Die ehemalige Synagoge ist geöffnet. Erläuterungen, Kaffee und belgische Waffeln werden angeboten. Inzwischen wurde auch das Innengerüst zur Untersuchung der Decke wieder abgebaut und die Außenrenovierung der Fassade ist abgeschlossen. Herzliche Einladung zu einem Besuch. Gerne erläutern wir die ehemalige Synagoge, die Ausstellung zum ehemaligen jüdischen Leben in Hochberg im Vorraum der Synagoge und die Genisa-Funde, die nun seit einigen Wochen auch in Vitrinen ausgestellt sind, die uns das „Haus der Geschichte“ in Stuttgart zur Verfügung gestellt hat. In einer Genisa wurden hebräische Schriften, die den Gottesnamen enthalten, bestattet. Ein solches „Schriftengrab“ gab es auf dem Dachboden der Hochberger Synagoge.
Die Hochberger Judenordnung, Teil 3
Schutzgeld und Aufenthaltsrecht waren die großen Themen der ersten beiden Berichte über die Hochberger Judenordnung von 1780. In den letzten Paragrafen steht der Kontakt mit Auswärtigen und der Handel im Vordergrund:
Da die Hochberger jüdische Gemeinde die einzige in weitem Umkreis war, legt § 17 die Kosten fest, die auswärtige Juden für Hochzeits-, Beschneidungs- und andere Feiern in Hochberg zu entrichten haben. § 19 regelt, dass „Tänze und Musikcanten“ bei „Hochzeiten, Beschneidungen und dergleichen“ vom Oberamt genehmigt werden müssen. § 20 schärft ein, dass die Schutzjuden beim Handeltreiben „aufrichtig und ehrlich zu Werk gehen“ und keinen „unerlaubten Wucher“ nehmen sollen. Sollte ein Hochberger Schutzjude im Württembergischen „betrüglicher Händel“ überführt werden, wird er „aus dem Ort geschafft“. Ist die betroffene Person Hausbesitzer, so muss das Haus binnen zwei Monaten verkauft werden. Gelingt dies nicht, wird die Immobilie vom Oberamt versteigert. Dasselbe gilt nach § 21 für Knechte von Schutzjuden. Für deren Vergehen muss der Hausvater aber auch noch Verantwortung übernehmen und eine Strafe zahlen. Geschäfte mit ortsansässigen Christen in Hochberg, Hochdorf und Kirschenhardthof müssen nach § 22 dem Oberamt gemeldet werden. Alle Käufe- und Verkäufe über 10 Gulden müssen in ein „Contracten-Buch“ beim Oberamt eingetragen werden (§ 23). §§ 24 u. 25 verbieten Geschäfte mit Hehlerware. Die Erzeugung und der Ausschank von koscherem Wein ist Thema in § 26: Die Produktion muss dem Oberamt gemeldet, die Fässer müssen vorgezeigt und mit einem Siegel versehen werden und die für Wein übliche Umsatzsteuer („Umgeld“) ist zu zahlen. § 27 widmet sich dem Schächten: Geschlachtete Stück Vieh dürfen „nicht Pfund-, sondern bloß Viertelweiß“ verkauft werden. Der Schächter muss „Gesundheits-Urkunden“ vorweisen und die Zunge des Tieres an die herrschaftliche Küche abliefern. Letzteres war im 18. Jh. eine übliche Praxis in vielen Adelsherrschaften gegenüber Juden wie Christen, da die Zunge als Delikatesse galt und man einen genauen zahlenmäßigen Überblick über das Schlachten hatte. Zum Schluss schärft § 28 noch einmal ein, dass die Schutzjudenschaft sich in allen Punkten an die Ordnung halten müsse, ansonsten gehe „ohne Ansehen der Person“ der Schutz verloren. Insgesamt handelt es sich um sehr scharfe Regelungen, die als Reaktion des Ortsherren Friedrich Eugen von Württemberg auf Vorhaltungen aus der christlichen Mehrheitsgesellschaft zu verstehen sind.
Kai Buschmann
Beth Shalom – Haus des Friedens. Verein für Erinnerungs- und Friedensarbeit in Remseck e. V., www.bethshalom-remseck.de, info@bethshalom-remseck.de