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Kabarettist Martin Zingsheim im Alten E-Werk

„Normal ist das nicht“ – aber unterhaltsam Bis auf den letzten Platz besetzt war der Saal des Alten E-Werks, als Kabarettist Martin Zingsheim die...
Gesanglich am Klavier war Martin Zingsheim genauso top, wie er mit Sprachwitz und Themen spielte.
Gesanglich am Klavier war Martin Zingsheim genauso top, wie er mit Sprachwitz und Themen spielte.Foto: du

„Normal ist das nicht“ – aber unterhaltsam

Bis auf den letzten Platz besetzt war der Saal des Alten E-Werks, als Kabarettist Martin Zingsheim die Bühne betrat – die Atmosphäre war erwartungsvoll gespannt; und die Besucher wurden nicht enttäuscht.

Zwei Stunden lang lieferte Zingsheim ein rasantes Feuerwerk aus Wortwitz, Musik und scharfsinniger Gesellschaftsanalyse. Ob gesungen oder gesprochen – das Publikum hatte er von der ersten Minute an in der Hand.

Mit seinem Programm „Normal ist das nicht“ nahm er alles unter die Lupe, was den Menschen dieser Tage Kopfschütteln bereitet: Erziehung, Klimaschutz, Wohnmobile, Selbstoptimierung. Dabei bewies er nicht nur eine beeindruckende Wortakrobatik, sondern auch musikalische Vielseitigkeit. Besonders seine rasante Analyse von Filmmusik, die sich je nach Genre verblüffend ähnelt, brachte den Saal zum Lachen – von typischen Collegefilm-Klängen bis zum unverwechselbaren James-Bond-Sound.

Absurditäten der Klimadebatte

Die Absurditäten der Klimadebatte verdichtete er in Szenen, die treffender nicht sein könnten: ein Veganer, gefangen im Körper eines Fleischfressers, der am Ende doch mit dem Lastenrad bei McDrive vorfährt. Oder ein radikaler Klimaschützer, der gegen das Fliegen wettert – während er zwei Sitzplätze im Flugzeug für sich beansprucht, wohl zur Reduzierung der Passagierzahlen. Und wenn ohnehin alle mit dem Wohnmobil verreisen, wozu dann noch fliegen?

Keine Witze mehr über FDP

Doch auch die Politik kam nicht ungeschoren davon. Die FDP aus dem Bundestag? Tragisch – nicht für das Land, aber für das Kabarett, das nun an Reibungsfläche verliert. Und Friedrich Merz? Ihm prophezeite Zingsheim mit feinem Sarkasmus das baldige Ende aller Kanzlerträume und kündigte Neuwahlen in eineinhalb Jahren an. Seine perfekten Imitationen, etwa von Gesundheitsminister Karl Lauterbach inklusive legendärer Corona-Regeln „Spaziergänge nach 22 Uhr nur mit dem eigenen Hund“, sorgten für nahezu befreiendes Gelächter in Erinnerung an das nicht immer nachvollziehbare Regelwerk während der Pandemie.

Crashkurs in Ambiguitätstoleranz

Die gesellschaftliche Entwicklung sezierte er mit spitzer Zunge: Früher wurden Dieben die Hände abgehackt, heute kümmert sich Sozialarbeiter Holger um sie. Und falls einem kein Holger einfällt – könnte es sein, dass man selbst einer ist? Selbstironie, so Zingsheim, sei ohnehin das beste Mittel, um den alltäglichen Wahnsinn zu überstehen. Und Wahnsinn gibt es genug: Experten wechseln in Talkshows schneller als ihre Prognosen. Aktuell seien es Militärexperten, die sich gegenseitig überbieten. Und was hilft da? Ambiguitätstoleranz – die Fähigkeit, Unsicherheiten und Widersprüche auszuhalten. Wer das nicht konnte, bekam diese Fähigkeit an diesem Abend in einem rasanten Crashkurs vermittelt.

Gruß vom Kulturverein

Roland Gantner, Vorsitzender des Kulturvereins, zeigte sich schon bei der Begrüßung erfreut darüber, dass es gelungen war, das Multitalent aus Köln für ein Gastspiel in Neckargemünd zu gewinnen. Zingsheim vereine in seiner Person all die im Studium von Musik, Theater, Filmwissenschaften und Philosophie erworbenen Kenntnisse, die die Qualität seines Vortrags ausmachen. Denn bei diesem abwechslungsreichen Abend bewies Martin Zingsheim für sein Publikum nachvollziehbar: „Normal ist das nicht“ – aber ungemein unterhaltsam. (du)

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von Redaktion NUSSBAUMRedaktion NUSSBAUM
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