Trotz eines Rückgangs der Asylantragszahlen um rund 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr werden weiterhin Personen, die sich bereits in Deutschland und im Falle Filderstadts in der vorläufigen Unterbringung des Landkreises Esslingen befinden, der Stadt zur Anschlussunterbringung zugewiesen. Die Kommunen haben die gesetzliche Verpflichtung, diese Menschen in Not aufzunehmen. Ende 2025 werden jedoch in Filderstadt sämtliche Kapazitäten erschöpft sein. Ungeachtet dessen weist der Landkreis Esslingen auch 2026 weitere Personen der Großen Kreisstadt zu. Was tun? Zur Erfüllung der Vorgaben hat der Gemeinderat die Errichtung einer neuen temporären Anschlussunterkunft (AU) am Rande des Bernhäuser Gewerbegebiets (an der Gottlieb-Daimler-Straße) beschlossen. Im Rahmen eines traditionellen „Nachbarschaftsgespräches“ im Bürgerzentrum informierte dieser Tage die Verwaltung Interessierte über die aktuelle Situation und das Vorhaben.
Dabei stellte Oberbürgermeister Christoph Traub gleich zu Veranstaltungsbeginn – mit Blick in die Zukunft – klar: „Die Welt wird in Bewegung bleiben“. Aufgrund von Krisen, Kriegen und des Klimawandels würden auch weiterhin Menschen in Not auf der Flucht sein sowie Schutz und Sicherheit in anderen Ländern suchen. Das Stadtoberhaupt: „Diese Herausforderungen – auch für uns Kommunen – werden wohl eine Daueraufgabe bleiben.“ Um der Integrationsaufgabe und damit den Menschen gerecht zu werden, trete er gegenüber übergeordneten politischen Ebenen wie Bund und Land schon seit geraumer Zeit für einen dreigeteilten Begriff der Migration ein – nämlich die Unterscheidung in: Zuwanderung (Einbindung in den Arbeitsmarkt), Asyl und (keine) Bleibemöglichkeit (was letztlich Abschiebung bedeuten kann). Diese Definition greife die Leistungsfähigkeit und damit gleichzeitig auch die (finanziellen) Grenzen von Filderstadt auf.
Der aktuelle Stand: 23 Unterkünfte mit maximal 900 Plätzen zählt Filderstadt derzeit. Christoph Traub (der gemeinsam mit Erstem Bürgermeister Falk-Udo Beck und Bürgermeister Jens Theobaldt sowie Verwaltungsmitarbeitenden den Veranstaltungsbesuchenden Rede und Antwort stand) zum konkreten Vorhaben in Bernhausen: „Wir nehmen Menschen auf, die bereits im Land sind“. Auf einer gepachteten Wiese (Ecke Gottlieb-Daimler-Straße, auf Höhe der Weidacher Straße – gleich hinter dem Porsche-Zentrum) sollen – zeitlich befristet – zwei drei-geschossige Baukörper mit 35 Wohnmodulen (jeweils mit Küchenzeile und Bad) für bis zu 105 Personen aufgestellt werden. An dieser Stelle war bereits 2016 eine vorläufige Unterkunft des Landkreises Esslingen genehmigt – aber nicht realisiert worden. Daher gebe es dort, so Traub, „schon eine gewisse Vorplanung“.
Kosten für die Erstellung des Vorhabens: rund 6,1 Millionen Euro. Hinzu kommen die Ausgaben für den laufenden Betrieb (unter anderem Wasser, Strom, Wartung, Sicherheitsdienst …) in Höhe von etwa 800.000 Euro sowie für das Personal (Hausleitung, circa 60.000 Euro) – beides jährlich. Die aktuelle Situation sowie das Betriebs- und Sicherheitskonzept der neuen Anschlussunterkunft stellte Christos Slavoudis, der Leiter des Amts für Integration, Migration und Soziales, die bauliche Umsetzung Hochbauamtschefin Petra Schumacher vor.
Christos Slavoudis über die Personalsituation in der AU: Eine Hausleitung (Ansprechpartner*in für die Bewohner*innen wie die Nachbarschaft) werde von Montag bis Freitag (jeweils von 7 bis 16 Uhr) vor Ort präsent sein. Dies gelte ähnlich auch für eine Gebäudefachkraft. Darüber hinaus seien der Kommunale Soziale Dienst (KSD), die Volkshochschule Filderstadt (vhs), ein Sicherheitsdienst (tägliche Bestreifung, zweimal pro Tag) und das ehrenamtliche Engagement wichtige Partner*innen. Traub: „Dies wird eine neue Herausforderung für unsere Stadt, die nur gemeinsam vom Haupt- und Ehrenamt gemeistert werden kann.“
Zum Baurecht: Der Standort liegt im so genannten „Außenbereich“. Dies heißt im Klartext, dass dort durch eine Ausnahmeregelung temporär nur Geflüchtete untergebracht werden dürfen. Die Schaffung von dauerhaftem Wohnraum ist hingegen untersagt. „Die Fläche in einem Gewerbegebiet ist sicherlich nicht optimal“, sagte der Oberbürgermeister und schob die Begründung für die Platz-Wahl gleich hinterher: „Wir haben ihn trotzdem genommen, weil wir schlicht und ergreifend keine anderen Flächen in der Stadt haben.“ Christoph Traub weiter: „Zudem wollen wir uns keine Flächen verbauen, die für den dauerhaften Wohnbau dringend benötigt werden.“
Der ambitionierte Zeitplan (Traub: „Wir müssen angesichts der erschöpften Unterbringungsmöglichkeiten auf die uns für das Jahr 2026 prognostizierten Zuweisungszahlen umgehend reagieren“): Der Gemeinderatsbeschluss liegt vor, die Planungen laufen bereits. Im Sommer nächsten Jahres soll die Baustelle eingerichtet, im Herbst mit der Platzierung der Module begonnen werden. Läuft alles nach Plan, ist die AU Ende 2026 fertiggestellt, sodass diese schrittweise bewohnt werden kann.
Nach einer Informationsrunde der Verwaltung hatten die Bürger*innen das Wort. Sie wollten beispielsweise wissen:
Vor dem Abschluss des sachlich verlaufenden „Nachbarschaftsgesprächs“ ergriff Jens Fischer, der Vorsitzende des Arbeitskreises (AK) Asyl, das Wort. Auch bei „nicht optimalen Standorten“ habe er viele guten Erfahrungen mit den Geflüchteten in Filderstadt gemacht. Gerade die städtischen Hausleitungen in den Unterbringungen („Gibt es nicht überall“) leisteten eine sehr gute Betreuung der Menschen in den Unterkünften. Zudem habe er mit Freude erlebt, dass viele Geflüchtete, die 2015 und 2016 in die Große Kreisstadt kamen, inzwischen in Ausbildung und Arbeit sowie vor Ort integriert seien. Ein aktuelles Beispiel: Beim Stationenspiel zum Stadtjubiläum „BeHaSiBoPl“ habe, so Fischer, auch ein ehemaliger Geflüchteter mitgespielt und seine Rede für die Aufführung selbst geschrieben. Sein Wunsch an die Bevölkerung: „Jede Hand, die Sie reichen, kann helfen!“
Ein Blick nach vorne: Nach den Sommerferien wird die Verwaltung den Mitgliedern des Gemeinderats eine Vorlage präsentieren. Deren Inhalt: eine Gesamtkonzeption, wie künftig die Unterbringung von Menschen in Not in Filderstadt gestaltet werden soll. (sk)