„Richte nie den Wert des Menschen schnell nach einer kurzen Stunde. Oben sind bewegte Wellen, doch die Perle liegt am Grunde.“
Otto von Leixner
Die aktuelle Hirnforschung behauptet: Die ersten Sekunden entscheiden bei einer Begegnung darüber, ob ich mein Gegenüber sympathisch finde, oder nicht.
Und vermutlich ist an diesem Forschungsergebnis auch viel Wahres dran. Aber nicht immer ist dieser Automatismus klug und sinnvoll. Mitunter kann der erste Eindruck mich nämlich auch ziemlich fies täuschen: Manchmal mache ich die Erfahrung, dass ein Mensch, von dem ich bisher eine sehr hohe Meinung hatte, auf einmal Dinge sagt und tut, die ich für absolut verwerflich halte und bei denen ich ernüchtert feststellen muss: Diese Seite kannte ich an ihm gar nicht und habe ihn deswegen ganz falsch eingeschätzt.
Umgekehrt kommt es aber auch vor, dass jemand, den ich jetzt nicht unbedingt als die hellste Glühbirne im Lampenladen betrachtet hätte, plötzlich Fähigkeiten oder Eigenschaften an sich zeigt, dass mir vor Staunen der Mund offen stehen bleibt.
Darum ist es klug, das eigene Urteil über einen anderen Menschen immer wieder selbstkritisch zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Sonst laufe ich Gefahr, einfach blind meinem intuitiven Ersteindruck hinterherzuhinken, der sich bei genauerem Hinsehen vielleicht lange schon als von der ungeschminkten Realität überholt erweist. Oder einfacher formuliert: Selbst wer sich schwer damit tut, die eigene Meinung zu hinterfragen, sollte wenigstens von Zeit zu Zeit seine inneren Schubladen neu sortieren, bevor er den nächsten Menschen dort hineinsteckt. (Dennis Nagel)