Gedichte interpretieren, Wahrscheinlichkeiten berechnen und Reaktionsschemen zeichnen: Kein Problem für die Abiturienten des Königsbacher Gymnasiums. Doch wie sieht es mit der Steuererklärung oder der Wohnungssuche aus? Darauf hat sie ein Kurs vorbereitet.
Eigentlich ist das Ende des Veranstaltungszeitraums bereits erreicht. Doch in zwei Klassenzimmern wird noch angeregt gesprochen. Die Schüler haben an die Referenten noch einige Fragen, die sie unbedingt loswerden wollen, bevor sie gehen. Denn sie wissen, dass sich eine derart niederschwellige und unkomplizierte Gelegenheit dazu vermutlich so schnell nicht mehr ergeben wird. Beim Zukunftstag geht es darum, die Schüler auf ihr späteres Leben vorzubereiten: auf Studium und Beruf, aber auch auf die Suche nach einer Wohnung und den Umgang mit Geld. Mehr als 80 angehende Abiturienten haben am Königsbacher Lise-Meitner-Gymnasium an dem Format teilgenommen, das von der gemeinnützigen Initiative für wirtschaftliche Jugendbildung ausgerichtet und von der Baden-Württemberg Stiftung gefördert wird. Ziel ist es, den Schülern einen Impuls zu geben, Kontakte zu vermitteln und Informationsquellen aufzuzeigen. Dabei kann die Schule im Vorfeld angeben, welche Themen sie für relevant halten. In Königsbach hat man sich für Finanzen, Steuern, Berufsstart und Wohnen entschieden. Auf Basis dieser Wunschliste haben die Organisatoren versucht, Referenten aus der Region zu finden, die aufgrund der räumlichen Nähe auch nach der Veranstaltung noch als Ansprechpartner zur Verfügung stehen können.
Am Königsbacher Gymnasium kommen sie von der Sparkasse Pforzheim Calw, von der Immobilien-Abteilung der Deutschen Bank, vom Finanzamt Karlsruhe-Stadt und von tecis Finanzdienstleistungen. Nach einem Vortrag stehen sie den Schülern für ihre Fragen zur Verfügung. Voriges Jahr hatte man das Format am Königsbacher Gymnasium zum ersten Mal zu Gast, damals auf ausdrücklichen Wunsch von Schülern und Eltern. Nachdem eine anschließend vorgenommene Evaluation laut Direktor Hartmut Westje-Bachmann „eindeutig positive Rückmeldungen“ geliefert hat, beschloss man, das Format zu verstärken. Unterstützung erhält die Schule dabei dieses Mal von ihrem Förderverein, der die Finanzierung übernimmt. Auch bei der Initiative für wirtschaftliche Jugendbildung wird das Format an jeder Schule evaluiert, um das Angebot kontinuierlich zu verbessern.
Bislang hat man in Deutschland, Österreich und der Schweiz bereits mehr als 100.000 Schüler erreicht, doch dabei soll es nicht bleiben. „Das Interesse ist immer groß“, sagt Michelle Gürke, die den Zukunftstag in Königsbach leitet und sich von der Mitwirkungsbereitschaft der Abiturienten positiv überrascht zeigt. „Man sieht überhaupt keine gelangweilten Gesichter“, sagt Gürke, die auch der Schule ein großes Lob für die reibungslose Organisation ausspricht. Dort sieht Direktor Westje-Bachmann im Zukunftstag eine „praktische Ergänzung“ zu den Inhalten, die im Unterricht behandelt werden. Nicht nur für ihn ist das Format ein echter Gewinn. Auch von den Schülern kommen nur positive Rückmeldungen. Etwa von Jonathan, der den Zukunftstag „sehr informativ und aufschlussreich“ findet, auch und gerade wegen der Experten: Der 19-Jährige hat den Eindruck, dass sie in ihrem Bereich viel Erfahrung haben und genau wissen, wovon sie sprechen. Sein Mitschüler Julian gefiel der Vortrag zum Wohnen am besten, weil er dazu bislang noch am wenigsten wusste. Über den Berufsstart fühlte sich der 19-Jährige dagegen bereits vorher gut informiert. – Nico Roller