Zu seinem öffentlichen RIS (Runder Tisch Inklusives Schwetzingen) hatte der Inklusionsbeirat in die Räumlichkeiten der Volkshochschule eingeladen und man sah es dem Vorsitzenden Gerhard Rummel und dem stellvertretenden Vorsitzenden Jens Rückert an, dass sie sich über die rege Teilnahme aus der Bevölkerung und auf die sicher folgenden Diskussionen sehr freuten.
Es sollten laut Einladung „alle möglichen Themen zur konzeptionellen und organisatorischen Gestaltung einer inklusiven Kommune und aktiven Mitmachstadt gemeinsam diskutiert werden“. Zum informellen Austausch zu (wohn-)baulichen Maßnahmen mit den Bürgern waren als Gäste Patrick Körner, Prokurist der Stadtwerke Schwetzingen und Geschäftsführer der Schwetzinger Wohnbaugesellschaft (SWG) und Kai Schemenauer, Bauamtsleiter der Stadt, eingeladen. Der Abend zeigte deutlich, wie wichtig dieser Austausch auch künftig sein wird: Bürger erhalten wichtige und interessante Informationen der Experten, die es möglich machen, viele bauliche Themen besser zu verstehen. Die Experten wiederum erhalten viele wichtige Informationen, Fragen, Anliegen und Anregungen der Bürger, die sie zur weiteren Prüfung mitnehmen. Gerhard Rummel betonte, dass es dem Beirat sehr wichtig sei, kontinuierlich mit den jeweiligen Ansprechpartnern bei der Stadt in Kontakt zu stehen. „Nehmen Sie uns wie auch unseren kommunalen Behindertenbeauftragten Matin Köhl bei laufenden und künftigen Projekten bitte früh genug mit ins Boot.“ Rummel stellte die Frage zur Diskussion in den Raum, wie die Stadt weiter behindertengerecht gestaltet werden könne. Patrick Körner beschrieb die Historie zur SWG, die vor fünf Jahren gegründet wurde und sich um die städtischen Wohnraumbetreuung und Sanierungen kümmere. Die SWG habe auch Wohnungen dazugewonnen. Der Bestand stammt primär aus den 60er und 70er Jahren.
„Damals war Barrierefreiheit leider noch kein Thema,“ so Körner: „Wir haben eine lange Liste an Wohnungen im Bestand, die wir sukzessive entsprechend sanieren wollen.“ Das sei aus baulichen wie auch aus finanziellen Aspekten keine kleine Herausforderung. Immer wieder komme es daher vor, dass städtische Wohnungen, die einen enormen Sanierungsaufwand (i.d.R. zwischen 80.000,00 und 120.000,00 EUR) erfordern, über mehrere Jahre leer stehen müssen. „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und geben unser Bestes.“, versprach er. „Der Input aus dem Inklusionsbeirat zum Thema Barrierefreiheit ist uns enorm wichtig und wir versuchen, uns durch den finanziellen Aspekt nicht dauerhaft bremsen zu lassen, aber oft können wir leider nicht so, wie wir gerne würden.“
Die SWG wird finanziell nicht durch die Stadt unterstützt, sondern finanziert sich durch die Mieterlöse. Es gibt wenig barrierefreie Wohnungen im Bestand. Allerdings habe er in den letzten Jahren auch nur vier Anfragen von Rollstuhlfahrern erhalten. Martin Köhl warf hierzu ein, dass sich die Anfragen sicher mehren würden, wenn das Angebot entsprechend größer und für die Fragenden auch bezahlbar wäre. Er erklärte den Anwesenden die Begrifflichkeiten „R- und B-Standard“: „R bedeutet rollstuhlgerechte und uneingeschränkte Barrierefreiheit. Das ist viel schwieriger herzustellen, da es oft am Platz mangelt. Anforderungen an Wohnungen mit R-Standard sind höher bei der Ausstattung (Sanitär) und bei den Bewegungsflächen. B bedeutet „barrierefreier nutzbarer Wohnraum“, der aber für größere Rollstühle vom Platz her nicht reicht.“ Patrick Körner bestätigte, dass private Investoren oft auf den „R-Standard“ verzichten würden, da so Platz gespart werden könne.
Bauamtsleiter Kai Schemenauer informierte darüber, dass die Stadt bestrebt ist, die öffentlichen Gebäude im Bestand barrierefrei zu gestalten und „das Bestmögliche rauszuholen“. Den Hinweis einer Bürgerin, dass Rollstuhlfahrer nicht automatisch freien Zugang zu Gemeinderatssitzungen haben, da der rollstuhlgerechte Zugang in der Zeyherstraße nicht offen zugänglich sei, nahmen Martin Köhl und Kai Schemenauer auf ihre „To-Do-Liste“ mit.
Raquel Rempp fragte nach, wie es in den Obdachlosenunterkünften der Stadt mit der Barrierefreiheit aussähe. Schemenauer gab an, dass dieses Jahr keine Sanierungen geplant seien, er würde das Thema aber aufnehmen.“ Die Unterkunft in der Dortmunder Straße ist nicht barrierefrei und dort leben ja zum Teil schwer gehbehinderte Menschen, die nicht mal im Erdgeschoss leben. Fahrstuhl gibt es nicht, selbst in die nicht barrierefreie Dusche zu kommen, ist ein Problem.“, so Rempp.
Jens Rückert erkundigte sich, wie es mit einer verbesserten Barrierefreiheit der kommunalen Sporthallen und möglichen Sportstättensanierungsplänen der Stadt aussähe. Schemenauer bestätigte, dass dies „ein schwieriges Thema sei“. Sanierungs- und Umbaukosten lägen bei den städtischen Hallen im siebenstelligen Bereich. Viele weitere Themen wurden am Abend in der konstruktiven Runde besprochen, über die Barrierefreiheit im geplanten städtischen Museum , das „Wohnen-Üben“ der Comenius-Schule, das „Leuchtturm-Projekt“ einer inklusiven Wohngemeinschaft in der Schützenstraße 6, mögliche Mehrgenerationenhäuser, die fehlende Barrierefreiheit in verschiedenen Arztpraxen oder öffentlichen Gebäuden, fehlende Barrierefreiheit an den meisten Bushaltestellen in der Stadt, die fehlenden akustischen Signale an Ampelanlagen, die Errichtung eines öffentlichen Boule-Platzes im Marstallinnenhof und viele mehr.
Eines der Themen, das von Sabine Englert angebracht wurde, war die Einführung einer so genannten „Stillen Stunde“, in der bestehende sensorische Barrieren abgebaut würden: „Es ist für reizempfindliche Menschen oder Autisten sehr schwierig, herausfordernd und belastend, sich bei dem vielen Krach, der lauten Musik, usw. beim Einkaufen in Supermärkten zu konzentrieren.“ Rempp brachte hierzu auch den Vorschlag ein, eine „Stille Stunde“ im „Bellamar“ einzuführen, was Patrick Körner als zuständiger und verantwortlicher Werkleiter des Freizeitbads gerne aufnahm, um sich im Nachgang der Veranstaltung weiter über eine entsprechende Umsetzung und tatsächliche Einführung konzeptionelle Gedanken zu machen. Zum Ende des Abends bedankten sich Rummel und Rückert bei den Anwesenden für den sehr regen und positiven Austausch und baten darum, in der gesamten Bürgerschaft aktiv Werbung für die weiteren RIS Termine des Jahres zu machen, damit „wir dem Ziel einer inklusiven Mitmachstadt weiterhin gemeinsam näher kommen“. Jeder könne sich mit seinen persönlichen Anliegen jederzeit an den ehrenamtlich arbeitenden Inklusionsbeirat und den kommunalen Behindertenbeauftragten der Stadt Martin Köhl wenden. (rare)