Während bereits seit zwei Monaten die ersten Frühkartoffeln aus Ägypten oder Griechenland in den Supermärkten angeboten werden und mit ihrer blassen Farbe, wässrigen Konsistenz und geschmacklichen Neutralität eher zu kulinarischer Verärgerung als zu Sättigung und Genuss beitragen, kommt nun auf dem Höhepunkt der Spargelsaison endlich auch heimische Ware in den Verkauf. Die Sorten Annabelle und Sieglinde stehen dabei besonders hoch in der Gunst der Feinschmecker, wobei Sieglinde etwas später zur Reife kommt und daher noch einige Tage im Boden verharren muss. Mit ihrer zarten Schale und goldgelben Farbe sind sie als Begleiter zu Stangenspargeln geradezu prädestiniert. Darüber hinaus bilden sie das Ausgangsprodukt für ein Gericht, das die Weingartener besonders in ihre Herzen geschlossen haben und über dessen korrekte Zubereitung teils sehr emotionale Diskussionen geführt werden können – den Kartoffelsalat.
Das Grundrezept für den „Grumbieresalat“ findet sich auf Seite 49 des im Jahre 1989 erschienenen Büchleins „Was d'Wengerder gern esse“. In Zusammenarbeit mit Mitgliedern des örtlichen Hausfrauenbunds hatten damals Ruth Rauch, Ruth Aich und Ruth Reinschmidt die Lieblingsgerichte der Weingartener Familien gesammelt, sortiert und in gedruckter Form veröffentlicht. Das kleine Werk entwickelte sich zu einem wahren Verkaufsschlager, und bald danach wurde sogar noch ein zweiter Band mit weiteren „Wengerder Klassikern“ herausgegeben. Somit waren die „Drei Ruths“ die ersten Weingartener Foodbloggerinnen, und die in blaues und rotes Leinen gebundenen Bände finden sich zusammen mit dem Ortssippenbuch und dem Titel „Tausend Jahre Weingarten (Baden)“ in jeder gut sortierten häuslichen Bibliothek.
Doch zurück zum Kartoffelsalat: Acht mittelgroße Salatkartoffeln werden gekocht, geschält und nach dem Abkühlen in feine Scheiben geschnitten. Danach wird eine feingehackte Zwiebel dazugegeben. „Das geht gar nicht“ – werden nun viele Liebhaber des „Grumbieresalats“ einwerfen, „die Zwiebel muss angedünstet werden. Das nimmt der Schärfe die Spitze, betont die leichte Süße der Zwiebel und macht den Salat leichter verdaulich.“ Wie in der großen Politik stehen sich die beiden Fraktionen unversöhnlich gegenüber, dazwischen gibt es noch eine kleine Minderheit, die gar keine Zwiebel im Salat wünscht. Weitgehend einig ist man sich zum Glück dahingehend, dass die Fleisch- oder Gemüsebrühe möglichst heiß über die abgekühlten Kartoffelscheiben gegeben werden soll, damit diese die aromatische Flüssigkeit gut aufnehmen. Empfehlenswert scheint es auch zu sein, das Öl erst zum Schluss unterzumischen, ein genauer Grund dafür wird jedoch nicht angegeben. Die Möglichkeiten, den Kartoffelsalat abzuschmecken und zu verfeinern, sind schier unendlich. Manche mögen ihn mit Senf, andere mit einem Hauch Meerrettich. Kapern verleihen ihm einen leicht mediterranen Charakter. Im Sommer kann man feingeschnittene Radieschen oder Salatgurken dazugeben, etwas später im Jahr Endiviensalat. Ein oder zwei Eigelb betonen die goldgelbe Farbe und erzeugen eine gewisse Bindung. Dies geht allerdings zu Lasten der Haltbarkeit. Auch kleine Speckwürfel sind bei vielen sehr beliebt und setzen beim Verzehr einen reizvollen salzigen Akzent. Eine Prise Chilipulver gibt dem Salat Wärme und geschmackliche Fülle, Petersilie darf bei vielen Genießern ebenfalls nicht fehlen. Auch diese kann entweder roh verwendet oder angedünstet werden – ein weiterer Diskussionspunkt.
Völlig unübersichtlich sind darüber hinaus die Kombinationsmöglichkeiten. Diese fangen bei „einem Paar Wienerle“ an und reichen über ein paniertes Schnitzel oder einen Teller angeschmelzte Maultaschen bis hin zur schwäbischen Variante, ihn als Beilage zu einem Zwiebelrostbraten zu servieren – selbstverständlich in Verbindung mit einer Portion Spätzle. Mit ein paar hartgekochten und geschälten Eiern wird der Rest vom Vortag zu einem leichten sommerlichen Abendessen. Dazu ein Ruländer vom Wengerder Petersberg, und der Tag ist gerettet. Guten Appetit! (gö)