Bereits im Bundestagswahlkampf 2025 war Wohnraum eines der zentralen Themen für Die Linke. Auch bei mehr als 400.000 Haustürgesprächen in ganz Deutschland wurde deutlich: Die Wohnungsfrage brennt den Menschen unter den Nägeln. Besonders ärgerlich: Während der Bedarf an Wohnraum seit Jahren deutschlandweit für einen angespannten Mietmarkt sorgt, gibt es gleichzeitig ein nicht hinnehmbares Maß an Leerstand. Das betrifft auch Dossenheim: Ende 2024 standen in unserer Gemeinde 214 Wohnungen leer – mehr als die Hälfte davon bereits länger als ein Jahr.
Die Gründe für Leerstand sind vielfältig: Manche Eigentümer/-innen haben schlechte Erfahrungen mit Mieter/-innen gemacht, andere können die finanziellen Mittel für notwendige Sanierungen nicht aufbringen. Doch je länger Immobilien leerstehen, desto größer werden die Probleme – und zwar für alle.
Während Wohnungssuchende verzweifelt nach einem bezahlbaren Zuhause suchen, verlieren Eigentümer/-innen Geld durch entgangene Mieteinnahmen und steigende Sanierungskosten. Und eine hohe Leerstandsquote – in Dossenheim sind es über 3 % – macht eine Gemeinde unattraktiver. Menschen ziehen nicht gerne in Nachbarschaften, in denen viele Häuser und Wohnungen unbewohnt sind, weshalb sich das Problem im Laufe der Jahre auch bei angespanntem Mietmarkt verstärkt. Leerstand ist daher im wahrsten Sinne des Wortes ansteckend. Deshalb braucht es ein Gegenrezept: schnell, fair und mit System.
Für eine praxisnahe Lösung lohnt sich der Blick in die Nachbarschaft: Die Stadt Weinheim startete im Januar 2024 das Projekt „Vermiete doch an deine Stadt“, um den Leerstand vor Ort wirksam zu bekämpfen.
Der Anlass: Immer mehr Menschen, darunter Geflüchtete und Wohnungslose, brauchen dringend Wohnraum. Doch die Kapazitäten im Mietmarkt waren auch in Weinheim bereits ausgeschöpft. Zudem bevorzugen vor allem private Vermieter/-innen häufig Mieter/-innen mit gesichertem Einkommen. Aber gerade für Schutzsuchende oder Menschen in schwierigen Lebenslagen ist eine stabile Wohnung der erste Schritt in ein selbstbestimmtes Leben.
In Weinheim tritt die Gemeinde im Rahmen der Initiative „Vermiete doch an deine Stadt“ selbst als Vermieterin auf. Sie schließt Mietverträge direkt mit Eigentümer/-innen ab, bezahlt zuverlässig die Miete und übernimmt die Verantwortung als Vertragspartnerin. Die Mietpreise müssen dabei in einem angemessenen Rahmen bleiben und die Wohnungen in einem bewohnbaren Zustand sein.
Die Besonderheit am Modell: Die Vermieter/-innen verkaufen ihre Wohnung nicht, bleiben also weiterhin Eigentümer/-innen der Immobilie. So sinkt die Hemmschwelle, sich am Projekt zu beteiligen und Wohnraum zur Vermietung bereitzustellen.
Für Vermieter/-innen bedeutet das Modell: regelmäßige Mietzahlungen, Mietausfallgarantie, geringe Bürokratie und die Stadt als verlässlicher Partner.
Für Mieter/-innen ist es ein Sprungbrett zurück in die Mitte der Gesellschaft: ein sicherer Rückzugsort, um Arbeit zu suchen, ein neues Leben aufzubauen und Perspektiven zu entwickeln. Temporäre Notunterkünfte können all das nicht leisten.
Für die Stadtgesellschaft entstehen lebendige Viertel statt verödeter Straßenzüge. Außerdem wird soziale Ungleichheit reduziert und der Druck auf den Mietmarkt sinkt, da sich die Zahl der Interessent/-innen verringert.
Und für die Umwelt bedeutet die Leerstands-Vermittlung weniger Flächenversiegelung und CO₂-Ausstoß durch Neubau. Es werden bestehende Ressourcen genutzt, die jetzt und nicht erst in Zukunft zur Verfügung stehen.
Die Linke Dossenheim sagt: So ein Modell braucht auch unsere Stadt. Denn die Bebauung unserer Gemeinde ist am Limit. Für die geplante Wohnbaufläche „Augustenbühl“ ist noch immer unklar, ob dort – wie von unserer Gemeinderatsfraktion gefordert – sozialer Wohnraum entsteht. Gleichzeitig steht real existierender Wohnraum leer. Das ist nicht nur eine Vergeudung dringend benötigter Ressourcen, es ist auch ein sozialpolitischer Skandal!
Weinheim zeigt, wie es besser geht: Innerhalb eines Jahres konnten dort 40 Menschen aus Notunterkünften in stabile Wohnungen vermittelt werden. 40 Eigentümer/-innen haben ihre leerstehenden Immobilien sinnvoll genutzt. Und es sind 40 kleine Erfolgsgeschichten für eine solidarische Stadtgemeinschaft entstanden.
Auch Dossenheim kann und sollte diese Geschichten schreiben – und damit zu einem weiteren Vorbild für den Kampf gegen Wohnungsnot in Baden-Württemberg werden. Die Linke Dossenheim setzt sich deshalb dafür ein, die Initiative „Vermiete doch an deine Stadt“ auch bei uns zu starten.
Die Erfahrungen aus Weinheim bieten wertvolle Impulse und könnten die Umsetzung erleichtern. Wir rufen alle Fraktionen im Gemeinderat, engagierte Organisationen und Bürger/-innen auf: Lasst uns gemeinsam anpacken! Für eine solidarische Gemeinde, in der Wohnraum nicht leersteht, sondern Leben ermöglicht.
(J. Heine)