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Ein Jahr im Amt

Interview mit Neckargemünds Bürgermeister Jan Peter Seidel

Seit dem 1. August 2024 ist Jan Peter Seidel Bürgermeister von Neckargemünd. Welche Projekte ist er bereits angegangen, was steht als Nächstes an?
Bürgermeister Jan Peter Seidel steht vor dem Eingang des Rathauses in Neckargemünd
Neckargemünds Bürgermeister Jan Peter Seidel ist für "Klotzen statt Kleckern".Foto: tam

Der Neckarbote sprach mit Jan Peter Seidel über seine Motivation, Pläne und Themen, die Neckargemünd bewegen.

Neckarbote (NB): Haben Sie sich die Arbeit als Bürgermeister so vorgestellt?
Jan Peter Seidel: Genauso habe ich es mir tatsächlich vorgestellt. Es sind lange, aber extrem motivierende Tage, und es fühlt sich gar nicht nach Arbeit an. Klar, es gibt auch die notwendige fade Arbeit: Das Lesen von sehr vielen E-Mails und Excel-Tabellen, das viele Planen und Vorbereiten, aber dann eben auch vor allem das Gestalten, Ausführen, Kommunizieren und Begeistern. Da bin ich dann mit Feuer und Flamme dabei.

Es war eine Umstellung, von der 39- auf die 60- oder sogar 70-Stunden-Woche zu wechseln, die Freizeit ist weniger geworden – auf der anderen Seite fühlt sich die Arbeit nicht mehr so wie Arbeit an, sondern wie Freiheit. Ich kann es nur allen empfehlen, die Mut und ein bisschen zu viel Energie haben.

NB: Bleibt bei Ihrem vollen Terminkalender noch Zeit für Schlaf?
Seidel: Ich gebe mir Mühe, jeden Tag mindestens acht Stunden zu schlafen. Dafür braucht es Disziplin. Man sollte auf Festen um 24 Uhr gehen und Gemeinderatssitzungen zügig leiten, damit man auch um Mitternacht im Bett ist. Der Bürgermeisterjob ist ein Marathonjob und kein Sprint, dafür muss man sehr viel in seine Gesundheit investieren; das eine ist Schlaf, das zweite ist gute Ernährung, das dritte ist, sobald ich dazu komme, wieder mehr Sport machen.

NB: Welche Termine fielen in Ihrem ersten Jahr als Bürgermeister an?
Seidel: Es gibt viel, das man sich im ersten Jahr neu angucken muss. Ich war zwar zuvor Bauamtsleiter, aber ich kannte nur 30 Prozent der Verwaltung. Jetzt kenne ich 100 Prozent. Ich bin nun auch vernetzt, denn als Bürgermeister habe ich noch mindestens vier bis sechs andere Posten inne, die viel interkommunale Zusammenarbeit benötigen. Da zählt Netzwerken, da zählen Beziehungen und persönliche Bekanntschaften, mit vielen Außenterminen und einer sehr steilen Lernkurve.

Dazu kommt die interne Kommunikation. Ich bin es gewohnt zu projektieren, das heißt: viele Zwischen-, Kontroll-, Überwachungs- und Steuerungstermine. Man muss sich als Bürgermeister schon auch immer sputen, um zu wissen, was die eigene Verwaltung so macht und ob sie das macht, was der Gemeinderat beschlossen hat. Das sind dann auch mal positive Termine, wenn es heißt: Projekt erledigt, alle sind glücklich, Haken dran – das macht dann gute Laune.

NB: Welche weiteren Positionen bekleiden Sie?
Seidel: Ich bin als Bürgermeister Vorsitzender der Musikschule und diverser Abwasserzweckverbände. Letzteres klingt vielleicht nicht so spannend, ist aber nicht zu unterschätzen, denn dort ist richtig viel Geld im Umsatz. Im Gemeindeverwaltungsverband (GVV) habe ich als Vorsitzender einen mit wenig Aufwand verbundenen Arbeitsbereich, was ich für bedauerlich halte, denn ich sehe viele Chancen in der interkommunalen Zusammenarbeit. Aber in den Bereichen Klimaschutz, Flächennutzungsplanung und Windkraft sind wir mit den Umgebungskommunen in regem Austausch.

Dann bin ich, momentan noch der zweite, demnächst der erste Vorstand der Volkshochschule Eberbach-Neckargemünd. Dort sind die Integrations- und Deutschkurse weggebrochen. Das bedeutet einen Umsatzeinbruch von 50 Prozent aufwärts; diese Kurse werden ab nächsten Monat nicht mehr vom Bund gefördert. Das heißt, wir mussten uns ein komplett neues Geschäftsmodell suchen, Räume reduzieren und die Frage stellen, wie wir das Personal halten können.

NB: Welche möglichen Standbeine können das für die VHS sein?
Seidel: Die Volkshochschule ist seit letztem Jahr schon in der Ferienbetreuung hier im Ort aktiv; das ist einer der Wachstumsmärkte. Ein anderer sind einfache Berufsfortbildungen wie Hygieneschulungen für Vereine, aber auch für Unternehmen, mit staatlich anerkannten Zertifikaten. Das hilft vielen in der Region. Ansonsten sind wir auch offen für Neues (lacht).

NB: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat?
Seidel: Top! Ich muss sagen, es liegt ein bisschen an guter Vorbereitung, guter Arbeit, hängt aber auch ein bisschen mit Glück zusammen. Die Bürgermeisterwahl lief ja 2024 parallel zur Kommunalwahl, dadurch waren von 26 Gemeinderäten 12 neu, darunter ein 16-Jähriger. Man hat aber auch sehr viel Erfahrung verloren. Auf der anderen Seite schafft das viele Möglichkeiten für Neuanfang und den Austausch mit Fraktionen, die beispielsweise andere Bürgermeisterkandidaten unterstützt haben. Da ist die Kommunikation einfach sehr gut.

Klar, es gibt auch die eine oder andere heftige Auseinandersetzung; in der Sitzung im Juni ging es um die verpflichtende Ganztagsbetreuung für Grundschulen oder Hortmodell. Für beides hatten beide Seiten sehr valide Argumente. Da ging die Trennlinie quer durch den Gemeinderat, aber der Austausch war zwar leidenschaftlich, aber vernünftig. Und das ist das, was jetzt funktioniert. Wir haben immer noch die eine oder andere starke Meinung, die wir vertreten, da eckt man gelegentlich an. Aber solange die Leute miteinander reden können und sich über Inhalte austauschen, macht die Arbeit auch im Gemeinderat Spaß – auch wenn es tatsächlich schwer ist, danach gut zu schlafen, weil man meistens noch mit Adrenalin und Koffein im Blut nach Hause kommt.

NB: Was ist bei der hitzigen Diskussion um den Ganztagsausbau herumgekommen?
Seidel: Es war schwer umstritten, ob wir eher das großstädtische Modell, das verpflichtende Ganztagsangebot fahren oder eben das ländliche Modell. Wir haben uns jetzt dazu entschlossen, für die nächsten paar Jahre das bisherige Modell aufrechtzuerhalten: Hort mit verlässlicher Grundschule, mit verschiedenen Betreuungsoptionen. Für die erste Option bräuchte es mehr Räume und beispielsweise eine Mensa; keiner wüsste, wo dieser Platz fände.

Außerdem ist vonseiten des Landes immer noch nicht jedes Detail geklärt; also mein Beileid an alle Kommunen, die jetzt einen verbindlichen Ganztag etablieren. Sie wissen bis heute nicht, wie sie das finanzieren und Personal finden sollen. Dennoch planen wir im nächsten Jahr, was wir 2030 haben wollen. Denn wenn man große Baumaßnahmen planen und finanzieren muss, dann braucht man drei bis vier Jahre, bis das neue Schulmodell in Betrieb gehen kann.

NB: Kommen wir zur ersten von drei Leserfragen: Eine Leserin aus der Kernstadt (Hildastraße) schrieb der Redaktion: „Wann kann sich unser Bahnhof nach vielen Jahren versifften Zustands endlich sehen lassen? Die Bahn hatte ja vor einigen Monaten angekündigt, verschiedene Bahnhöfe zu säubern, aber Neckargemünd war leider nicht dabei. Vielleicht können Sie sich dafür einsetzen, dass auch wir bald dran sind? Dürfte die Stadt ggf. auch selbst mit Hochdruckreiniger das Problem lösen?“
Seidel: Die Bahnanlage ist Eigentum der Bahn, das heißt korrekterweise, dass die Stadt nicht zuständig ist. Es ist aber eines unserer Eingangstore zur Stadt. Ich versuche jetzt erst mal, den Bahnhofvorplatz zusammen mit privaten Investoren besser zu organisieren. Und ja, wenn man sich bei der Bahndirektion die Genehmigung holt, darf man als Stadt auch die Bahnhöfe reinigen.

Auf der anderen Seite wäre das eine freiwillige Leistung auf Kosten der Stadt, für die die Bahn zuständig wäre; das kann ich nur machen, wenn der Gemeinderat es beschließt. Ich werde das als Teil der Stadtverschönerung der niedrigschwelligen Art in die Haushaltsgespräche miteinbringen, bin allerdings auch ganz klar der Meinung, dass es Aufgabe der Bahn wäre.

Denn wenn wir damit anfangen, besteht die Gefahr, dass die Bahn hier nie selbst aktiv wird. Es ist traurig, dass die Bahn nur durch öffentlichen Druck arbeitet und dann Nebenstrecken vergisst oder sich auf die Großstadtbahnhöfe fokussiert. Und ja, die Unterführung ist ekelhaft, Punkt. Da braucht man gar nicht um den heißen Brei reden.

Bürgermeister Jan Peter Seidel an seinem Schreibtisch
Bürgermeister Jan Peter Seidel will die Jugendarbeit der Stadt voranbringen und kündigt neue Bauprojekte an, die von privaten Investoren getragen werden.Foto: tam

NB: Bei der Frage nach dem dringendsten Handlungsbedarf in der Stadt nannten Sie im Wahlkampf auch die Sanierung der Kindergärten und die Sportanlagen – was ist seitdem passiert?
Seidel: Wir haben die letzten zwei Spielplätze in Dilsbergerhof und Waldhilsbach trotz baulicher Schwierigkeiten saniert. Dann haben wir organisatorisch, aber auch personell, relativ viel im Kindergarten Waldhilsbach geändert, damit er wieder zuverlässig wird. Außerdem ist der Kindergarten Feuertor in einem Gebäude der SRH untergebracht worden, da die Zustände im alten Gebäude nicht mehr tragbar waren. So konnten wir eine gute Perspektive und Zuverlässigkeit für Kinder, Eltern und Personal bieten – das hat sich innerhalb von sechs Monaten komplett gedreht.

Die nächste Herausforderung ist die Sanierung der Grundschule Neckargemünd. Die Sporthalle und das Hauptgebäude haben jeweils abstürzende Ziegel auf dem Dach. Hier sind die Planungen nicht so schnell vorangekommen, wie ich gehofft hatte. Das hat sich sowohl technisch als auch denkmalschutzrechtlich als sehr anspruchsvoll herausgestellt. Wir ziehen jetzt die Reißleine und stellen ein Schutzgerüst. Die Außenspielflächen, die die ganze Zeit gesperrt waren, sind also, wenn das neue Schuljahr losgeht, wieder komplett frei und bespielbar.

Im Frühjahr 2026, sobald es das Wetter zulässt, werden wir das Schuldach komplett abdecken, einige Balken tauschen, einiges Bauliches ändern und dann hoffentlich sehr schnell wieder eindecken können. Da ist jetzt alles korrekt in die Wege geleitet und ja, es hat ein Jahr länger gedauert, als es für alle Beteiligten wünschenswert wäre. Außer Schmutz und mal etwas Lärm sollte das den Schulbetrieb nicht weiter stören, genauso wenig die Werbebanner der Sponsoren, die dann am Gerüst aufgehängt werden. Wenn das Geld knapp ist, muss man eben kreativ werden.

NB: Welche dringenden Themen wollen Sie als Nächstes angehen?
Seidel: Die städtische Jugendarbeit. Die war hier in den Neunzigern und Zweitausendern sehr groß angesiedelt und ist dann über den Stadtjugendringverein weiter abgedeckt worden. Nur ist dieser seit Corona eigentlich gar nicht mehr in Betrieb. Hier sind wir schon sehr weit: Im Herbst haben wir das Personal, im Winter haben wir das Konzept und nächstes Jahr geht’s los.

NB: Wie genau sieht dieses Konzept aus?
Seidel: Im Alten E-Werk soll wieder der klassische Jugendtreff stattfinden, außerdem machen wir zwei große Jugendforen im Oktober im Schulzentrum und versuchen, die Bedarfe zu ermitteln; denn ich weiß nicht, was ein Jugendlicher von heute wirklich möchte. Ich habe zwar viel gehört, aber das Ganze muss man eben auch fokussieren und in Bahnen leiten und vor allem auch mit Personal hinterlegen. Wenn ich da keinen Jugendreferenten habe, der sich primär darum kümmert, dann tröpfelt es nur vor sich hin – und ich bin eher für Klotzen statt Kleckern.

Neckargemünds Bürgermeister Jan Peter Seidel steht vor dem Parkplatz hinter dem Rathaus und lächelt in die Kamera. Im Hintergrund ist der Lammerskopf zu sehen.
Der Lammerskopf wird Ende September 2025 erneut zum Politikum. Dann entscheidet sich, ob ein Windrad für Neckargemünd überhaupt rentabel wäre.Foto: tam

NB: Welche Themen stehen sonst noch an?
Seidel: Im August gehen die ersten größeren Bauprojekte los, die ich auch politisch zu verantworten habe; wie das Gerüststellen an der Grundschule. Parallel läuft auch die Dorfentwicklung Waldhilsbach, genauso wie in Dilsberg, wo es der Ortschaftsrat in die Hand nimmt.

Dann ein Thema, das extrem spannend wird – und da schauen wir genau hin: Ende September entscheidet die Metropolregion in einer Verbandsversammlung über die Frage, ob der Lammerskopf in die „Fortschreibung Teilregionalplan Windenergie“ der Metropolregion Rhein-Neckar aufgenommen wird.
Falls er dann nicht drinsteht, wird niemand in Neckargemünd ein Windrad bauen wollen, weil es dann nicht wirtschaftlich ist. Falls der Lammerskopf aufgenommen wird, werde ich dem Gemeinderat vorschlagen, einen freiwilligen Bürgerentscheid mit der Frage zu machen, ob sich Neckargemünd mit einem eigenen Windrad beteiligen möchte. Für diesen Fall sind wir auch schon vorbereitet. Die Organisation eines solchen Bürgerentscheids kostet 50.000 bis 100.000 Euro, aber direkte Demokratie darf auch Geld kosten.

Zudem ist Glasfaser bei uns im Ausbau. Waldhilsbach geht jetzt direkt in Aktivierung; auch Dilsberg und Mückenloch sind mit dem Ausbau durch, aber noch nicht aktiviert; diese dauert immer ein paar Monate. Das Wiesenbacher Tal sollte demnächst, bis auf viele überschneidende Baustellen in der Wiesenbacher Straße, durch sein. Danach sind Weststadt, Altstadt und Kleingemünd mit dem Glasfaserausbau dran. Das ist eine riesige Infrastrukturmaßnahme mit fünf beteiligten Firmen, die viel Abstimmung erfordert. Da sind wir bis Sommer nächsten Jahres intensiv dabei, das Ganze zu begleiten.

Ach ja, eine neue Wasserleitung für Waldhilsbach wird zum ersten Mal seit 100 Jahren gebaut; in zwei Jahren werden wir dort keine Wassersorgen mehr haben. Und um das Ganze zu toppen: Ich versuche den Haushalt im Dezember einzubringen, damit wir im Januar/Februar, früher als sonst, einen genehmigten Haushalt haben; weil Verwaltungen erst dann handeln können. Wenn das erst im April passiert, hat das Jahr nur noch acht Monate.

NB: Sie wollten auch mit verprellten Investoren, vor allem in Bezug auf den Schwanen und die Rainbach, ins Gespräch gehen. Fand das bereits statt?
Seidel: Da fanden zahlreiche Gespräche statt. Interessanterweise hat sich herausgestellt, dass an anderen Stellen viel mehr läuft. Ab August darf man sich auf sieben- und achtstellige Bauvorhaben von privaten Investoren in Neckargemünd einstellen, das wird noch bekannt gegeben.

Beim Thema Schwanen ist die Situation nicht mehr ganz so vertrackt. Wir streiten uns mit dem Eigentümer immer noch vor dem Landgericht; aber der Prozess ist erst mal ausgesetzt, weil wir versuchen, dieses Jahr auf eine nötige Einigung hinzuarbeiten.

Bezüglich Rainbach bleibe ich bei meiner alten Aussage aus dem Wahlkampf, da sehe ich eher die Stadt am Hebel und will dort einen eigenen Bebauungsplan anstoßen, um nicht wieder Gefahr zu laufen, dass ein Investor mit einem eigenen Bebauungsplan versucht, Dinge umzusetzen, die nicht von der Bevölkerung mitgetragen werden.

NB: Ein Leser aus Dilsberg möchte Folgendes wissen: „Wird für die angestrebte Energieversorgung im Neckartal auch an Geothermie gedacht? Wenn ja, müssten ja zumindest Probebohrungen erfolgen. Es wäre doch bemerkenswert, wenn Neckargemünd auf eine (kostengünstige, dauerhafte) Energieversorgung setzt.“
Seidel: Hier muss man zwei Dinge unterscheiden: Das eine ist die Tiefengeothermie; hierfür sind wir zu weit vom Rheingraben entfernt, um damit arbeiten zu können, wie es beispielsweise in der Pfalz möglich ist. Nach allen technischen Anforderungen, die wir natürlich auch angefragt haben – die Idee ist ja nicht schlecht – hat uns bislang jedes Unternehmen abgesagt.

Was wir machen könnten, sind Erdsonden. Gerade für den Dilsberg könnte das für die größeren Grundstücke interessant sein, aber das sind die normalen Einfamilienhaus-Wärmequellen. Das Schulzentrum Neckargemünd hat schon 150 Meter tiefe Bodensonden. Und ja, wir werden auf jeden Fall auch schauen, was in den mittleren Tiefen möglich ist. Da gibt es eine Untersuchung, die allerdings nicht besonders vielversprechend aussieht.

Ein weiterer Punkt ist, und da sind wir stolz drauf, dass wir eigenen Grund haben, und unsere Stadtwerke die Trinkwasserversorgung zu 90 Prozent aus Neckargemünder Wasser sicherstellen. Für Notfälle steht uns immer die Bodenseewasserversorgung zur Verfügung. Viele der Bohrarten, die es für Geothermie bräuchte, sind deshalb in unseren drei unterschiedlichen Wasserschutzzonen nicht zulässig.

Jan Peter Seidel blickt hinterm Rathaus in die Ferne
Geht in Neckargemünd gerne essen: Jan Peter Seidel.Foto: tam

NB: Die verkehrlichen und dadurch gefährlichen Zustände in der Wiesenbacher Straße werden immer wieder kritisiert – will die Stadt hier handeln?
Seidel: Ein Punkt, an dem ich schon dran war: Wenn man aus dem Wiesenbacher Tal kommend Richtung Stadttor fährt, sind die Parkplätze auf der rechten Seite. Diese wollte ich im Oktober im Ausschuss für Bau und Verkehr aufheben lassen; doch der Ausschuss hat diesen Antrag abgelehnt. Das hat mich etwas überrascht, weil diese Parkplätze durch ihre Anordnung etwas gefährlich sind, weil nicht immer erkennbar ist, wer dort steht und wer dort parkt; so muss man immer auf die Gegenseite wechseln, um an den Autos vorbeizufahren. Was grundsätzlich in Ordnung ist, wenn man eine ruhigere oder besser einsehbare Straße hätte. Aber das ist eine viel befahrene Kreisstraße mit Tempo 50, teilweise schwer einsehbar. Ich werde das nach den Sommerferien erneut dem Ausschuss vorlegen.

Die Ausfahrt Richtung Wiesenbach ist seit Bebauung des Wiesenbacher Tals ein Problem; anstatt einer Ampel würde dort zum Beispiel ein Kreisel Sinn ergeben, allerdings ist das bei einer Kreisstraße wieder eine Frage von Zuständigkeiten – die gleiche Energie kann ich in zehn städtische Angelegenheiten stecken. Es ist allerdings nicht in Vergessenheit geraten.
Das ist übrigens immer so ein Missverständnis: Die Stadt ist nicht berechtigt, Blitzer aufzustellen. Wir dürfen nur eine Geschwindigkeitsmesstafel aufstellen; diese Messdaten melden wir dann dem Rhein-Neckar-Kreis, der dann einen Blitzer aufstellt oder nicht. Wir bekommen auch keine Einnahmen, die Bußgelder gehen direkt an den Kreis.

NB: „Zu viele Dönerläden“ lautet ein weiterer Kritikpunkt aus der Bevölkerung – hat die Stadt beim Thema kulinarische Vielfalt ein gewisses Mitspracherecht?
Seidel: Nein, haben wir nicht. Was wir allerdings tun, ist, auf eine kulinarische Vielfalt indirekt hinzuarbeiten. Zum Beispiel hat Ralph Dreher, der Vorsitzende des Gewerbevereins, einen Vietnamesen ins Bahnhofgebäude geholt, der auch boomt. Wir haben hier in direkter Nachbarschaft zum Rathaus in vierter Generation die Familie Reber, die als Feierabendarbeit nach ihren regulären Jobs an zwei, drei Tagen in der Woche aufmacht und deutsche Speisen anbietet.
Wir sind als Stadt selbst Eigentümer des Knappenkellers, in dem das Restaurant „Christians“ ist. Dort haben wir jetzt auch alle Verträge und Grundstücksfragen, die seit dem 19. Jahrhundert ungeklärt waren, geregelt, sodass wir auch das „Christians“ auf einem guten Weg sehen, dass es weiterhin hierbleibt.

Persönlich gehe ich auch sehr gerne essen und genieße die kulinarische Vielfalt unserer Stadt, die es durchaus gibt, zum Beispiel unsere Italiener, die aber auch Afghanen und Perser sind. Zudem hat neben der SRH vor ein paar Monaten ein indisches Restaurant aufgemacht, daneben eine Pizzeria im Wiesenbacher Tal wieder eröffnet. Aber ja, es gibt sehr viel Pizza und es gibt sehr viel Döner in Neckargemünd. Auf der anderen Seite ist Gastronomie auch ein Nachfragemarkt. Da kann ich allen nur raten, die diese kulinarische Abwechslung wollen, eben auch in diese Restaurants zu gehen. Wer bereit ist, das Geld dafür auszugeben, trägt dazu bei, dass diese Restaurants vor Ort bleiben. Schiff und Scheune haben auch gute Küchen und sind voll. Die wird es auch noch lange geben, wenn die Betreiber möchten.

Schwieriger ist es in den Ortsteilen. In Waldhilsbach und Dilsberg gibt es jetzt noch ein Restaurant und in Mückenloch einen Gasthof. Die sind alle betreiberabhängig; das heißt, es braucht neben tauglichen Gebäuden auch jemanden, der den Mut hat, ein Restaurant zu betreiben und Tag und Nacht zu arbeiten; das ist kein einfacher Job. Dazu kommt der Mangel an Servicekräften; das hat sich durch Corona bedingt, dass sehr wenige Leute noch kellnern wollen. Da bin ich gerade mit Investoren im Austausch, um das eine oder andere günstige Wohnheim zu bekommen, indem man Azubis oder Leute, die ein schmales Budget haben, unterbringen kann, die dann beispielsweise in der Gastro arbeiten können.

Jan Peter Seidel steht im Bürgerbüro Neckargemünd vor einem Wandgemälde
„Wer ins Rathaus kommt, muss sich keine Sorgen machen, dass er irgendwo aufgenommen wird“, sagt Bürgermeister Jan Peter Seidel.Foto: tam

NB: Laut SWR sind Sicherheitskameras und Panikknöpfe in Rathäusern mittlerweile „Standard“ – gibt es das auch in Neckargemünd?
Seidel: Zu Sicherheitsfragen darf ich nichts sagen. Aber wer ins Rathaus kommt, wird nicht gefilmt und muss sich keine Sorgen machen, dass er irgendwo aufgenommen wird. Aber natürlich ist Security in öffentlichen Gebäuden wichtig. Ich habe die Sicherheit immer im Blick, sowohl für meine Mitarbeiter als auch für die Bürger.


NB: Haben Sie als Amtsträger verbale oder körperliche Drohungen erlebt?
Seidel: Null. Wir bekommen natürlich E-Mails von unzufriedenen Bürgern, die sich im Ton vergreifen, was einfach unproduktiv ist. Die meisten, die sich die Mühe machen, eine DIN-A4-Seiten-E-Mail zu schreiben, haben im Kern ein berechtigtes Anliegen, melden sich aber oftmals nicht bei der zuständigen Stelle oder weisen in ihrer ungünstig formulieren E-Mail auf ein Anliegen hin, das die Stadt tatsächlich auf dem Schirm haben sollte.
Wobei ich auch sagen muss, dass sich die Hälfte der Beschwerden darum dreht, „ich habe falsch geparkt und will meinen Strafzettel nicht bezahlen“ – das muss man dann sportlich nehmen. Aber die verfassungsschutzrelevanten Angriffe, sei es physischer, verbaler oder politischer Art, sind mir noch nicht widerfahren. Ich rechne damit, dass mir so was irgendwann widerfährt, um auch mental darauf vorbereitet zu sein.

NB: Die abschließende Frage kommt wieder von einem Leser – er wohnt in Mückenloch und möchte wissen: „Wann kommt ein neuer Fahrplan für die Busse aus Mückenloch und Dilsberg? Die Taktung ist mehr als unglücklich, die Busse kommen ein paar Minuten hintereinander, dann ist eine Stunde Pause.“
Seidel: Die Fahrplanumstellung, die alle zehn Jahre erfolgt, kommt im Dezember 2026. Es gibt zwei Faktoren, die da gerade mit hineinspielen: Die S-Bahntaktungen an den Bahnhöfen ändern sich, weil Stuttgart 21 ans Netz geht – das ist der eine Unsicherheitsfaktor. Der zweite ist, und da waren die Vorergebnisse positiv, dass wir die Taktung tatsächlich strecken können, sodass die Busse weiter auseinanderfahren können. Allerdings ist auch das von Stuttgart 21 abhängig; hier laufen gerade wieder Neuberechnungen. Also derzeitiger Planungsstand ist: Ja, die Taktung wird besser.

Die Fragen stellte Tanja Mostowski

Erscheinung
Neckarbote
NUSSBAUM+
Ausgabe 32/2025
von Redaktion NUSSBAUMRedaktion NUSSBAUM/tam
07.08.2025
Orte
Neckargemünd
Kategorien
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