„Es ist ein Rätsel, wieso die Grötzinger Malerkolonie nicht so bekannt wurde wie die in Worpswede“, sagt Jutta Leyendecker bei ihrem Vortrag „Hinaus ins Freie – ‚Grüne Buben‘ in Grötzingen“ im OrgelFabrikSalon in Durlach. „Vielleicht hatte Grötzingen nicht so einen berühmten Chronisten wie es Rilke für Worpswede war.“
Allerdings sei es heute unverständlich, wieso die Stadt Karlsruhe die Grötzinger Künstlerkolonie nicht als Pfund sehe, mit dem sie wuchern könne. „Es ist die einzige Malerkolonie in Süddeutschland“, sagt sie. Das jedoch interessiere offensichtlich keinen.
„Studiert haben die Künstler an der Großherzoglichen Badischen Kunstschule“, berichtet Jutta Leyendecker. Die sei 1854 gegründet worden und habe den damals neuen Schwerpunkt Landschaftsmalerei gehabt. Frauen waren erst ab 1919 an Kunstakademien zugelassen. Davor mussten sie privaten Malunterricht nehmen.
Die Arbeit der Landschaftsmaler, abschätzig als „Landschafter“ oder „Grüne Buben“ bezeichnet, sei lange nicht anerkannt worden. Die Idee und der Wunsch der Maler sei gewesen, mit ihrem Material, darunter die neuen Tubenfarben, die dies überhaupt erst ermöglichten, nach draußen zu ziehen und dort ihre Bilder von Anfang bis Ende zu malen. „Das war etwas anderes als das Akademische im Kunststudium“, sagt Jutta Leyendecker. „Es hatte auf viele eine geradezu befreiende Wirkung.“
Jutta Leyendecker stellt die Kunstschaffenden, die später in Grötzingen waren, kurz vor: Friedrich Kallmorgen (1856 - 1924) kam als Kunststudent aus Düsseldorf nach Karlsruhe. Otto Fikentscher (1862 - 1945) stellte bevorzugt Tiere in ihrer natürlichen Umgebung dar.
Gustav Kampmann (1859 - 1917) malte und lithografierte vor allem Landschaften mit hoher Abstraktion. Franz Hein (1863 - 1924) hatte Schwerpunkte in der Märchenmalerei und in der Grafik. Karl Biese (1863 – 1926) fand viele Motive im Schwarzwald und malte besonders gelungen Schnee. Margarete Hormuth, später Kallmorgen (1857 – 1916), war eine hervorragende Blumenmalerin, Jenny Nottebohm, später Fikentscher (1865 – 1959), gestaltete erfolgreich Lithografien.
„Grötzingen war damals als Ausflugsziel und zum Gasthausbesuch beliebt“, so Jutta Leyendecker weiter. Die Kunststudenten hätten das Dorf bei ihren Malausflügen kennengelernt. Als Erstes zog das Paar Kallmorgen am 2. Mai 1889 in sein Haus „Hohengrund“. Jutta Leyendecker stellte fest: „Das war die Geburtsstunde der Grötzinger Malerkolonie.“
Etwa ab der gleichen Zeit wohnte Otto Fikentscher im Schloss Augustenburg. Hier lebten bereits Jenny Nottebohm, ihr Halbbruder Gustav Kampmann und ihre Mutter. 1891 kaufte Otto Fikentscher das Schloss.
Die Grötzinger Bevölkerung blieb, wie Jutta Leyendecker sagte, skeptisch und tat sich schwer, in dem „Farbe Einheimsen“ eine ernsthafte Arbeit zu erkennen. Die „Neig’schmeckte“ wiederum wollten selbst ein Teil des Landlebens werden.
Nach ein paar Jahren, 1902 bis 1905, hatten die Künstler*innen eigene Wege gefunden und die meisten verließen Grötzingen. Friedrich Kallmorgen behielt Haus Hohengrund als Sommerhaus. Inzwischen wohnt die sechste Generation der Familie dort. Otto und Jenny Fikentscher lebten weiterhin im Schloss Augustenburg oder später in ihrem Haus in der Kirchstraße. (rist)
(Die Fotos wurden bei einer Ausstellung zur Grötzinger Malerkolonie im L8 in Baden-Baden aufgenommen)
Info:
zum Weiterlesen
Jutta Leyendecker: Die Grötzinger Malerkolonie - Hinaus ins Freie!, J. S. Klotz Verlagshaus, 2021, ISBN: 978-3-948968-78-6, 24,90 Euro