Sie brauchten nur ein Lied, um das Publikum in der ausverkauften Synagoge für sich zu vereinnahmen. Mit Verve, mit Zuversicht und Humor, aber auch mit Melancholie ging es danach weiter durch einen Abend mit Irith Gabriely und Peter Przystaniak. Ein Abend, der beeindruckte und begeisterte.
The Queen of Klezmer wird Gabriely genannt. Und wer ihr Konzert in Hemsbach verfolgte, der wusste auch warum. Das Tanzen, die Wehmut, die Zartheit – es gab keinen Ton, dem die Musikerin auf ihrer Klarinette nicht ein Gefühl entlockte. Fröhlichkeit hieß das zum Auftakt. Ein Auftakt, der die Gäste in der Ehemaligen Synagoge direkt von den Sitzen riss, wenn auch nur sprichwörtlich. „All in one“ hieß die Komposition, die aus der Feder von Pianist Peter Przystaniak stammte, der zweiten Hälfte des Duos. Der Titel gab schon einen Vorgeschmack auf das, was das Publikum erwartete: die – fast – ganze Musikwelt an nur einem Abend. Denn die beiden können schließlich mehr als Klezmer. Der war allerdings immer wieder zu hören. Mit einem vertonten Gebet, mit Liebesliedern und mit Klassikern wie „Hava Nagila“, das als letzte Zugabe den Abschluss des Konzerts bilden sollte. Doch es war eben nicht nur das Jiddische, das den Abend prägte.
Sie ließen auch das Thema aus „Schindlers Liste“ einfließen, das eine zerbrechlich-zarte Note in die Synagoge brachte, ehe sie später mit „You and the Night and the Music“ den Ausflug in die Musicalshow der 1930er antraten. Mit den Vertonungen der Chagallfenster aus der St. Stephans-Kirche in Mainz, komponiert von Peter Przystaniak, legten sie eine Mischung aus Lounge und Jazz vor, mit ihrer Hommage an Benny Goodman frönte das Duo dann gänzlich in Jazz und Swing. Benny Goodman hatten sie nicht ohne Grund ausgewählt. Der bekannteste Klarinettist, wie Gabriely ihn nannte, passte für sie in die Botschaft des Konzerts. „Musik für Frieden, Toleranz und Weltoffenheit“ – so umriss es Gabriely. Vor diesem Hintergrund verbeugten sie sich vor Goodman, der in einer schwierigen Zeit alle Rassen- und Religionsansichten über Bord warf und Musiker einzig aufgrund ihres Könnens anstellte.
Natürlich bestach der Abend durch das musikalische Können von Irith Gabriely und Peter Przystaniak und ihre Harmonie. Die beiden verstanden sich nahezu blind, was nicht verwunderlich ist: Seit Jahrzehnten stehen sie immer wieder gemeinsam auf der Bühne. „Die christlich-jüdische Gemeinschaft für Zusammenarbeit“, wie Gabriely das Duo gerne nennt. Der Abend war aber eben auch aufgrund seiner Mischung außergewöhnlich; die Abwechslung zwischen Gedanken und Tanz, zwischen Melancholie und Ausgelassenheit und die fortwährenden Töne von Hoffnung und Versöhnung, die durch den Raum der Ehemaligen Synagoge schwebten. Dazu kam der Humor Gabrielys, die mit kleinen Anekdoten oder dem pointierten Satz für Lächeln, wenn nicht gar Lachen sorgte. Humor ging für sie auch musikalisch, wenn sich in die eigentlichen Lieder kurz andere Passagen fanden, etwa als Ravels „Bolero“ sich im Goodman-Klassiker „The Angel sing“ einbrach. „Ist mir gerade so eingefallen“, unterbrach Gabriely ihr Spiel für die kurze Erklärung, um ihr Spiel dann fortzusetzen, als wäre nichts gewesen. Es war auch Irith Gabriely, die für die Prise Hautnah-Konzert sorgte, als sie sich von der Bühne auf eine Runde durch den Gang der Synagoge entlang des Publikums begab, die Klarinette weiter spielend. Sie machte es nicht nur einmal.
Das Publikum war hingerissen von diesen beiden, ließ sich verleiten zum Schnipsen, zum Mitklatschen – und Mitsingen. Denn „Hava Nagila“, das kannte so ziemlich jeder im Raum. Gleiches galt für „Wenn ich einmal reich wär“ aus dem Musical „Anatevka“, das eigentlich den Schlusspunkt unter das Konzert setzen sollte. Doch um die vehement und lautstark geforderte Zugabe kamen Irith Gabriely und Peter Przystaniak nicht herum. (cs)