„Ich war schon immer kreativ“, sagt Kirsten Niegel. Es habe sie so sehr „in den Fingern gejuckt“, dass sie sich nach ersten Erfolgen mit Seidenmalerei auf die Suche nach weiteren ansprechenden Materialien machte. In Seminaren und Fortbildungen entdeckte die immer Experimentierfreudige und stets Neugierige spannende Werkstoffe für ihre mannigfaltig abwechslungsreichen Kunstwerke. „Ich schüttle und spachtle, nutze Finger und Hände, Sand, Sumpfkalk und Marmormehl ebenso wie Pastellkreiden, Acryl und Öl in Wasser.“ Und sie taucht immer wieder neu in ihre Arbeit ein, wie Simone Dietz die Arbeitsweise der Malerin vorstellt: „Das Bild ist wie ein Kokon, nicht das, was sich die Künstlerin zunächst vorgestellt hatte“. Ganz weich und gar nicht kantig entwickle sich der monochrome Hintergrund, dann die enorme Vielfalt der Farben, welche den Raum füllen. Und beim ganz nahen Herantreten des Betrachters verändert sich die Thematik der Distanz. Jede Oberfläche entwickelt ihren ganz eigenen Charakter.
Für Ortsvorsteherin Karen Eßrich ist der Moment des Innehaltens, um die Schönheit des Augenblicks zu genießen, ein ganz besonderer, und damit die erste Ausstellung dieses Jahres im N6 auch ein besonderes Ereignis. „Ich bin immer wieder erfreut, überrascht, welche hervorragenden Grötzinger Künstler im N6 neu auftreten. Kirsten Niegel und ihr vielfältiges Werk sind ein ansehnliches Beispiel dafür. Der Titel der Ausstellung hört sich fast utopisch an, wir sehen uns derzeit tagtäglich konfrontiert mit Krieg, Rassismus, einer eskalierenden Klimakrise, einer Atmosphäre der Angst und einer Politik, die zu oft von Machtspielen geprägt ist. Diese Themen drücken schwer auf unsere Gemüter und stellen uns als Gesellschaft auf die Probe.“ Da erinnerten die Werke von Kirsten Niegel daran, dass wir uns nicht in der Schwere der Welt verlieren dürfen, sondern den Blick auch auf die kleinen, oft unscheinbaren Dinge richten sollten: den Duft einer Blume, das Spiel der Farben oder die Berührung des Lichts auf einer Leinwand.
Auf Kirsten Niegels Leinwänden formen sich durch verschiedene Grundierungen eigene Strukturen. Darauf zeigen sich bald Farben und Formen, die nicht sofort ihre endgültige Erscheinungsform bekommen. „Ich arbeite intuitiv, sehe, wie sich die Dinge entwickeln, denn es viel schöner, sich auf den Zufall einzulassen“. Ein schönes Beispiel: CrazieDaisy, die Ente, die alle Betrachter in ihren Bann zieht, wie die Künstlerin sagt, ist zunächst nur ein minimalistischer Strichvogel ohne Flügel, dann verleiht ihm Kirsten Niegel eine angedeutete Schwinge und schließlich setzt sie dem Tier noch ein goldenes Krönchen aufs Haupt. Der Kunstfreund kann innehalten und seinen angenehmen Gedanken mit einem Schmunzeln nachspüren: Hochadel aus Entenhausen oder Super Marios Prinzessin? Oder doch mehr?
Nicht auf Leinwand, sondern auf Holzgrund basiert Resin-Kunst, eine farbintensive Technik, der sich Kirsten Niegel zuletzt verschrieben hat. „Es war eine Stimmung, meine Begeisterung für Farben, die mich dazu brachte, dieses Epoxitharz zu verwenden. Nach ersten Versuchen legte ich die Technik wieder ad Acta.“ Dann traf sie auf einer der ersten Grötzinger Kulturmeilen einen Schreiner, einen Fachmann des Holzes und dessen Bearbeitung: Die Ergebnisse erfolgreicher Kreation explosiver Farbwunder zeigt sich im N6, titelgebend mit „Smell The Flower“.
„Kunst ist etwas Wunderschönes zum Entspannen, die Gedanken fließen zu lassen, der Zeit entbunden zu sein und sich nur mit seiner Kunst zu beschäftigen“, sagt Kirsten Niegel. Regina Fischer begleitete die Ausstellungseröffnung mit ihrem Saxophon ganz in diesem Sinne. Die Begrüßung von Ortsvorsteherin Karen Eßrich hört sich wie eine Zusammenfassung des Ereignisses an: „Diese Ausstellung ist mehr als eine Sammlung von Kunstwerken. Sie ist ein Aufruf, die Verbindung zu uns selbst, zu anderen und zu unserer Umwelt wiederzufinden. In jedem von uns liegt die Fähigkeit, Veränderung zu bewirken – durch Achtsamkeit, Kreativität und Menschlichkeit. Lassen Sie uns diesen Moment nutzen, um innezuhalten, zu genießen und neue Kraft zu schöpfen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit jedem Werk, das Sie betrachten, ein Stück Hoffnung und Freude mit nach Hause nehmen". (StS)
Die Ausstellung ist bis zum 23. Februar (bis auf 9.2.2025) sonntags von 14 - 18 Uhr geöffnet. Eintritt frei.