Künstliche Intelligenz (KI), glaubt Dr. Jürgen Schmidt, werde sich in der Medizin in vielen Bereichen weiter durchsetzen, bedürfe allerdings stets der Kontrolle des Menschen. Da ist sich der Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Onkologie und Diabetologie am Klinikum Landkreis Tuttlingen (KLT) sicher. Bei seinem viel beachteten Vortrag über „KI in der Diagnose“ erwies sich Schmidt nicht nur einmal mehr als hervorragender Mediziner, sondern ebenso als versierter Kenner neuer Technologien.
Als solcher ordnete er den KI-Trend in der Medizin treffend ein: Künstliche Intelligenz lasse sich wohl als intelligentes Werkzeug zum Vorteil des Patienten verwenden, ersetze den Mediziner allerdings nicht. Besonders bei der Diagnose. Beinahe täglich, erzählte Dr. Schmidt im Rahmen der Vortragsreihe „Ärzte im Dialog“, werde er von Patienten mit vorher eingeholten „Diagnosen“ von Chatbots wie ChatGPT konfrontiert. Doch davon hält er gar nichts: Chatbots werden schließlich mit Daten trainiert und daher dem Einzelfall nicht gerecht. „Das ist reine Statistik“, so Schmidt.
Allerdings setzen der Chefarzt und sein Team KI seit rund eineinhalb Jahren bei der Endoskopie ein. Bei Darmspiegelungen geht es darum, Polypen zu entdecken, die zu Krebs mutieren können. Und das funktioniert prima, wie er den Zuhörern im Konferenzraum anhand hochmoderner Ausrüstung vorführte: Die Live-KI wird bei Koloskopien eingesetzt und erhöht die Detektion von Darmpolypen erheblich. Eine Software scannt das hochauflösende 4K-Livebild und unterstützt so das geschulte Auge des Arztes.
Der immense Patientennutzen liegt dabei ganz klar in der Früherkennung. Darmkrebs im Anfangsstadium entdecken Dr. Schmidt und Co. Damit nur etwa bei jedem 200. Patienten, wohl aber bei jedem Dritten über 50 Jahren Adenome, die zu Tumoren mutieren können und deshalb mit einer Schlinge schnell und sicher entfernt werden.
Jürgen Schmidt verschwieg seinen Zuhörern nicht, dass bereits Versuche laufen, KI auf einem noch höheren Level einzusetzen, auf dem die Künstliche Intelligenz nämlich anstelle eines Arztes diagnostiziert, Medikamente verordnet oder einen OP-Roboter steuert – für viele der Vortragsbesucher eine Horrorvision. Auch der Chefarzt ist da äußerst skeptisch. Solche Entwicklungen, meint er, bergen „erhebliches Gefahrenpotenzial“.