Dies und das

Jazzinitiative Kneipenjazz im "Grünen Baum"

Von der Avantgarde zu Traditionellem Normalerweise geht der Blick nach vorne von der Vergangenheit zur Gegenwart in die Zukunft. Bei der letzten Jazzsession...
Bei der Jam Session spielen immer wieder Überraschungsgäste mit.
Bei der Jam Session spielen immer wieder Überraschungsgäste mit.Foto: rw

Von der Avantgarde zu Traditionellem

Normalerweise geht der Blick nach vorne von der Vergangenheit zur Gegenwart in die Zukunft. Bei der letzten Jazzsession im „Grünen Baum“ war das umgekehrt: Von der Modernen in die Vergangenheit. Mit der Einladung des Quartetts 4toplay um den Trompeter Prof. Stephan Zimmermann zur Session am ersten Dienstag im Monat im „Grünen Baum“ ist der Jazzinitiativen Schwetzingen – wieder einmal - ein besonderer Coup gelungen.

Denn die Band besteht aus exquisiten Musikern verschiedenster Couleur, hochprofessionell, mit internationaler Bühnenerfahrung und geprägt durch die Zusammenarbeit mit erstklassigen Solisten und Big Bands. So war auch ihr kleines Konzert anspruchsvoll und stand ganz im Zeichen des US-amerikanischen Pioniers des avantgardistischen Jazz, Ornette Coleman. - Der zweite Teil des Abends, die Jam-Session, hatte einen stärker unterhaltsamen Charakter, denn die Musik war eher traditionell ausgerichtet, wenn auch mit frischen Interpretationen.

Avantgarde

Stephan Zimmermann gilt als einer der einflussreichsten Trompeter Deutschlands. Er ist Professor für Jazztrompete und Ensemble an der staatlichen Mannheimer Hochschule für Musik und Darstellende Kunst und kann auf die Zusammenarbeit mit enorm vielen deutschen und internationalen prominenten Musikern, Bands und Ensembles zurückblicken.

Der Saxofonist Alberto Menendez aus Spanien hat weitreichende Erfahrung im Latin Jazz, spielte unter anderem mit Koryphäen wie Latinjazz und Salsapianist Eddie Palmieri und zahlreichen Big Bands. Auch er – wie übrigens auch Drummer Holger Nesweda lehrt an der Mannheimer Musikhochschule. Nesweda ist Jazzer aus ganzem Herzen und auch in der Popmusik zu Hause. Bassist Dietmar Fuhr kommt aus Köln, wo er sich ebenfalls als Hochschullehrer betätigt; er sagt selbst, dass er stilistische Grenzen bei einem mehrjährigen Aufenthalt in New York ablegen konnte, individuelle Freiheit ermöglichte ihm den reinen Spaß am Musizieren.

Die Band bewegt sich in avantgardistische Gefilde des freien – man könnte auch sagen: melodiebefreiten – Jazz der End-1960er Jahre gewagt: Herkömmliche musikalische Strukturen wie fixe Melodieführung durch ein Hauptinstrument und untergeordnete Begleitung wurden verlassen zu Gunsten neuer melodischer, harmonischer und rhythmischer Freiheiten. Einer der Hauptprotagonisten dieser Entwicklung war der US-amerikanischen Saxofonisten Ornette Coleman (1930 – 2015), der für diese Musik den Begriff „Harmolodics“ fand, und auf dessen Fußstapfen 4 to play wandelte. So präsentierte die Band vorwiegend eigene Stücke und eine Komposition von Coleman. Das Konzert begann mit einer Hommage an den Pionier Ornette Coleman mit dem Titel „Hello“ von dem Bassisten Dietmar Fuhr. Ganz im Geiste Colemans hatte auch Saxofonist Alberto Menendez ein Stück komponiert „On the Highway“ und trug es nun als Uraufführung bei. Ganz außen vor sollten die Coleman Kompositionen nicht sein, daher spielte die Gruppe sein Stück „Checkup“ aus dem Jahre 1971. Coleman, der zehn Jahre zuvor das richtungsgebende „Free Jazz“-Album mit Untertitel „A Collective Improvisation“, eingespielt hatte, hatte dieses Genre inzwischen wieder verlassen und sich auf neue Wege der Komposition und Improvisation begeben. Ein Blues in diesem Sinne war „February“ von Alberto Menendez; durchaus melodiös wirkte eingangs die Trompete, die dann von einem emotionalen Tenorsaxofon abgelöst wurde. Schließlich folgte eine Komposition von Stephan Zimmermann „Raindance“

Jam Session

Immer wieder spannend ist das, was nach der Pause folgt in der Jam Session. Einige dem Kneipenjazz im Grünen Baum wohl bekannte Musizierende hatten sich angemeldet, so etwa der Schlagzeuger Walter Helbig, der Keyboarder und Vorstandsmitglied der Jazzinitiative Wolfgang van Göns, der kreativ-virtuose Saxofonist Tommy Engelhardt sowie Flötistin Nathalia Gall. Hinzu kam der zunächst noch etwas scheue Gitarrist David Simon aus Reilingen, der sich ob seinen Könnens keinesfalls verstecken musste und auch bald aufblühte. Last but not least war da noch Julian Seiler, ein vorzüglicher junger Trompeter, der auch Klavier spielt und sich gerne dem traditionellen Jazz und dem Funk zuwandte. „Ich versuche, die Tradition des Jazz zu pflegen anstelle zu innovieren“, sagte er bei einem kleinen Interview.

So begann die neu zusammengestellte Gruppe mit Helbig, Fuhr, Simon, Engelhardt, van Göns und Seiler mit „Tenor Madness“ von Sonny Rollins. Traditionell und gut gelaunt ging’s weiter mit „Sweet Georgia Brown“, wobei die einzelnen Mitspieler durch Soli sich in den Vordergrund spielen konnten. Bei dem Bossa-Nova „Wave“ von Antônio Carlos Jobim gesellte sich auch Flötistin Nathalia Gall zum Ensemble. Es entstand ein kleiner Dialog zwischen Flöte und Tenorsaxofon. Ein charmantes, verführerisches Zwiegespräch zwischen einem Mann und einer Frau? Sacht mischte sich ein minimalistisches rhythmisches Intermezzo von Drums und Bass mit ein. Einen ganz anderen Flair vermittelte Gershwins „Summertime“ in einer Funk-Version. Manfred Kern von der Jazzinitiative übernahm das Mikrofon und sang sehnsuchtsvoll, umspielt von Klang der Flöte. Energiereich übernahm das Tenorsaxofon die Melodie und präsentierte ein sensibles, aber kraftvolles Solo.

Es folgten noch ein paar Standards, wobei Julian Seiler Klavier spielte – und bewies, wie gut er Funk beherrschte. Zum Schluss kamen nochmals die Mitglieder von 4toplay auf die Bühne und zelebrierten die alte Ballade „There’s no greater love“ mit brillanten Soli von Saxophonist Alberto Menendez und Trompeter Stephan Zimmermann. (rw)

Jazz vom Feinsten.

Zur Jazzinitiative

Am 1. Oktober heißt es wieder: Kneipenjazz im „Grünen Baum“, organisiert durch die Mitglieder der Jazzinitiative Schwetzingen e.V. Die Mitgliedschaft kostet 60 Euro im Jahr, und die Musizierenden – zumeist Profis oder sehr ambitionierte Hobbymusiker*innen - bekommen davon einen kleinen Opulus. Die Konzerte im „Grünen Baum“, auf dem Schlossplatz und beim Frühschoppen im „Blauen Loch“ sind eintrittsfrei. Wer mitspielen möchte, kann sich mit einer Mail an musik@jazzinitiative-schwetzingen.de bei Wolfgang van Göns melden.

Avantgarde mit 2toplay.
Avantgarde mit 2toplay.Foto: rw
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Schwetzinger Woche
Ausgabe 37/2024
von Redaktion Nussbaum
11.09.2024

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