Schon mehrfach war das ehemalige Kloster St. Peter und Paul in Hirsau Ziel einer Exkursion des Heimat- und Geschichtsvereins Oberes Enztal e. V. Doch dieses Mal galt das Interesse nicht den steinernen Ruinen, die sich nach der Zerstörung des Klosters im Jahr 1692 durch General Mélac bis heute erhalten haben. Das Besichtigungsziel war die von Abt Johannes Haußmann 1508/09 erbaute Marienkapelle, das einzige Bauwerk des Klosters, das die Zerstörung von 1692 unversehrt überdauert hat. Einzigartig ist diese Kapelle durch ihre Baukonstruktion: Sie ist in zwei Stockwerke geteilt. Der Kapellenraum im Untergeschoss trägt ein bemaltes Gewölbe, der Bibliothekssaal im Obergeschoss dagegen eine schnitzwerkgezierte flache Holzdecke.
Diplom-Ingenieurin Brigitte Bernert erläuterte den zahlreichen Exkursionsteilnehmern fachkundig und höchst anschaulich die bauliche Ausgestaltung der Kirche, insbesondere die prächtigen, fast lebensgroßen Halbfiguren der zwölf Apostel. Sie tragen Spruchbänder, auf denen Teile des Glaubensbekenntnisses zu lesen sind. Durch eine schmale Wendeltreppe im südlichen Turmanbau gelangt man in den lichten, weiten Bibliotheksraum im Obergeschoss. Dieser, nur bei einer Führung zu besichtigende Raum, ist mit einer reichen durch Flachschnitzereien verzierten Täferdecke ausgestattet. Eine weitere Kostbarkeit stellen die zehn Bibliotheksschränke dar, die ebenfalls Flachschnitzereien, vor allem Blattranken, in den Formen der Renaissance schmücken.
Zur Blütezeit des Klosters waren die Schränke noch mit Handschriften und wertvollen Drucken gefüllt und präsentierten die klösterliche Buchkultur. Reste der Klosterbibliothek befinden sich heute im Hauptstaatsarchiv in Stuttgart. Mit einem herzlichen Applaus bedankten sich die Exkursionsteilnehmer bei Brigitte Bernert für die instruktive Führung. Eine gemütliche Einkehr in einem örtlichen Café beschloss die Exkursion. (wp)