Bis Anfang März müssen sich Eltern heutiger Viertklässler entscheiden, auf welche weiterführende Schule sie ihr Kind schicken wollen. Zur Wahl stehen meist Gymnasien, Gemeinschaftsschulen, Realschulen oder Werkrealschulen. Der Wille der Eltern zählt hier nach wie vor, doch braucht es für den Zugang zu einem allgemein bildenden Gymnasium seit dem Schuljahr 2024/25 auch noch eine Empfehlung auf Basis der pädagogischen Gesamtwürdigung und/oder eine Kompetenzmessung. Einige Eltern sind nun besorgt: Was, wenn mein Kind nicht die Voraussetzungen für das allgemein bildende Gymnasium erfüllt?
Zum Glück müssen sich Eltern hierüber wenig Gedanken machen, wie Ulrike Franke und Kollegen erklären: „Kein Abschluss ohne Anschluss.“ Als Rektorin der Gemeinschaftsschule in Gäufelden weiß sie: Kindern stehen heute zahlreiche Möglichkeiten offen, was ihre schulische und später auch berufliche Laufbahn angeht. Wer auf seinen Abschluss noch „einen drauf setzen“ möchte, kann das auf verschiedenen Wegen tun. Dennoch seien viele Eltern skeptisch gegenüber der Gemeinschaftsschule. Ulrike Franke und ihre Kollege Dominic Brucker (Gemeinschaftsschule Jettingen) und Pamela Placzek (Vogt-Heß-Gemeinschaftsschule Herrenberg) haben daher anlässlich der anstehenden Schulanmeldetage einige Fragen zu dieser Schulform beantwortet.
Welche Abschlüsse können an einer Gemeinschaftsschule absolviert werden?
Ein Haupt- oder Realschulabschluss ist an jeder Gemeinschaftsschule möglich, an Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe kann zudem das allgemein bildende Abitur erreicht werden. An allen Gemeinschaftsschulen, auch wenn sie keine eigene Oberstufe haben, wird auf das Abitur vorbereitet, da auch diese Schulen das E-Niveau ermöglichen, was einen einfachen Übergang in die Oberstufe ermöglicht.
Was ist der Unterschied zu Gymnasium oder Realschule?
Dass auf allen drei Bildungsniveaus gearbeitet werden kann und zu jeder Zeit in jedem Fach das Niveau angepasst werden kann. Endgültig auf einen Abschluss festlegen müssen sich Schüler erst in der Mitte der Klassenstufe 8 beziehungsweise 9, wenn der angestrebte Abschluss höher als der Hauptschulabschluss ist. Die Schüler haben somit länger Zeit, sich zu entwickeln. Wichtig zu wissen ist auch, dass die Entscheidung gemeinsam durch Eltern, Schüler und Schule getroffen wird. Bei den anderen Schularten werden Kinder durch die Schule einsortiert. Das Aufrücken in die nächsthöhere Stufe erfolgt an der Gemeinschaftsschule nach diesen Kriterien und nicht durch die klassische Versetzung, wie es bei anderen Schularten der Fall ist.
Wie zeigt sich das im Schulalltag?
Da bei uns viele Gymnasial- und Realschullehrkräfte unterrichten, die es so an den Realschulen nicht gibt, ist die qualitative Beratung und Unterstützung hinsichtlich des Abschlusses gewährleistet. Das Lernen ist an einer Gemeinschaftsschule nicht „nach oben gedeckelt“. In der Realschule können Schüler nur auf Real- und Hauptschulniveau lernen, bei uns auch auf gymnasialem Niveau. Außerdem beschulen wir auch Schüler mit inklusiven Settings/Methoden.
Diese Individualität in Sachen Niveau zeigt sich nicht nur innerhalb einer Klassenstufe, sondern auch bei den einzelnen Fächern. An einer Gemeinschaftsschule kann nämlich in verschiedenen Fächern auf verschiedenen Niveaus gearbeitet werden. Das geht an den Realschulen und Gymnasien nicht. Das Lernen findet in der Schule in sogenannten Lernzeiten statt, Hausaufgaben gibt es keine. Die Schüler werden dabei von Lehrkräften unterstützt.
Wie stellt sich die Fächerauswahl an einer Gemeinschaftsschule dar?
Ein Bestandteil des Stundenplans sind die Wahlpflichtfächer Französisch, AES oder Technik – wie an der Realschule. Dazu kommt das Profilfach, in Zukunft Naturwissenschaft-Informatik-Technik (NIT), Spanisch oder Kunst/Sport/Musik (je nach Gemeinschaftsschule ein anderes dieser drei Fächer), wie am Gymnasium auch.
Wie ermitteln Sie die unterschiedlichen Niveaus der Schüler?
Die Leistungsmessung und -rückmeldung erfolgt differenzierter als nur mit Noten. Diese gibt es erst in den oberen Klassen, davor wird Eltern nur auf Antrag die Benotung mitgeteilt. Stattdessen erstellen Gemeinschaftsschulen ein klareres Stärken- und Schwächenprofil der Schüler, auf dessen Basis ein individuelleres Lernen erfolgen
kann.
Welche Bildungsschwerpunkte werden an der Gemeinschaftsschule gesetzt?
Die Gemeinschaftsschule ist eine zukunftsorientierte und vielfältige Schule. Daraus ergeben sich ihre zahlreichen Möglichkeiten, vielfältigen Chancen und ihr Blick nach vorne.
Gibt es zudem noch zusätzliche Möglichkeiten der individuellen Förderung von Kompetenzen und Interessen?
Gemeinschaftsschulen bieten – wie andere Schulformen auch – eine vielfältige AG-Auswahl. Wahlpflichtfächer gibt es analog zur Realschule, Profile analog zum Gymnasium. Auch hier zeigt sich die „Mischung“ beider Schulformen, welche die Gemeinschaftsschule als solche auszeichnet.
Welche Möglichkeiten hat mein Kind mit einem Abschluss von einer Gemeinschaftsschule?
Alle! An einer Gemeinschaftsschule können exakt die gleichen Abschlüsse wie an den anderen Schularten auch absolviert werden. Es werden dieselben Prüfungen zu denselben Terminen abgelegt. Voraussetzungen und Bedingungen sind also gleich.
Fördern Sie alle möglichen weiteren Wege während der Schulzeit?
Die Gemeinschaftsschulen sind hier gut aufgestellt. Es werden Ausbildungsmessen veranstaltet, wir nehmen am Landesprogramm BOaktiv teil (berufliche Orientierung), in den Klassenstufen 7, 8, 9 und 10 absolvieren die Schüler Praktika. Wir kooperieren mit zahlreichen Betrieben und Schulen und unterhalten Bildungspartnerschaften mit Unternehmen. Zudem finden regelmäßig Infoveranstaltungen mit verschiedenen Ausrichtungen statt.
Müssen sich Eltern Sorgen machen, wenn ihr Kind „nur“ eine Empfehlung für eine Gemeinschaftsschule seitens der Grundschule erhält?
Es gibt gar keine spezielle Gemeinschaftsschul-Empfehlung, vielmehr erhält jedes Kind eine solche. Egal, für welche Schulart die Empfehlung ausgesprochen wird, die Gemeinschaftsschule wird immer als Option genannt. Denn wir bieten wie beschrieben alles an. Mit der neuen Grundschulempfehlung werden nun Niveaustufen (G, M und E) genannt und deutlich gemacht, an welcher Schulart diese angeboten werden. Dabei zeigt sich, dass nur die Gemeinschaftsschule das volle Angebot bietet. Ein „nur“ Gemeinschaftsschule gibt es nicht. Die Gemeinschaftsschule ist eine leistungsstarke weiterführende Schule, die auf alle Abschlüsse vorbereitet.