Info-Veranstaltung Windkraft in Unteröwisheim

„Wollen wir über Windkraft reden?“ Windenergie ist allerorten ein wichtiges und beherrschendes Thema – auch in Kraichtal! Die Diskussion um den...
Ein „Klimafieber-Zeitstrahl“ sorgte für erhöhte Aufmerksamkeit.
Ein „Klimafieber-Zeitstrahl“ sorgte für erhöhte Aufmerksamkeit.Foto: hjo

„Wollen wir über Windkraft reden?“

Windenergie ist allerorten ein wichtiges und beherrschendes Thema – auch in Kraichtal! Die Diskussion um den Ausbau der Windkraft nimmt aktuell so richtig Fahrt auf, zumal wilde Gerüchte und Falschinformationen die Runde machen.

In der Vorwoche hatte der Kraichtalbote bereits ausführlich zu „Was man in Kraichtal über die geplanten Windräder wissen muss“, informiert. Nachdem im Vorjahr bereits zwei Veranstaltungen zum Themengebiet über die Bühne gegangen waren – die beiden lokalen Energieversorger EnBW und die JUWI-Gruppe hatten im September in Oberacker und im Dezember in Münzesheim ihre Wünsche und Ziele vorgestellt – hatte die Stadt Kraichtal jetzt zu einer öffentlichen Informationsveranstaltung in die Mehrzweckhalle nach Unteröwisheim eingeladen, um über den aktuellen Stand zu berichten und für Transparenz zu sorgen.

In den vergangenen Wochen und Monaten hatte man bereits im Mitteilungsblatt sowie mit Videobeiträgen Stellung bezogen und klargestellt, dass es bislang keinen Beschluss des Gemeinderates gebe, dass auf kommunalen Flächen Windkraftanlagen gebaut werden sollen. Dass dieses Themengebiet „Windenergie im Kraichgau“ vielschichtig und nicht lokal begrenzt, sondern nur im größeren Zusammenhang zu verstehen ist, wurde bei der sehr gut besuchten Veranstaltung mit über 200 Besuchern deutlich.

Regionalverbände sind wichtige Entscheidungsträger

Nach der Begrüßung durch Kraichtals Bürgermeister Tobias Borho (parteilos), der die Besucher animierte, das „geballte Fachwissen vor Ort“ zu nutzen, sich im Anschluss an die Vorträge zu informieren und individuelle Fragen zu stellen, gab Dr. Matthias Proske, Verbandsdirektor Regionalverband Mittlerer Oberrhein, Auskunft über die planungsrechtliche Sicherung und zeigte den methodischen Ablauf mit den Vorranggebieten und Kriterien im Kraichgau auf. In einer Videoeinspielung wurde deutlich, wie der Prozess einer Windenergieanlage von der Raumplanung mit festgelegten Gebieten bis zur Genehmigung abläuft.

„Dabei sind die Regionalverbände wichtige Entscheidungsträger“, so Proske, der den aktuellen Ausbaustand darstellte und die Ausbau- und Klimaschutzziele in Europa, Deutschland und Baden-Württemberg nannte. Proske betonte, dass der Bau einer Windkraftanlage erst spruchreif wird, wenn der Eigentumsbesitzer des Grundstücks mit dem Projektierer einig ist.

„Windenergie stärkt den ländlichen Raum“

Im Anschluss informierten Pascale Schneider und Larissa Menges vom Regierungspräsidium Karlsruhe – Stabsstelle Energiewende, Windenergie und Klimaschutz – und nannten wichtige Argumente für die Windenergie mit einer dezentralen Versorgungssicherheit in Zeiten des Klimawandels: „Windenergie stärkt den ländlichen Raum und der Bürger profitiert auch finanziell von den Windparks“, so ihre Argumentation. Die Stabsstelle berät in rechtlichen und fachlichen Fragen und nannte die Windenergie als günstigste Stromquelle mit dem Problem, dass sich der Strompreis auf dem Markt an der teuersten Energiequelle (meist Gas) orientiere. Dass Windenergie nicht günstig ist, sei ein Vorurteil, das längst widerlegt sei, hieß es. Der Ausbau der Erneuerbaren müsse schneller voranschreiten.

Acht Windenergieanlagen

Fakt ist: Für zwei Waldflächen, auf denen acht Windenergieanlagen (Münzesheim, Oberacker, Unteröwisheim) erstellt werden können, liegt der Stadt Kraichtal sowohl von der EnBW als auch der JUWI ein Pachtangebot vor. Die aktuell geplanten Anlagen auf Kraichtaler Gemarkung benötigen dauerhaft eine Fläche von rund 8 Hektar. Dies entspricht etwa 0,5 Prozent des Kraichtaler Waldes oder knapp 7 Sportplätzen.

Viele Fragen an den Info-Ständen

Nach den Ausführungen waren die Infostände in der Halle schnell von Menschen umringt. Die „Projektgruppe Klima“ (Bürgerschaftliches Engagement der Stadt Kraichtal) stellte sich, ebenso wie BUND und NABU („Energiewende und Naturschutz“) dem Dialog mit naturverträglichen Planungen und Lösungen und zeigte Kompensationsmaßnahmen mit einer konstruktiven Zusammenarbeit aller Beteiligten auf. Der „Initiativkreis Energie Kraichgau“ war mit einer „Zukunftskarte Kraichtal“ und den eingezeichneten Ortschaften im Maßstab 1:2400 sowie passenden Windkraftanlagemodellen vor Ort und zeigte anschaulich die Größenverhältnisse auf.

Dipl. Bauingenieur (FH) Klaus Schestag stellte die rhetorische Frage „Wollen wir über Windkraft reden?“. Er beantwortete Fragen wie „Was haben Welt, Grundstückseigentümer, Gemeinden und Bürger von den Windkraftanlagen?“ und nannte in dieser Reihenfolge „Deutlich weniger CO₂-Emissionen“, „Jährliche Pachtzahlungen“, „Erhalt einer Kommunalabgabe von 0,2 Cent/kWh“ oder „Möglichkeit der wirtschaftlichen Beteiligung mit günstigem Anwohner-Strom“.

Klimafieber-Zeitstrahl

Interessant war zudem eine räumliche Darstellung eines „Klimafieber-Zeitstrahls“, der sich fast über die ganze Halle erstreckte und die mittlere Jahrestemperatur ab 1850 bis heute aufzeigte. Blaue Farbtöne stellten tiefere und die roten Balken höhere Temperaturen sowie die Abweichungen vom vieljährigen Mittel dar. Dabei zeigte sich deutlich: Es wird wärmer!

Bereits 1824 hatte der französische Mathematiker und Physiker Jean Baptiste Joseph Fourier das Prinzip des Treibhauseffekts in der Atmosphäre beschrieben. Der britische Polarforscher und Umweltschützer Robert Swan, der als erster Mensch beide geografischen Pole zu Fuß erreichte, sagte: „Die größte Bedrohung für unseren Planeten ist der Glaube, dass jemand anderes ihn retten wird!“.

Keine aufgeheizte Stimmung

Fakt ist auch: Es kam im Auditorium zu keiner aufgeheizten Stimmung, obwohl sich einige Besucher im kleinen Kreis auch kritisch äußerten und sich eine offene Diskussion gewünscht hätten und von einer „einseitigen Veranstaltung“ sprachen. Ein Gast brachte den Windatlas ins Spiel, der aussagt, dass „die Hügellandschaft im Kraichgau keine hohen Windgeschwindigkeiten zulässt“. Allen kritischen Fragen steht jedoch die Tatsache gegenüber, dass die zerstörerischen Kräfte mit Überschwemmungen und Hitzerekorden, die der Klimawandel mit sich bringt, katastrophale Folgen hat. Dies wird von der Wissenschaft untermauert, also müssen Lösungen her.

Wichtig zu wissen: Ein Hektar Wald speichert etwa zehn Tonnen CO₂ pro Jahr. Ein Windrad der neueren Klasse verdrängt jedoch rund 10.000 Tonnen CO₂ aus dem Strommarkt – in der Abwägung der Gesamtbilanz sicher vertretbar. Im benachbarten Bruchsal-Ost sollen künftig bis zu acht Windräder jährlich rund 145 Millionen Kilowattstunden erneuerbaren Strom erzeugen. Den Zuschlag für die Projektentwicklung erhielt die JUWI-Gruppe, einer der führenden Entwickler solcher Energieprojekte in Deutschland.

Mehr zur JUWI-Gruppe

Die JUWI-Gruppe zählt seit rund 30 Jahren zu den führenden Spezialisten für erneuerbare Energien. Das Unternehmen entwickelt und betreibt Wind- und Solarprojekte sowie Hybridsysteme mit Speichern. Als Teil der MVV Energie AG hat JUWI seinen Hauptsitz in Wörrstand bei Worms (Rheinland-Pfalz) und weiteren Standorten in Deutschland. Zudem Niederlassungen in Italien, Griechenland, Südafrika, USA, Indien, Thailand und auf den Philippinen.

Bislang hat JUWI im Windbereich weltweit mehr als 1.250 Windenergie-Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 3.000 Megawatt an rund 250 Standorten realisiert. Im Solarsegment sind es rund 2.000 PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 4.000 Megawatt. Die Betriebsführung von JUWI betreut Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von mehr als 4.100 Megawatt. Für die Realisierung der Energieprojekte hat JUWI insgesamt ein Investitionsvolumen von rund elf Milliarden Euro initiiert.

Diskussion im Gemeinderat

Bei der jüngsten Zusammenkunft des Gemeinderats der Stadt Kraichtal mit der Verabschiedung des Haushalts für 2025, stand in der Vorwoche auch das Thema Windkraft auf der Tagesordnung. Die AFD-Fraktion hatte einen Bürgerentscheid ins Spiel gebracht, weil nach deren Einschätzung das Thema Windkraft in der Sache tiefgreifender sei, als dass sie alleinig durch Mitglieder des Gemeindeparlaments entschieden werden könne. Der Antrag wurde jedoch mehrheitlich abgelehnt, die Planungshoheit müsse beim Gemeinderat liegen, hieß es durch die Bank.

Die Windkraft werde nach Kraichtal kommen, so Karl-Heinz Glaser von der Wählervereinigung „Gemeinsam für Kraichtal“. Dabei sei es nicht unwichtig, dass die Windräder auf Flächen der Stadt gebaut würden, um Einnahmen aus der Verpachtung zu generieren. Auch Verwaltungschef Tobias Borho hat, um einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren zu können, die Stadtkasse und künftige Einnahmen im Blick, die im anderen Fall an private Grundstücksbesitzer gingen. (hjo)

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von Redaktion NUSSBAUMRedaktion NUSSBAUM
19.02.2025
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