Im Gespräch mit nussbaum.de spricht der nun fraktionslose Abgeordnete Daniel Born über den Vorfall, für den viele in Politik und Gesellschaft schwer Worte finden. Was hat ihn dazu bewegt? Wie geht er jetzt damit um?
nussbaum.de: Herr Born, Sie haben Ihre Aktion selbst als „Kurzschlussreaktion“ bezeichnet. Was genau ging Ihnen in dem Moment durch den Kopf – und was wollten Sie damit ausdrücken?
Daniel Born: Ich hatte null Gehirnimpuls, sonst hätte ich das nicht getan. Es ist ein Fehler, den ich mir nie verzeihen werde. Es beschäftigt mich, dass mit der AfD eine gesichert rechtsextreme Kraft wächst und zunehmend in das Gewohnheitsleben eindringt. Der Abstimmungsmoment um den Oberrheinrat mit Namen von AfD-Politikern auf den Karten hat bei mir diesen Kurzschluss ergeben. Ich habe ein Nazi-Zeichen hinter eine Partei gesetzt, die bis oben hin mit Nazis vollgestopft ist.
nussbaum.de: War Ihnen in dem Moment bewusst, welche symbolische Gewalt das Hakenkreuz – selbst in Form einer Kritik oder Provokation – entfalten kann?
Born: Es war nicht mitgedacht. Aber natürlich ist mir bewusst, dass man das Hakenkreuzzeichen nicht verwendet und nicht auf Zettel schreibt. Deshalb sage ich noch mal: Es war eine Kurzschlussreaktion, sonst hätte ich das nicht gemacht und es war ein Fehler, den ich mein Leben lang bereuen werde.
nussbaum.de: Sind Sie in dem Moment davon ausgegangen, ein Zeichen zu setzen?
Born: Nein. Selbst wenn es als Protest gemeint gewesen wäre, war es ja die idiotischste Form von Protest, die es gibt. Ich habe mich bei allen Abgeordneten entschuldigt, aber ich schäme mich insbesondere gegenüber den vielen Menschen, die jeden Tag gegen Rechtsradikale kämpfen. Weil die AfD nämlich zunächst mal wieder ihren Opfermythos spielen konnte. Und die AfD hat Nazis in ihren Reihen, vertritt Nazi-Ideale und macht Naziparolen. Nun tut sie so, als wäre sie ein Opfer.
nussbaum.de: Wie nehmen Sie das Feedback bisher wahr?
Born: Ich bekomme zunächst einmal sehr viel Kritik. Dann bekomme ich wiederum von vielen Leuten Kritik mit der Anmerkung ‚Wir können es nachvollziehen, geben Sie auf keinen Fall Ihr Mandat ab. Bleiben Sie uns in der Politik treu.‘ Somit ist ein breites Spektrum abgedeckt. Ich war schon immer jemand, der von Rechtsradikalen massiv gehasst wird. Das ist jetzt wieder so.
nussbaum.de: Was sagen Sie Menschen, die argumentieren, dass Sie der AfD durch Ihre Handlung einen Bärendienst erwiesen haben?
Born: Diese Leute haben zu 100 Prozent recht und deshalb schäme ich mich auch so dafür. Wir müssen gegen die AfD aufstehen und gegen sie kämpfen. Aber wir müssen es mit Mitteln tun, die die AfD wirklich kleiner machen. Darum war alles an dieser Sache falsch.
nussbaum.de: Wie erklären Sie diesen drastischen Schritt Ihren Wählerinnen und Wählern in Schwetzingen und Hockenheim – darunter auch viele, die Ihnen seit Jahren vertrauen?
Born: Die Wählerinnen und Wähler sagen mir: ‚Herr Born, Sie haben Scheiße gebaut, aber bleiben Sie unser Landtagsabgeordneter.‘ Ich merke daran, wie entsetzt man darüber ist, dass ich so die Contenance verloren habe. Viele sagen, sie kennen mich ganz anders. Darauf kann ich nur antworten, dass ich mich selbst auch ganz anders kenne. Auch meine Partei und mein privates Umfeld kennen mich anders. Darum treffe ich auf viel Entsetzen, aber auch durch die Bank weg auf die Rückmeldung, dass ich Landtagsabgeordneter bleiben soll.
nussbaum.de: Sie hätten sich auch auf die geheime Abstimmung berufen können, was juristische Ermittlungen erschwert. Was hat Sie dazu bewogen, relativ schnell zuzugeben, dass Sie es waren?
Born: Ich habe mich freiwillig geoutet, weil ich diesen Fehler begangen habe und nicht andere. Ich habe gemerkt, welches enorme Interesse an dem Thema besteht und wusste am nächsten Morgen, es werden irgendwann auch Namen und Spekulationen folgen. Das wollte ich nicht zulassen.
Ich habe dem Parlament zugemutet, dass es diesen Hakenkreuz-Skandal gibt. Ich konnte nicht noch allen Abgeordneten zumuten, dass über Wochen spekuliert wird, wer es sein kann. Und darum habe ich am nächsten Tag sofort die Konsequenzen gezogen. Ich bin vom Amt des Landtagsvizepräsidenten zurückgetreten, was meiner Meinung nach das schönste Amt ist, das es gibt, um für unsere Demokratie zu werben. Und ich habe mein politisches Zuhause, die SPD-Fraktion, verlassen, um Schaden von ihr abzuwenden. Das waren zwei bittere Preise, die ich für meinen schweren Fehler bezahlt habe.
nussbaum.de: Was hat Sie nun dazu bewegt, auch Ihre erneute Kandidatur 2026 niederzulegen?
Born: Wir brauchen eine starke SPD – sowohl im Land als auch im Wahlkreis. Ich habe jahrelange für unsere Partei landesweit mit Positionen für gebührenfreie Kitas, bezahlbares Wohnen, Miteinander in Vielfalt und starke Demokratie geworben. Ich will, dass über mehr Unterstützung für Kommunen, gute Arbeitsplätze und Chancen für alle diskutiert wird. Und nicht über meinen idiotischen Fehler. Darum habe ich mich vom Platz genommen. Kein Daniel Born auf der Liste, kein Daniel Born als Kandidat im Wahlkreis. Keine Belastung durch mich für den wichtigen SPD-Wahlkampf.
nussbaum.de: Sie haben bereits gesagt, dass Sie Ihr Mandat, auch aufgrund der Rückmeldungen, die Sie erhalten haben, behalten möchten. Inzwischen gab es auch schon Stimmen aus der Partei, die Ihnen nahelegten, auch dieses niederzulegen. Wie ist Ihre Haltung dazu?
Born: Das Landtagsmandat gehört den Bürgerinnen und Bürgern im Wahlkreis Schwetzingen. Es wird am 8. März neu vergeben. Und ich werde diese Arbeit als Volksvertreter für die Menschen bis dahin mit meiner Erfahrung und sozialdemokratischen Überzeugung ordentlich zu Ende bringen.
nussbaum.de: Gibt es aus Ihrer Sicht dann tatsächlich noch etwas, das Sie glaubwürdig einbringen können, nach allem, was jetzt vorgefallen ist?
Born: Ich bin innerhalb von 12 Stunden vom Vizepräsidenten des Landtags zur, jetzt zitiere ich, ‚Schande des Landtags‘ geworden. Das ist schon ein massiver Abstieg. Und ich habe mir schon intensive Gedanken gemacht, ob ich noch glaubwürdig sein kann. Die Rückmeldungen sind: Ja, die Leute sind geschockt, aber sie reden mit mir. Natürlich hat ein einzelner Abgeordneter beileibe nicht die Möglichkeiten, die man hat, wenn man zum Beispiel in einer so tollen Fraktion wie der SPD-Fraktion arbeiten kann. Das weiß ich auch. Aber das Fragerecht bleibt mir auch als fraktionsloser Abgeordneter. Und ich habe auch als fraktionsloser Abgeordneter die Möglichkeit, Briefe zu schreiben, Themen zu verfolgen, mich einzubringen und für die Bürgerinnen und Bürger hier ein offenes Haus zu haben. Das werde ich weitermachen.
nussbaum.de: Wie sehen Sie denn die Rolle des Landtags in der Sache, also auch als demokratische Institution? Hat Ihre Aktion da nicht auch Grenzen überschritten?
Born: Es war eine meiner größten Sorgen, dass der Landtag dadurch in ein schlechtes Licht gerückt wird. Ich hoffe, dass ich mit meiner Konsequenz, sofort zurückzutreten, den Schaden abwenden konnte.
Mein Fehler hat damit zu tun, dass diese Demokratie, dieser Parlamentarismus permanent von der AfD angegriffen wird. Auch an diesem Tag. Eine Rednerin hat in einer Rede in einem furchtbaren Ton über Transjugendliche gesprochen. Ich hatte die Sitzungsleitung und musste für Ordnung sorgen und ruhig bleiben, aber dann sehe ich hoch auf die Empore, wo oft Schulklassen sitzen, und denke mir, wie schrecklich es sein muss, wenn Trans-Jugendliche dabei sind und das hören müssen. Wie fühlen die sich in dem Moment, wenn sie in ihre Volksvertretung kommen und solche Reden gehalten werden?
Danach hat die AfD bei dieser Wahl wieder alles getan, um die Vorgänge im Landtag zu chaotisieren. Das will sie nämlich. Sie will unsere Parlamente als nicht handlungsfähig darstellen, weil sie Ausdruck unserer vielfältigen Gesellschaft sind, wo ganz verschiedene Gruppen Interessen und Probleme miteinander aushandeln und zu Lösungen kommen.
Mich beschäftigt, dass wir in die nächste Sommerpause gehen und die AfD wieder stärker geworden ist. Weil wir uns endlich darüber klar werden müssen, dass diese Partei die Demokratie beenden will und sich nicht an demokratische Spielregeln hält. Und ich bin fest davon überzeugt, wir müssen überall aufstehen, die Alarmglocken müssen schrillen. Wir brauchen ein Verbotsverfahren gegen die AfD. Sie ist eine gesichert rechtsextreme Partei.
nussbaum.de: Das sind – aus Ihrer Sicht - valide Punkte, aber könnte man das nicht auf anderem Wege tun, als Hakenkreuze auf Abstimmzettel zu machen?
Born: Ja, das ist kontraproduktiv, damit kann man es überhaupt nicht tun. Ich bin wirklich davon überzeugt, dass man für AfD, das heißt für Rechtsextremismus, keine Normalität schaffen darf. Die AfD sollte keine Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben, sie sollte keine Zugänge zu Podiumsdiskussionen haben. Sie sollte nicht die Möglichkeit haben, ihre Versammlung im Stadtteil zu machen, weil sie nicht Teil der demokratischen Meinungsbildung ist, sondern neben dieser steht. Wenn sie in Parlamenten ist, dann hat sie diese Sitze in demokratischen Wahlen errungen und natürlich darf sie diese behalten, wenn sie nicht verboten wird. Aber am meisten würde ich mir wünschen, dass vor unseren Parlamenten jeden Tag Mahnwachen stattfinden, solange diese Rechtsextremen da drinsitzen. Es darf keinerlei Gewöhnung an diese AfD geben.
nussbaum.de: Daran anschließend: Wie wollen Sie dann das bestätigte Vertrauen in Ihre Person und in Ihre politische Arbeit wiederherstellen, gerade bei jungen Wählerinnen und Wählern?
Born: Ich bin oft an Schulen gegangen, hier biete ich mich weiter an. Auch Veranstaltungen, zum Beispiel meine Demokratietouren, die immer gut angekommen sind, möchte ich weiter anbieten. Und ich möchte auch weiter durch meine Arbeit im Wahlkreis überzeugen. Die Bürgerinnen und Bürger sollen sich weiter darauf verlassen können, dass Daniel Born für sie da ist. Wenn sie ein Anliegen haben, trage ich es nach Stuttgart und ich habe als Abgeordneter bestimmte Möglichkeiten und Rechte. Dass meine Einflussmöglichkeiten durch diese Aktion gesunken sind, ist ganz klar. Da muss ich auch keine Kulisse schieben. Das ist logisch. Mein Ruf hat massiven Schaden genommen, das liegt allein an mir und meinem Fehler.
nussbaum.de: Gibt es etwas, das Sie persönlich aus der ganzen Affäre gelernt haben und was sollte Ihre Partei vielleicht daraus lernen?
Born: Der Partei muss ich hier gar keine Ratschläge geben, sie hat keine Fehler gemacht, nur ich. Das ist mir wichtig.
Ich selbst war an dem Tag wegen des vorher Geschilderten enorm emotional aufgewühlt. Im Nachhinein muss ich sagen, ich hätte an dem Tag den Landtag früher verlassen sollen, zumindest hätte ich diese Wahlkabine nicht betreten sollen. Ich hätte für mich selbst erkennen müssen, wo die Stoppzeichen sind.
Auch als schwuler Mann, der sich von dem, was die AfD macht - permanent Gruppen ausgrenzen - natürlich auch besonders betroffen fühlt. In den Jahren, in denen ich als Vizepräsident den Landtag repräsentiert habe, habe ich gemerkt, dass viele Gruppen gesagt haben, Sie gehören als queerer Mensch der Minderheit an, und wir fühlen uns da ein Stück weit auch gut platziert. Wir haben alle einen Platz am Tisch in diesem Land und deshalb tut es mir auch so leid, dass ich nach dem Fehler - aus eigener Entscheidung - zurücktreten musste.
Mir ist auch noch einmal klar geworden, es ist so ein massiver Angriff auf unsere Demokratie, dass wenn wir, wie ich es tue, unsere Demokratie, unsere Vielfalt und die Inklusion lieben, irgendwann sehen müssen, ob die Angriffe einen nicht so sehr verletzen und erschüttern, dass man sich erstmal selber für ein paar Stunden aus dem Spiel nehmen, einen Schritt zurückgehen muss. Das habe ich an dem Tag nicht gemacht und das war ein verheerender Fehler.
Jetzt bin ich noch bis zum Frühjahr im Landtag, dann wird eine neue Kandidatin, ein neuer Kandidat gesucht. Ich habe die Landesliste verlassen und kandidiere nicht mehr. Das heißt, ich kann dann zurückblicken auf die 10 Jahre, in denen ich hauptberuflich Politik gemacht habe. Ich weiß noch gar nicht, was ich dann mache. Aber es war schon eine wirklich krasse Achterbahnfahrt. Mit Mitte 40 Landtagsvizepräsident zu werden, war die größte Ehre, aber auch hier den Wahlkreis vertreten zu dürfen. Jetzt fahre ich mit den Bürgerinnen und Bürgern dieses Mandat ein in die letzte Kurve. Und ich hoffe, dass man im Nachhinein, wenn man sich die 10 Jahre, die ich dem Landtag gedient habe, anschaut, nicht nur an diesen einen schwerwiegenden Fehler denkt, sondern auch an den Beitrag, den ich leisten konnte für mehr Inklusion, mehr Demokratie, mehr Solidarität.
Die Fragen stellten Johannes Rehorst und Patrick Schunk.