Irrationalismus in der Kunst

DODO, DADA und DU Kunst kann erstaunen. Sie kann entzücken oder begeistern. Und: Sie kann auch aus dem Zufall heraus entstehen. Davon konnte sich das...
Schnell war der Schritt in die neue (Kunst-) Welt getan. Hier erläuterte Tom Keymer (links), was den Dadaismus heute ausmacht.
Schnell war der Schritt in die neue (Kunst-) Welt getan. Hier erläuterte Tom Keymer (links), was den Dadaismus heute ausmacht.Foto: war

DODO, DADA und DU

Kunst kann erstaunen. Sie kann entzücken oder begeistern. Und: Sie kann auch aus dem Zufall heraus entstehen. Davon konnte sich das Publikum am Sonntagabend der Vorwoche überzeugen. Tom Keymer von den TaschenSpielern zeigte im N6, was aus seiner Interpretation und der Geschichte heraus den Dadaismus ausmacht.

Lautmalerische Gedichte, spontan entstehende Kunstwerke, von denen man sich an diesem Abend überzeugen konnte - all das machte die Kunstrichtung aus. Entstanden ist die internationale, revolutionäre Kunst- und Literaturrichtung in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Sie negierte jegliches künstlerisches Ideal und proklamierte die absolute Freiheit der künstlerischen Produktion sowie einen konsequenten Irrationalismus in der Kunst. Am 5. Februar 1916 eröffneten Emmy Hennings und Hugo Ball in der Spiegelgasse 1 in Zürich als zwei vom Krieg zermürbte deutsche Künstler das Cabaret Voltaire. Henning sang Chansons. Ball spielte auf dem Klavier.

Eindrückliche Beispiele

Zwischen seinen Berichten und Beschreibungen der Kunstszene zeigte Tom Keymer immer wieder anschaulich, was damit gemeint war und nutzte sämtliche Mittel und Ausdrucksformen, um das Irrationale auszudrücken. Mit einer Maske aus Kartonage, Taucherbrille und Trommel begann Heymer seine Performance. Auch das Publikum bezog der TaschenSpieler mit ein. So entstand aus herabfallenden Papierschnipseln in unterschiedlichen Farben eine „Ampel“, als was sie Carsten Persner, der zusammen mit seiner Frau das Kunstwerk mitgestaltete, bezeichnete. „Der Zufall wird zu einem wichtigen Element des Dada“, sagte Tom Keymer. So machten die Dadaisten nicht nur Gedichte. „Sie tanzten. Sie machten Kostüme. Sie malten, machten Collagen. Hans Arp zum Beispiel zeichnete ewig an einem Bild herum, fand nicht die richtige Darstellung und zerriss das Blatt. Die auf den Boden geworfenen Schnipsel aber hatten plötzlich die richtige Anordnung“, so Tom Keymer.

Große Leistung

Ein weiteres Kunstwerk entstand aus einem Arrangement aus einem Rucksack, einer Brille, einer Mütze, einem Smartphone und einem Glas Wasser. „Die große Leistung des Dada New York ist das Ready-Made. Marcel Duchamp stellt ein im Fachgeschäft gekauftes Urinal aus. Die Kritiker waren empört. Das ist keine Kunst. Das hat der Künstler ja gar nicht geschaffen. Er hat es nur gekauft! Aber Duchamp … und wohl vor allem Elsa von Freytag-Loringhoven - das kommt später in einem Brief von Duchamp raus - sie hatten die Idee“, so Keymer. Resümee: „Der Künstler erschafft nicht erst mit Händen, sondern schon durch seine Idee; die Idee, einen im Grunde beliebigen Alltagsgegenstand zu inszenieren. Auszustellen; aus der Welt in die Kunst gestellt“, umschrieb Tom Keymer umfassend die Kunstrichtung.

Bis heute

Heute kennt man noch die großen Namen, die Kunst neu dachten und den Dadaismus ausmachten: Man Ray, Francis Picabia, Marcel Duchamp - und, „vielleicht am radikalsten“, wie Keymer vermutete - „(…) Elsa von Freytag-Loringhoven, die Dada-Baroness“. Sie schrieb, hier zitiert in Auszügen, das Gedicht mit dem Titel „Kosmische Chemie“. So heißt es „Leben und lernen“_ „Leben = ein verdammtes Ding nach dem anderen“_ Leben ist Wissenschaft - Gott weiß! -_Leben = Mutterleibstiegel_Geist = Phalluspistole_Materie = Asche_Verlust = gewinnen = Reinigung (…).“ So bleibt bis heute jeder künstlerische Ausdruck, jedes lautmalerische Gedicht, seinen Eindruck wert. (war)

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Grötzingen Aktuell
Ausgabe 49/2024
von Redaktion NUSSBAUMRedaktion NUSSBAUM
06.12.2024
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