Nur für diesen einen Tag! Für den „P-Day“, wie Anthony Bramall den Premierentag bei einer Theateraufführung bezeichnet. „Man hat die ganze Arbeit nur für diesen einen Tag gemacht“, sagt er bei seinem Vortrag „Wie entsteht eine Musiktheaterproduktion? - Von der Konzeption bis zur Premiere“ bei junge alte im Rahmen der Evangelischen Erwachsenenbildung Karlsruhe.
Antony Bramall ist Professor für Orchesterdirigieren und Musiktheater. Sein Berufsweg umfasst viele Stationen auf vielen Positionen in verschiedenen Häusern, darunter: Pianist in Pforzheim, Schauspielmusikleiter in Augsburg, 1. Kapellmeister in Coburg und Hannover, Generalmusikdirektor in Leipzig, bis August 2025 in München. Von 2002 bis 2006 war er beim Badischen Staatstheater in Karlsruhe.
Was so alles getan werden muss, damit der P-Day gut über die Bühne geht, folge immer gleichen Regeln. Nachdem der Intendant oder die Intendantin, wie er sagt, in einem sehr komplizierten Prozess entschieden habe, welches Stück gespielt werden solle, müssten Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner ausgewählt werden. „Sie entscheiden über den Stil, die Ästhetik, die Sprache, die Fassung des Stücks und entwickeln in Zusammenarbeit mit dem Dramaturgen ein Konzept.“ Zu diesem Team komme dann noch der Dirigent, aus dem Hause oder als Gast.
Der weitere Prozess hänge auch stark davon ab, ob die Beteiligten das Stück schon einmal inszeniert hätten oder nicht. „Etwa sechs Wochen vor der Premiere findet die Bauprobe mit allen Gewerken, Technik, Chor und Orchester statt“, erklärt Tony Bramall. Danach würden im Produktionsgespräch sehr bürokratisch Fragen abgearbeitet: Drehbühne? Bühnennebel? Extrachor? Sprachcoach? Kostüme neu oder Fundus? Parallel arbeite nun der technische und der künstlerische Bereich weiter und Bühnenbildner, Perückenmacher, Requisiteure stellten in den Werkstätten her, was benötigt wird. Der Dirigent muss nun Kontakt zum Bibliothekar, Studienleiter und dem Chordirektor aufnehmen, Noten beschaffen und Probentermine klären. Noch gebe es nur Einzelproben eines Sängers mit einem Pianisten. Manche Stücke seien so schwer, dass ein Sänger schon ein Jahr vorher anfangen müsse. „Wichtig ist, sicherzustellen, dass alle Beteiligten und Besetzungen alles üben und können, was sie können müssen“, sagt er weiter. „Dann folgen die Ensemble-Proben.“ Das alles geschehe während des laufenden Theaterbetriebs. Dazwischen kämen erst die szenischen Proben.
Etwa sechs Wochen vor der Premiere treffe der Regisseur erstmals wieder auf alle anderen. Er präsentiere sein Konzept, der Bühnenbildner die Kulissen im Modell, der Kostümbildner die Kleidung als Projektion, der Dirigent seine Ideen. Nun werde wochenlang, zweimal am Tag, um 10 Uhr und um 18 Uhr, auf der Probebühne geprobt, begleitet von einem Pianisten. „Nach zwei, drei Wochen gibt es szenische Bühnenproben. Da zeigt sich, ob die Proben auf der Probebühne Sinnvolles erbracht haben“, sagt Tony Bramall. Der Dirigent beschäftige sich nun mit dem Orchester und es gebe vier bis fünf Proben und Sitzproben.
Die „sehr schlimme, sehr lange, sehr wichtige, sehr komplizierte“ Klavierhauptprobe schließe sich als technische Probe an, gefolgt von der Bühnenorchesterprobe. „Nun ist das Stück zum ersten Mal im Kontext zu hören“, so Tony Bramall. Nach der Prä-Generalprobe gehe es zur Generalprobe, die eigentlich wie eine Vorstellung sein solle. Alles, was bei Proben passieren kann, passiere dann. Es gebe auch eine Applausprobe. Publikum applaudiere oder lache. Dann komme endlich der Tag, „an dem Sachen passieren, die niemand jemals für möglich gehalten hätte“, so Anthony Bramall, „der Premierentag“. (rist)