Vermeintlich hilflose Vogelkinder sollten auf jeden Fall in der freien Natur belassen werden. Nur ganz selten handelt es sich bei gefundenen Jungvögeln am Boden um verlassene, verletzte oder geschwächte Tiere, die tatsächlich Hilfe benötigen. Einige Vogelarten – beispielsweise Amseln – verlassen das Nest bereits, bevor sie vollständig flugfähig sind. Wer etwas Geduld aufbringt und die unbeholfenen Jungvögel beobachtet, wird feststellen, dass sie weiterhin von ihren Eltern betreut und gefüttert werden. Damit sie nicht verloren gehen, lassen die Jungvögel fast unablässig sogenannte „Standortlaute“ hören. In diesem Stadium fallen sie nicht selten natürlichen Feinden zum Opfer. Doch es handelt sich dabei um einen natürlichen Regulationsmechanismus, an den die Vögel angepasst sind und der ein Überhandnehmen der Art verhindert.
Bei Gefahr durch Katzen oder an viel befahrenen Straßen sollten die Tiere ins Geäst des nächsten Busches gesetzt werden. Man kann Jungvögel ohne Probleme berühren, der Geruchssinn ist bei Vögeln im Vergleich zu Säugetieren sehr gering ausgeprägt. Die Eltern nehmen ihre Brut danach problemlos wieder an.
Gemäß Bundesnaturschutzgesetz dürfen Jungvögel übrigens nur vorübergehend und nur dann aufgenommen werden, wenn sie verletzt oder krank sind, und somit tatsächlich hilflos sind. Jungvögel, die mit nach Hause genommen werden, haben selbst bei fachgerechter Pflege deutlich schlechtere Überlebenschancen als in der Natur. Die elterliche Fürsorge in der Naturaufzucht kann niemals ersetzt werden, so dass die Handaufzucht immer nur die zweitbeste Lösung ist.
Auch wenn es schwerfällt, sollten wir in den meisten Fällen der Natur ihren Lauf lassen. Vögel wie Amsel oder Hausrotschwanz brüten bis zu dreimal im Jahr, damit sie genügend Nachwuchs aufziehen.
Auch bei größeren Vögeln gibt es sogenannte Ästlinge, die schon vor der Flugfähigkeit das Nest verlassen. Ein typisches Beispiel dafür sind die jungen Waldohreulen. Sie betteln nachts lautstark nach Futter. Sie sind allerdings schon so wehrhaft, dass Nesträuber wie Katzen hier schlechte Karten haben.