Redaktion NUSSBAUM
69502 Hemsbach

Interview mit Regine Neubert über Kultur und die städtische Bühne

Das MAX ist etwas Besonderes für die Stadt Regine Neuert ist die Frau hinter dem Kulturprogramm in der Kulturbühne MAX. Wir haben mit ihr über die...
Regine Neubert hat mit der Hemsbacher Woche über Kultur und das MAX-Programm gesprochen.
Regine Neubert hat mit der Hemsbacher Woche über Kultur und das MAX-Programm gesprochen.Foto: cs

Das MAX ist etwas Besonderes für die Stadt

Regine Neuert ist die Frau hinter dem Kulturprogramm in der Kulturbühne MAX. Wir haben mit ihr über die Schwierigkeiten der Kleinkunstbühnen nach Corona gesprochen. Darüber, wie sie ein Programm zusammenstellt - und auf wen sie sich im MAX 2025 besonders freut.

„Ohne Kultur wird es still.“ Das ist ein Spruch, der aus der Corona-Zeit hängengeblieben ist. Wie still ist es denn noch, Frau Neubert? Oder anders: Hat sich Kultur erholt?

Also in vielen Bereichen schon. Es gibt viele Veranstaltungen, die gut laufen. Aber es war ja nicht still bei Corona, denn man konnte alles streamen, alles übers Internet sehen und hören. Ich hätte es selber gut gefunden, wenn es mal wirklich still wäre.

Warum?

Damit die Leute wirklich merken, wie wichtig das ist.

Haben Sie das Gefühl, dass diese Wertschätzung für Kultur nicht vorhanden ist?

Ja, sehr. Ich denke, es war schon immer so, dass man sich nicht vorstellen kann, was da an Arbeit hinter steckt, dass zum Beispiel ein Musiker seit der frühen Kindheit seine Ausbildung hat. Da haben sich viele Künstler auch selber ins Knie geschossen, während Corona, indem sie vieles kostenlos zur Verfügung gestellt haben.

Man hatte aber das Gefühl, dass die Menschen doch sehr dankbar waren, als wieder Präsenzveranstaltungen stattfanden und man wieder zusammenkam.

Ja, schon. Aber ein Teil hat sich daran gewöhnt, auf dem Sofa sitzenzubleiben und weiter zu konsumieren. Ich glaube aber auch, dass die Leute, die dann Kleinkunst oder Konzert erlebt haben, einen großen Unterschied gespürt haben.

Ich höre heraus, dass sich Kultur noch nicht komplett erholt hat, weil doch viele nicht mehr kommen?

Ich denke, dass es insgesamt schon aufwärtsgeht. Was mehr beeinträchtigt, ist die allgemeine Wirtschaftslage im Moment. Dass die Leute zu viele Zukunftssorgen haben und eher aufs Geld schauen. Man geht halt nicht mehr fünfmal im Jahr ins Theater, sondern vielleicht nur noch dreimal. Ich glaube, das ist weniger eine Folge von Corona, sondern von der allgemeinen Unsicherheit, die ja auch geschürt wird.

Zu beobachten ist, dass selbst große Festivals den Betrieb eingestellt haben. Wie ist es denn im Bereich der Kleinkunstbühne?

Das kann man nicht verallgemeinern. Es gibt einen Unterschied, ob es Vereine sind oder ob es privat ist.

Und wie sieht es für das MAX aus?

Wir haben als städtische Institution immer noch, finde ich, einen anderen Auftrag als einzig Gewinne zu machen. Wir haben auch einen kulturellen Auftrag. Und gerade wenn eine Stadt so wie Hemsbach relativ klein ist, ist es auch etwas Besonderes, sowas anzubieten. Viele Kleinkunstbühnen in der Umgebung sind aber privat geführt, die müssen natürlich ganz anders wirtschaften.

Was heißt das für diese Bühnen in dieser Zeit?

Das Sapperlot hat jetzt eine Kooperation mit dem Parktheater Bensheim. Heißt: Wenn sie bekannte Leute holen, die entsprechend auch mehr Gage kosten, und sie wissen, das schaffen sie nicht ohne Defizit, gehen sie nach Bensheim ins Parktheater.

Es beginnt also eine neue Art der Vernetzung?

Richtig. Und das ist auch hier in Hemsbach angedacht. Jürgen Kirchner ist im Gespräch mit Laudenbach. Die haben die schöne Schulaula mit 300 Plätzen. Das wäre vielleicht eine Möglichkeit für Veranstaltungen, bei denen man weiß, es kommen mehr Leute als die, die ins MAX passen. Oder man kriegt mal einen Künstler, der sagt, unter 300 spielt er nicht. Dann könnte eine Kooperation stattfinden, dass wir nach Laudenbach gehen mit dem Programm.

Wäre eine Win-win-Situation für alle.

Ganz genau, ja.

Muss man diesen Weg gehen, damit man sich stabilisiert?

Ich glaube nicht, dass man das muss. Das kommt auch ein bisschen auf die Prioritäten an. Aber wenn man sehr bekannte Namen hat, dann haben die Leute vor Ort, die nicht so mobil sind und nicht nachts nach Mannheim oder Weinheim fahren wollen, nahe Wege. Und wir bieten das Programm ja gerade für die Leute hier an, damit sie auch mal die Chance haben, die Künstler zu sehen auf so einer Bühne. Gleichzeitig haben wir natürlich immer das Problem von Kosten und Nutzen, da muss man immer gut rechnen.

Sonst hieße es Kartenpreise erhöhen?

Wir wollen eben nicht mit den Eintrittspreisen auf 50 Euro gehen. Wir wollen immer in dem Bereich bleiben, in dem wir jetzt sind, bis maximal 30 Euro. Weil für uns auch ein sozialer Auftrag mit dem MAX verbunden ist, dass es niederschwellig bleibt, dass es sich viele leisten können.

Jetzt gehört zur Wahrheit, dass es ein Zuschussgeschäft ist, das auch durch Bürgerinnen und Bürger mitfinanziert wird. Es gibt Kritiker, die fragen, brauchen wir das noch, gerade wenn ein städtischer Haushalt so angespannt ist. Was setzen Sie dem entgegen?

Ich setze dem entgegen, dass die Kulturbühne natürlich etwas sehr Besonderes ist und auch ein Alleinstellungsmerkmal für so eine Stadt wie Hemsbach. Genauso das gesamte städtische Kulturprogramm, mit dem wir jetzt in Gespräche bezüglich eines Beitritts zum Kulturparkett gegangen sind. Außerdem haben wir auch immer wieder Ticketverlosungen über Facebook, damit auch Menschen, die es sich sonst nicht so leisten können, die Chance haben auf einen Kulturabend.

Mit dem neu aufgenommenen Familienprogramm gehen Sie auch in diese Richtung?

Ja. Wir haben bei dem Familienprogramm ganz gezielt bedürftige Familien über die Schulsozialarbeit angesprochen, damit auch Kinder oder Familien, die es sich nicht leisten können, die sechs Euro fürs Kind zu bezahlen, die Möglichkeit haben, ins Theater zu gehen. Und das ist für mich ein ganz wichtiger Aspekt.

Da reden wir über Teilhabe.

Es geht wirklich auch um Teilhabe. Auch das ist ein städtischer Auftrag. Dazu gehört auch, wie ich eben sagte, dass Ältere, die einfach diese weiten Wege nicht mehr machen können, die nicht mehr Auto fahren können, die nachts nicht mit dem Zug nach Weinheim oder Mannheim fahren wollen, weil sie Angst haben, hier vor Ort was haben. Das finde ich für eine Stadt wie Hemsbach einen wichtigen Aspekt.

Nochmal zu den Ticketverlosungen: Die gibt es ja nicht nur auf Facebook…

Stimmt. Wir machen das jetzt auch mit der Hemsbacher Woche. Das sind zwei Fliegen mit einer Klappe. Es haben Leute, bei denen es ein bisschen knapp ist, die Chance, was zu gewinnen. Und wir unterstützen auch die Wochenzeitung. Wenn die wegfällt, wäre das wirklich ein Riesenverlust.

Und trotz allem ist es so, dass städtische Kassen knapp sind.

Ja. Und ich habe das auch durchaus im Blick und schaue, wo ich sparen kann. Da mal eine Stellschraube, hier mal eine Stellschraube. Gibt es ein Hotel in der Gegend, das auch gut, aber ein bisschen günstiger ist? Kann man die Plakate ein bisschen günstiger herstellen? Das sind Dinge, bei denen ich versuche, runterzufahren, ohne dass die Qualität leidet. Und gleichzeitig habe ich mir auch schon Gedanken gemacht, dass ich das Programm breiter aufstelle.

Vor welchem Hintergrund stehen diese Gedanken?

Also das klassische Kabarett- oder Comedypublikum ist 50 plus. Und ich finde es wichtig, wirklich nicht nur einen Teil der Bevölkerung mitzunehmen, sondern für jeden etwas anzubieten. Natürlich liegt der Schwerpunkt immer noch darauf, weil das auch so begründet ist als Kabarett- und Comedybühne und auch seinen Ruf hat in der Umgebung. Aber ich habe auf jeden Fall mal was anderes reingenommen, etwa eine magische Zaubershow. Die ist vielleicht auch für Jüngere interessant.

Man muss heute mehr Genres bedienen, um das Publikum zu erreichen?

Ich denke schon. Da braucht es wieder ein bisschen Vorlauf, dass die Leute sehen, okay, wir holen mal so einen Johann von Bülow her. Das ist ein bekannter Schauspieler, und ich finde es toll, dass ich den bekommen habe.

Wonach stellen Sie das Programm eigentlich zusammen?

Also ich habe natürlich wahnsinnig viele, die mich zuhageln.

Heißt, die Anfragen kommen zu Ihnen?

Die Anfragen kommen, aber es gibt auch Leute, die ich im Blick habe und die ich anfrage. Ich versuche natürlich ein bisschen abwechslungsreich zu gestalten und nicht drei Frauen, die Klavierkabarett machen, hintereinander einzuplanen. Aber ich habe im ersten Halbjahr 2025 tatsächlich viele Frauen drin. Die waren sonst unterrepräsentiert.

War das geplant, eine Lanze für weibliche Künstler zu brechen?

Nein, es hat sich einfach so ergeben. Aber ja, finde ich auch gut. Und ansonsten versuche ich halt zu mischen mit jenen, die schon öfter da waren, bei denen ich einfach weiß, sie sind gerne gesehen. Klar gehören bekannte Namen dazu, ich nehme aber auch mal ganz gerne unbekanntere. Das sind oft die Gewinner von Wettbewerben, die wir reinnehmen.

Stichwort bekannte Namen. Wenn Sie sagen, einige Künstler treten in Bühnen unter 300 Plätzen nicht mehr auf, wird es dann schwieriger, an diese Namen heranzukommen?

Ja, das ist schon schwieriger. Ich habe Horst Evers angefragt, ich habe den Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig angefragt, auch Carmela de Feo. Immer war es ein Nein. Der große Traum von unserem Bürgermeister ist Hagen Rether wieder zu holen. Aber der macht das auch nicht mehr. Vielleicht, wenn die Kooperation mit Laudenbach zustande kommt, gibt es wieder Optionen.

Es gibt aber noch immer die anderen, die auch mit bekanntem Namen im MAX auftreten.

Wir haben Künstler wie Christian Ehring, die einfach unheimlich gern wiederkommen, weil sie die Nähe zum Publikum schätzen. Solche Leute in einer Kleinkunstbühne zu erleben, das ist was ganz anderes, als wenn man in eine Stadthalle geht, in der die Bühne irgendwo meterweit weg ist.

Jetzt startet das Programm 2025 mit Café del Mundo – ein echter Knaller.

Das war auch Absicht. Ich finde, man muss immer mal mit einem Knaller starten, damit die Leute sich wieder dran gewöhnen, dass was los ist. Und deswegen: Café del Mundo war gezielt platziert, das gebe ich zu.

Was ist Ihr Highlight im kommenden Programm? Es dürfen auch zwei sein.

Also ich freue mich auf Stephan Lucas, weil das wirklich etwas ist, das ich noch gar nicht kenne. Und ich freue mich natürlich auf Johann von Bülow. Aber eigentlich auf alles.

Jetzt sagten Sie schon, Jürgen Kirchner hätte gerne Hagen Rether wieder in Hemsbach. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, wen hätten Sie dann gerne in der Kulturbühne?

Also, ich habe so ein paar Schauspieler, die ich gerne mal zum Lesen hier hätte. Ich hatte mal an den Sabin Tambrea gedacht, aber die Agentur hat nicht geantwortet. Aber seine Schwester war eine Kollegin von mir an der Musikschule in Darmstadt. Wenn jetzt der erste Hype um sein Buch „Vaterländer“ rum ist, werde ich nochmal einen Versuch starten. Vielleicht über seine Schwester.

Und was wünschen Sie sich für das MAX?

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir noch ein paar Sponsoren gewinnen könnten. Wir haben viele treue Seelen, aber da dürfen gerne weitere hinzukommen. Und dass die Menschen die Antennen ausfahren, regelmäßig unsere Homepage besuchen und erfahren, was es bei uns alles gibt. Und wenn sie da waren, und es ihnen gefallen hat, sie wiederkommen und noch Freunde mitbringen. Wir also volles Haus haben.

Infobox

Unter www.kulturbuehne-max.de gibt es das gesamte Programm 2025. Ein Tipp zu Weihnachten: Auch Karten und Gutscheine gibt es hier. (cs)

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Hemsbacher Woche
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Ausgabe 51/2024

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