Letzte Woche zeigte die Klasse 10c der Waldschule Degerloch vollen Einsatz auf dem jüdischen Friedhof in Hochberg: Seit Jahren mit Efeu zugewachsene Grabsteine wurden sorgfältig von der Pflanze befreit und erstmalig wieder sichtbar gemacht. Sieben 120-Liter-Abfallsäcke wurden mit Efeuschnitt gefüllt und in Oßweil auf dem Häckselplatz entsorgt. Die Arbeit musste mit Fingerspitzengefühl durchgeführt werden, denn die Sandsteingrabsteine sind empfindlich: Die Abschieferung bei den Steinen ist teilweise weit fortgeschritten. Die Oberfläche der Steine löst sich in Schichten allmählich ab. Hauptursache ist der Frost-Tau-Wechsel: Wasser, das in die Poren des Sandsteins eindringt und bei Frost gefriert, dehnt sich aus und sprengt kleine Teile des Steins ab. Vorsichtig wurde daher das Efeu entfernt, ohne den Stein zu beschädigen.
An der Waldschule muss jeder Schüler bzw. Schülerin pro Schuljahr individuell oder im Klassenverband mindestens 10 Stunden gesellschaftliches Engagement nachweisen. Die Klasse 10c hatte als Klassenprojekt die Aktion auf dem jüdischen Friedhof gewählt. Motivierend für die Schüler war auch das Entdeckergefühl: Grabinschriften und künstlerische Gestaltungen der Steine aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden durch die Arbeit wieder sichtbar gemacht. Herzlichen Dank für den Einsatz!
Am vergangenen Sonntag gab es erstmals eine Busrundfahrt zu den Orten jüdischer Spuren in Remseck. Die Veranstaltung kam sehr gut an. Die Plätze waren schnell ausgebucht und wir mussten einige Anmeldungen leider zurückweisen. Wir werden das Angebot daher im nächsten Jahr wiederholen. Der erste Stopp war in Neckarrems an der Ecke Dorfstraße/Am Remsufer. Bis 1967 hieß „Am Remsufer“ Judengasse, weil die Straße ursprünglich als sog. Richtungsgasse nach Hochberg zur nächsten jüdischen Gemeinde verwies. In Hochberg besichtigte die Gruppe den jüdischen Friedhof und die ehemalige Synagoge. In Neckargröningen hielt man am Pfarrhaus neben der Martinskirche. Dort war von 1877 bis 1879 ein sog. Proselytenasyl der „Württembergischen Mission unter Israel“ untergebracht. Getaufte Juden aus dem heutigen Moldawien erhielten hier eine Ausbildung zum Missionar, um anschließend in Nordamerika zu wirken. Die letzte Station der Fahrt war Aldingen: Hier wurden die ehemalige Synagoge in der Kirchstraße 15, das „Pfaffenhaus“ bei der Margarethenkirche, in dem ursprünglich der jüdische Betsaal untergebracht war, das Gebäude mit dem Ritualbad „Mikwe“ in der Neckarstraße, die zeitweilige jüdische Gastwirtschaft „Ochsen“ in der Kornwestheimer Straße und das ursprüngliche jüdische Schulhaus aufgesucht. In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Hochberger jüdische Gemeinde 300 Mitglieder, in Aldingen waren es 100. Die Aldinger Gemeinde entstand 1729, in Hochberg ließ sich die erste jüdische Familie 1760 nieder. Die letzten Juden verließen Aldingen 1878, Hochberg 1939. An beiden Orten war der ursprünglich reichsritterschaftliche Charakter der Herrschaft ursächlich für die Bildung jüdischer Gemeinden. Die Ortsherren siedelten jüdische Familien gegen hohe Aufenthaltsgebühren an, um sich ihre kleine adlige Ortsherrschaft zu finanzieren.
Kai Buschmann
Beth Shalom – Haus des Friedens. Verein für Erinnerungs- und Friedensarbeit in Remseck e.V., www.bethshalom-remseck.de, info@bethshalom-remseck.de