Vom 6. bis zum 20. November wird die Landeshauptstadt einmal mehr zum Zentrum jüdischer Kultur und Lebensfreude. Unter dem Motto »Jüdisch ist jetzt!« laden die Jüdischen Kulturwochen 2024 dazu ein, die lebendige Vielfalt jüdischen Lebens zu entdecken und zu feiern.
„Jüdisch ist jetzt!“ Ein starkes Statement, das die Organisatoren der Veranstaltungsreihe bewusst gesetzt haben – denn gerade in Zeiten, in denen antisemitische Vorfälle und antijüdische Ressentiments sich häufen, ist es wichtig, ein Zeichen zu setzen. Die Jüdischen Kulturwochen sind bereits seit über zwei Jahrzehnten fester Bestandteil des Stuttgarter Veranstaltungskalenders. Sie bieten eine Plattform, um jüdische Traditionen, Kunst und Geschichte zu erleben und fördern den Dialog. Besonders in Zeiten wachsender Herausforderungen ist das Motto auch ein starkes Statement für Zusammenhalt und ein respektvolles Miteinander.
Das antisemitischen Pogrom auf jüdische Menschen vom 7. Oktober im Süden Israels bedeutet einen tiefen Einschnitt für Israel, für die jüdischen Menschen in aller Welt, in Deutschland und auch für die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs, Ausrichterin des Kulturfestes. Die Zahl antisemitischer Straftaten sei infolge der Entwicklungen auch in Deutschland und weltweit nochmals massiv angestiegen. »Die Sorge vor Übergriffen und ein massiver Druck durch einen gesellschaftlichen Diskurs, in dem Täter und Opfer vertauscht, sowie friedliches jüdisches Leben in den Gemeinden und Familien weltweit zu Kollateralschäden eines Krieges gemacht werden, ist auch für die Mitglieder unserer Gemeinde seither bittere Realität«, so der Vorstand der Gemeinschaft im Grußwort zur diesjährigen Auflage und stellt gleichzeitig die Frage in den Raum: Kann man in einer solchen Zeit Jüdische Kulturwochen veranstalten? „Wir meinen: Ja, gerade jetzt! Einschüchterungen begegnen wir mit Zusammenhalt. Und wir wollen gemeinsam all denjenigen Mut machen, die hinter uns stehen und auch jenen, die seither in Angst leben. Wir wollen Mut machen, indem wir zeigen: Wir sind da und wir sind ein selbstverständlicher Teil unserer Stadtgesellschaft und lassen uns dieses Selbstverständnis auch nicht nehmen. Als jüdische Gemeinde tragen wir bei zur kulturellen Vielfalt unserer Stadt."
Die Veranstaltungsreihe verspricht ein abwechslungsreiches Programm: Jüdische Persönlichkeiten, namhafte Autoren, Historiker, Musiker, Wissenschaftler, Schauspieler und Regisseure sind zwischen dem 6. und 20. November nach Stuttgart eingeladen und möchten zu zwei intensiven, bereichernden und inspirierenden Wochen beitragen. Dazu gibt es Einblicke in jüdische Kultur und Tradition - von der Küchenkunde bis zur Weinprobe. Die Eröffnungsveranstaltung am 6. November im Rathaus Stuttgart setzt den Startschuss mit einer spannenden Podiumsdiskussion zur aktuellen Lage des jüdischen Lebens in Deutschland.
Kunstliebhaber können sich auf die Ausstellung „Jüdisch Jetzt!“ freuen, die im Rathaus Stuttgart bis zum 17. November Werke von Seniorenkünstlern der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs präsentiert. Eine Hommage an die Kreativität und Lebensfreude, die in jedem Alter blüht.
Literaturfreunde kommen bei Lesungen mit musikalischer Begleitung auf ihre Kosten. Am 7. November wird Joseph Roths Erzählung „Der Leviathan“ im Haus der Heimat Baden-Württemberg lebendig und am 12. November bietet das Haus der Heimat ein literarisch-musikalisches Erlebnis zu Karl Kraus. Heinrich Heine, einem der wohl größten jüdischen Dichter Deutschlands, ist eine musikalische Lesung gewidmet und bei einem Literaturspaziergang kann man sich auf die Spuren von eher unbekannten jüdischen Autoren wie Karl Lieblich, Friedrich Wolf, Fred Uhlman oder Jella Lepman machen, die auch in Stuttgart wirkten.
Musik spielt eine zentrale Rolle im Programm. Das Konzert der Band "Dobranotch" am 14. November lässt Klezmermusik in ihrer ganzen Vielfalt erklingen, wild, frech und zeitgemäß. Auch die Nachwuchstalente des Karl-Adler-Musikwettbewerbs präsentieren ihr Können in einem Konzert am 10. November.
Theaterliebhaber dürfen sich auf den humorvollen Abend "Es bleibt in der Familie" mit Rafi Kishon am 11. November freuen, der Leben und Werk seines Vaters Ephraim zelebriert.
Synagogenführungen, Stadtrundfahrten mit dem Fokus auf das jüdische Leben in Stuttgart sowie zahlreiche Vorträge und Podiumsdiskussionen bereichern das Programm um eine aktuelle, politische und mahnende Komponente. Historiker Michael Wolffsohn, zweifelsohne einer der großen Experten für die jüdische Geschichte der Neuzeit und sein Kollege Prof. Dr. Robert Jütte, ehemals Leiter am Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart widmen sich der Situation des Antisemitismus im heutigen Deutschland.
Die Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht am 9. November erinnert an die deutschen Verbrechen der Vergangenheit und mahnt gleichzeitig zur Wachsamkeit. Zudem bietet ein Historisches Symposium am 11. November im Haus der Geschichte eine tiefgehende Analyse der Entwicklungen der Einstellungen zu Israel seit seiner Staatsgründung.
Und zum Abschluss wird am 22. November um 11 Uhr wird der bereits 1998 nach Joseph Süß Oppenheimer benannte Platz neu gestaltet der Öffentlichkeit übergeben. Eine angemessene Stätte der Erinnerung informiert über das Leben und die grausame Hinrichtung des herzoglichen Finanzberaters in Stuttgart, der für viele zum prominentesten Opfer instrumentalisierter antisemitischen Propaganda wurde - die bis in die Nazi-Zeit reichte.
Dr. Frank Nopper, Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart, Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden Deutschlands und Prof. Barbara Traub, Vorstandssprecherin der IRGW, werden wegen der hohen Bedeutung dieser Rückerinnerung an ein trauriges Kapitel der Stuttgarter Stadtgeschichte selbst das Wort ergreifen.
► Hier finden Sie das gesamte Programm der jüdischen Kulturwochen als PDF zum Download