Es war 15.13 Uhr, als sich die Regenschirme öffneten. Nicht etwa, um die Süßigkeiten aufzufangen, sondern vielmehr um den Regen abzuhalten. Der hatte sich pünktlich zusammen mit dem Polizeiblaulicht, das den Besuchern rund ums Rathaus in der Schloßgasse den Kerumzug ankündigte, über Hemsbach Einzug gehalten. Die Menschenmenge ließ sich die Laune davon nicht verderben. Die Zugteilnehmer noch viel weniger.
Wenn schon nass, dann richtig. Das war nicht nur das Motto des Regens, der nach einer kurzen Pause noch zulegte. Es traf auch auf die DLRG zu, die auf ihrem Wagen einen „Wet-T-Shirt“-Wettbewerb hätte durchführen können – und zweifelsohne gewonnen hätte.
Wer die größte Party auf seinem Wagen feierte, das war indes gar nicht so einfach auszumachen. Zu den Anwärtern auf die Krone gehörten natürlich Hemsbachs Kerweborschde auf ihrem Rapunzelturm. Im Obergeschoss mit Rapunzel im Arm – und dem passenden Song, der auch nicht nur einmal zu hören war an diesem Nachmittag – steuerten sie etliche Dezibel auf der nach oben offenen Kerweumzug-Skala bei. Dem stand der Wagen des TV Hemsbach in nichts nach. Und auch die Kerwejugend aus Hambach ließ sich nicht lumpen auf ihrem „Saufpark“ – ein Name in Anlehnung an eine amerikanische Animationsserie, aber für eine Jugend vielleicht nicht ganz vorbildlich. Allerdings hatten die eine nette Reminiszenz an die vergangene EM an Bord, als sie im Disconebel„Naar links, naar rechts“ drifteten und dabei die Zugmaschine in Schwingung brachten. Das war bei der Kerwejugend aus Erbach nicht anders. Gut dabei im Feiermodus waren auch die Handballmädels der HSG Bergstraße, die mit ihrem Wagen eine klare Botschaft durch Hemsbach fahren: „Fußball kann jeder, Handball nur die Elite.“ Respekt vor diesem Selbstbewusstsein.
Doch es ging natürlich auch gediegener. So etwa bei den Weinhoheiten. Hier waren nicht nur Hemsbachs Botschafterinnen mit Weinkönigin Svenja I. und ihren Prinzessinnen Melina und Larissa vertreten, die sich auf ihrem Wagen zusammen mit den Kinderprinzessinnen Lilou und Alena präsentierten. Hoheitliche Grüße kamen auch von Schriesheims Königin Anna mit ihrer Prinzessin Emélie und Lützelsachsens Weinkönigin Danielle, die ganz ohne ihre Prinzessinnen auskommen musste, dafür aber ein strahlendes Lächeln für drei auf dem Gesicht trug. Vielleicht lag es an diesem Anblick, dass auch der Himmel sich am Ende besann und die Schleusen wieder schloss.
Nicht jeder, der Sport machte, war übrigens auf Bass-wummernden Wagen zu finden. Die Judoka etwa zeigten ihren Sport auf ausgelegten Matten auf der Straße, da wurde dann auch mal kurz der Schulterwurf geprobt und mit Applaus belohnt. Den gab es auch für die Turnerinnen, die auf der Strecke Räder schlugen und den Überschlag zeigten. In die Höhe ging es für die Cheerleader, die unter dem Staunen der Zuschauer von den American Football-Spielern der Longhorns hochgeschleudert und wieder aufgefangen wurden. Eine Leistung, die die Jungcheerleader mit ihren blauen und silbernen Pompons bejubelten, mit denen die Mädchen auch sonst gerne für Stimmung entlang der Strecke sorgten.
Während Kerweparre Nils Drücker mit seinem Mundschenk Florian Bauer den Umzugstross anführten, folgten ihnen neben den Kerweborschd natürlich auch die Mitglieder des Kerwe- und Heimatvereins – zu Fuß. Ihre Aufwartung machten auch die Vertreter der Kerwevereine aus der näheren Umgebung. Vertreter aus Sulzbach, aus Weinheim und aus Laudenbach waren mit von der Partie. Und wer mit Spannung auf die Nieder-Liebersbacher wartete, die ja oft schon einen Vorgeschmack auf ihren imposanten Wagen der eigenen, noch folgenden Kerwe geben, der wurde vielleicht ein bisschen enttäuscht: Nieder-Liebersbächer Parre, Mundschenk und Kerweborschde fuhren auf einem Bankgefährt durch Hemsbach. Wer also wissen will, was sich die Jungs in diesem Jahr ausgedacht haben: Die Liewerbescher Kerwe steigt am ersten Septemberwochenende. Mit dabei waren auch die Alt-Parre, die natürlich auch als moralische Unterstützung für Nils Drücker dabei waren, der ja einige Zeit später noch seinen großen Auftritt im Rahmen der Kerweredd vor sich hatte.
Gut eine Stunde zog sich der Umzug durch die Straßen und Gassen, ehe er sich dann auflöste. Und während die letzten Wagen gerade an der Ecke Grabenstraße in die Bachgasse einbog, da war in der Bahnhofstraße, durch die die Teilnehmer zu Beginn gezogen waren, das Treiben fast nicht mehr sichtbar. Hemsbachs Bauhofmitarbeiter hatten eine sonntägliche Extraschicht eingelegt, um die Straßen und Wege von Bechern und Müll zu reinigen. Nur noch die letzten Bonbons, von Kinderhänden vergessen, erinnerten daran, dass hier doch gerade noch Wagen und Menschen entlang gekommen waren – mit Regen und Winken und Wums.