Dies und das

Jazzinitiative: "Jazzbungalow"

Ganz schön groovy Der Schlossplatz an einem Sommerabend bietet das ideale Ambiente für Live-Musik. Und genau so war es, als am letzten Freitag „Jazzbungalow“...
Rainer Himmelhan am Vibraphon
Rainer Himmelhan am VibraphonFoto: Rita Weis

Ganz schön groovy

Der Schlossplatz an einem Sommerabend bietet das ideale Ambiente für Live-Musik. Und genau so war es, als am letzten Freitag „Jazzbungalow“ vor dem Palais Hirsch auftrat. Die fünfköpfige Jazzband präsentierte ein kurzweiliges Programm mit 18 teilweise mehr oder weniger bekannte, oft ganz neu arrangierten Jazzstücken von Charlie Parker, Miles Davis, Dizzy Gillespie, Herbie Hancock, Wayne Shorter, Freddie Hubbard und anderen – oder mit anderen Worten: Von ein bisschen altem Jazz über Swing bis hin zu überzeugendem modern und Rockjazz sowie Funk war Einiges geboten.

Zunächst begann die Band brav mit den Standards „Have you met Miss Jones“ aus der Musical-Komödie "I'd Rather Be Right" von 1937 und „My Little Suede Shoes“, einem Bebop-Stück von Charlie Parker. Bereits jetzt zeigten Tenorsaxofonist Georg Keller und Trompeter Hans Kröner mit kleinen instrumentalen Dialogen, dass sie musikalisch wunderbar miteinander harmonieren. Ergänzt und begleitet wurden die Stücke von Keyboarder Carsten Härtl sowie von der Rhythmus-Sektion mit Schlagzeuger Rainer Himmelhan und dem Bassisten Markus Herzig. Dass sich das Quintett aus braven Harmonien hinauswagte, das gewohnte tonale Zentrum von Dur und Moll verließ und absichtsvoll ungewohnte und „schräge“ Klänge spielte, merkte man allerspätestens beim vierten Stück, „Nardis“, das Miles Davis während seiner „modalen Phase“ Ende der 1950er Jahre geschrieben hatte. Berühmt wurde damals die Komposition durch Pianist Bill Evans; so nimmt es nicht wunder, dass Keyboarder Carsten Härtl in seinen Fußspuren wandelte und in diesem Stil eine relativ lange Einleitung gekonnt spielte.

Entstaubte Kompositionen

Dann wurde es richtig groovy mit „Night Dreamer“ von Wayne Shorter, den manche noch als Tenorsaxofonist der legendären Rock-Jazz-Formation „Weather Report“ in Erinnerung haben. Shorter hatte das Stück noch vor seiner Zeit mit Weather Report geschrieben, entsprechend klingt es im Original etwas „old-fashioned“. Die regionale Band „Jazzbungalow“ hat die Komposition entstaubt, einen minimalistischen, aber nicht zu kurzen, improvisierten Mittelteil mit Keyboard, Bass und Drums und ganz schön viel Groove hinzugefügt und zu guter Letzt einen überraschend höheren, aber harmonischen Schlussakkord gesetzt. Schon bald kündigte sich ein weiterer Ohrenschmaus an: „Stormy Monday“, ein waschechter Blues mit emotional geladenen Soli. Georg Keller, der Saxofonist, sang mit rauher Stimme, die an alte Spelunken in den amerikanischen Südstaaten denken ließ: „They call it stormy Monday, and, baby, Tuesday's just as bad“. Und diesmal applaudierte das Publikum sogar während des Stücks!

Der Jazz, den das Quintett „Jazzbungalow“ spielt, ist nicht „easy listening“ oder „smooth“; er provoziert ein bisschen, ohne zu überfordern. Und damit das so richtig verstanden wurde, erklärte Georg Keller, der übrigens freundlicherweise alle Titel ansagte, dass üblicherweise ein Intro von vier Takten vorausgehe und dann erst der Hauptteil beginne. Man solle also geduldig sein, zum Beispiel mit dem nächsten Stück. Und damit meinte er „Red Clay“ des legendären Trompeters Freddie Hubbard. Hans Kröner, ein Könner der sogenannten „dirty“ oder „hot“ Intonation, die gewollt unsauber klingt, begann mit einem kräftigen Trompetensolo. Danach setzte der Rhythmus mit Keyboard, Drums und Bass ein und das Saxofon mischte sich unter.

Ungewöhnliches Bassspiel

Mit einem völlig eigenen, funky Arrangement interpretierte „Jazzbungalow“ den alten Cole Porter Song „Love for Sale“. Das Quintett hatte sich von einer späten Aufnahme von Chet Baker inspirieren lassen; mit Rhythmusänderungen, hervorgerufen durch sich ändernde Bassläufe, spitze Trompetenschreie, Temposteigerung klang es wunderbar nach Rhythm and Blues der 1970er Jahre, wie die Begleitung der langen Stücke von Temptations. Ein eingängiger Hit durfte nicht fehlen. Daher stimmte die Band „Candaloupe Island“ von Herbie Hancock ein. Back to the old: Bei dem eher traditionellen Stück „Ladybird“ von Tadd Dameron kam endlich das Vibraphon zum großen Einsatz; das Instrument hatte Drummer Rainer Himmelhan mitgebracht. Zum Abschluss des zweistündigen Gigs gab es noch ein Schmankerl: „Night in Tunesia“ von Dizzie Gillespie, ein Stück, das der Meister selbst mehrfach in Vollendung interpretiert hatte. Eine schwierige Herausforderung für Bands, die „Jazzbungalow“ kreativ annahm; denn hier brillierte Rainer Himmelhan und lieferte ein hervorragendes Schlagzeugsolo. Er wurde von Bassist Markus Herzig abgeholt, der jetzt die Grundmelodie übernahm und fortführte – auch das ist ungewöhnlich für einen Bass! Schließlich wurde er als Solist abgelöst vom Saxofon und schließlich komplettiert durch die ganze Band das Stück. Das nächste Mal wird das „Jazzbungalow“ im Blauen Loch in Schwetzingen am 19. Oktober auftreten. Dann ist nämlich wieder Kneipenjazz in verschiedenen Lokalen in Schwetzingen angesagt. (rw)

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Ausgabe 29/2024
von Redaktion Nussbaum
17.07.2024

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