Goscinny war sehr stark darin, sowohl Gags für Kinder als auch für Erwachsene einzubauen. Dank dieser feinen Anspielungen konnte die Reihe ein breites Publikum erreichen. Bei meinen Signierstunden kamen vorwiegend Erwachsene, selten Kinder. Die meisten Bände erschienen in den 60er und 70er Jahren. Diese Fan-Basis ist es, die stärksten auf den Mundart-Asterix eingestiegen ist.

Sieben Bände wurden bislang auf Schwäbisch veröffentlicht.
Sieben Bände wurden bislang auf Schwäbisch veröffentlicht.Foto: Asterix®-Obelix®-Idefix® / © 2024 HACHETTE LIVRE/ GOSCINNY – UDERZO/Egmont Ehapa

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von Jonny Diep
31.10.2024