Aus den Rathäusern

„Kleine Menschen – großer Schmerz. Der Krieg und die Kinder“

Gedenkfeier zum Volkstrauertag Wie jedes Jahr im November gedachte am Sonntag, 17.11.2024, die bürgerliche Gemeinde gemeinsam mit der Ökumene und dem...
Schülerinnen und Schüler der Schlossschule...
Schülerinnen und Schüler der Schlossschule...

Gedenkfeier zum Volkstrauertag

Wie jedes Jahr im November gedachte am Sonntag, 17.11.2024, die bürgerliche Gemeinde gemeinsam mit der Ökumene und dem Sozialverband VdK in der Evangelischen Kirche den Opfern von Krieg und Gewalt. Der Gedenkgottesdienst zum Volkstrauertag unter der Leitung von Pfarrer Peter Rostan war wieder reichhaltig gestaltet: Den musikalischen Rahmen gestalteten der ukrainische Familienchor Welew sowie Aaron Feder von der evangelischen Kirche, der Grundschul-Chor der Schlossschule (Leitung Christina Katz und Annika Gebert) sowie auf dem Friedhof schließlich der Posaunenchor des CVJM (Leitung Sabine Ruggaber).

Zum Leit-Thema stellten Schülerinnen und Schüler der Schlossschule und der Merian-Gemeinschaftsschule ihre Gedanken vor, zum einen auf Grundlage der traurigen Geschichte von Wolfgang Borchert „Nachts schlafen die Ratten doch“, zum anderen zu den leidvollen Erfahrungen von Flucht und Verlust kindlicher und jugendlicher „displaced persons“. Unterstützt bei den Vorbereitungen und begleitet wurden sie von ihren Lehrkräften (Birgit Weinberger/Schlossschule sowie Simone Heuer/GMS). Auch die Leitungen der beiden Schulen – Katja Kruppa, Magnus Klinzing und seine Stellvertreterin Isabell Hörtig – waren dabei.

Pastor Welew berichtete aus den Kriegsgebieten der Ukraine von zwei Familien, die durch tödlichen Raketenbeschuss auseinandergerissen wurden.

Auch Pfarrer Rostans Kernaussage seiner Predigt drehte sich um die Verletzlichkeit der Kinder. Sie seien die eigentlichen Opfer der Kriege der Erwachsenen. Besonders hob er den aktuellen Raketenbeschuss aus Gaza und dem Libanon auf Israel sowie den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hervor und das damit verbundene Leiden der Kinder.

Für die Ökumene vertraten Alexander Pfäffle die Neuapostolische Kirche, Katrin Braun die ev.-methodistische Kirche, Pastor Alexander Welew die ukrainische Gemeinde in Gomaringen sowie Julia Harmening die Seelsorgeeinheit Steinlach-Wiesaz der katholischen Kirche.

(erste Gruppe = Merianschule, zweite Gruppe = Schlossschule)

Rede des Bürgermeisters zum Volkstrauertag (Auszüge)

Bürgermeister Steffen Heß bedankte sich bei den Anwesenden für ihre Begleitung der Gedenkfeier. In seinem Redebeitrag hatte er sich Gedanken gemacht über Situation von Kindern in Kriegen: „Ob in den europäischen Weltkriegen, in afrikanischen Staaten, im Ukraine-Krieg oder beim Überfall der Hamas auf Israel – IMMER und ÜBERALL sind und waren KINDER, und damit die Schwächsten und Kleinsten, die wehrlosesten Opfer. Ihnen wird, wenn nicht ihr kurzes Leben, so doch alles genommen: ihre Unversehrtheit und ihre Würde. Ihnen wurde und wird immer die Kindheit und oft die Zukunft geraubt, sei es durch

  • grausame körperliche und seelische Verletzungen,
  • Verschleppung,
  • lebenslange posttraumatische Störungen,
  • die Weitergabe solcher Belastungen durch die Eltern.

Diese Kinder verlieren ihre Zukunft bei ihren Familien, in ihrer Heimat; sie wuchsen und wachsen immer mit der Erfahrung der Gewalt an sich selbst, eventuell auch ihren Geschwistern oder Eltern auf. Aber auch mit der Erfahrung, dass Gewalt die einzige Lösung von Konflikten sei, egal welcher Art. Weltweit leben rund 470 Millionen Kinder in Konfliktgebieten, Tendenz steigend. 2022 wurden zumindest knapp 30.000 Verbrechen an Kindern dokumentiert. Sie konnten sich nicht wehren, sie wurden in die auslösenden Systeme hineingeworfen, seien es

  • die jugendlichen Soldaten der beiden europäischen Weltkriege,
  • die Kinder, die in autokratischen Staaten von klein an auf das System gedrillt werden und nur dessen Wahrheit als die Einzige erfahren,
  • die Kindersoldaten in afrikanischen Staaten,
  • die Kinder, die der IS rekrutiert, und die nichts anderes mehr erfahren als gehorsame, hasserfüllte Kämpfer für den ,Heiligen Krieg' zu werden – wie die FAZ vor Jahren berichtete: ,Die Terroristen lehren Kinder, andere Kinder zu kreuzigen'!
  • die Kinder, die Russland seit ihrem Einmarsch in die Ukraine dort in Umerziehungslager oder für russische Familien hat deportieren lassen,
  • die Babys und Kinder, die die Hamas am 7. Oktober 2023 mit den anderen Geiseln entführt, gequält und ermordet hat.

Und ergänzend bemerkt: Es sind nicht nur die Kriege, die Kinderleben fordern. In Deutschland etwa gehören kindliche Gewalt- und Missbrauchsopfer täglich zum Alltag der Polizei, dem Jugendamt, der Justiz.“

Jeder Mensch war doch selbst einmal Kind

„Schockierend“ fand es Heß, „und ich finde immer noch keine Worte dafür: Jeder Mensch hat doch eine Bindung oder zumindest ein (familiäres) Verhältnis zu Kindern! Der eingepflanzte, blinde Hass ist also stärker als solche Beziehungen und Bindungen, letztendlich auch zum eigenen Volk, das ja immer mit gefährdet wird. Man war doch auch selbst mal Kind!

Kinder sind das schwächste Glied in der Kette – sie sind körperlich und mental schwächer als ihre Peiniger, sie können sich nicht wehren und nicht davonlaufen. Man hat leichtes Spiel mit ihnen. Das hatte in allen Kulturen und Zeiten System, so wurden etwa auch Kinder als spätere Soldaten für das römische Reich ,eingesammelt'.“

Demokratie auch hier wichtig

Heß schlug den Bogen zur Demokratie: „Kinder in autokratischen Staaten, etwa auch im Nationalsozialismus, hatten praktisch keine Chance, die Werte der Demokratie zu erfahren. Wie ist es, wenn man nicht für das politische System missbraucht wird? Wenn schon das Elternhaus und die Familie keine Beziehung zur Demokratie und ebenfalls keine Chance dazu hatten – dann sind die Kinder immer die Opfer und werden es bleiben.“

Frieden beginnt bei den Kindern

Der Volkstrauertag sei längst nicht mehr nur ein Gedenktag für Vergangenes; entsprechend werde er in den letzten Jahren ja auch gestaltet. Dementsprechend wolle er aufrütteln und aufzeigen, wie gefährlich sich Dinge entwickeln können, wenn sich Demagogen gleich welcher Art durchsetzen: „Im Wissen um eine leidvolle Vergangenheit beobachten wir mit Sorge, wie skrupellos weltweit Positionen und Handlungen zunehmend rein ideologisch und für den eigenen Vorteil motiviert sind.“ Heß mahnte: „Will Europa als Friedensgarant bestehen und weiterhin eine führende Rolle spielen, muss auf allen Ebenen zusammengearbeitet werden. Der Staatenbund muss innen zusammenwachsen, um nach außen zu bestehen. Doch es scheint noch ein weiter Weg zu einem einigen Verständnis von europäischer Stabilität und Frieden zu sein.“

Ausdrücklich bedankte sich der Bürgermeister bei den Schülerinnen und Schülern der Merian-Gemeinschaftsschule und der Schlossschule für ihre Mitgestaltung. „Frieden beginnt bei den Kindern: So sind alle Generationen aufgerufen, für die Verständigung und eine friedvolle Zukunft einzutreten.“

In welcher Welt wollt Ihr in Zukunft leben?

Das Ende der beiden Weltkriege läge nun 106 bzw. 79 Jahre zurück. Warum sollte sich also Jugend heute noch daran „erinnern“? Eine schier unvorstellbar lange Zeit sei das, gemessen an der eigenen Lebensspanne. „Doch es stehen seit Jahren die Probleme der Kriegsfolgen an, die weder bei uns im Land noch in Europa als Staatenbündnis für alle zufriedenstellend gelöst sind. Wie sollen wir mit den aktuellen Kriegen und der weiter ansteigenden Anzahl von Flüchtlingen und der Integration umgehen?“ Aber gerade von der jüngeren Generation werde abhängen, wie es weitergeht. „Können wir weiter in Frieden und Freiheit und dem gegenseitigen Respektieren freier Meinungsäußerung leben? Welche Welt gebt Ihr mal den ‚kleinen Menschen’ weiter? In welcher Welt wollt Ihr in Zukunft leben?“

Würdiger Abschluss auf dem Friedhof

Nach dem Gottesdienst fand die Gedenkfeier einen würdigen Abschluss auf dem Friedhof, wohin die Grundschulkinder die Gottesdienstbesucher in einem Spalier mit weißen Rosen geleiteten. Die Blumen hatte traditionell der VdK zur Verfügung gestellt. Zwischen den Musikstücken des CVJM-Posaunenchors legte Bürgermeister Heß gemeinsam mit Sandra Hertha nach ihrer bewegenden Rede den traditionellen Gedenk-Kranz nieder.

Der Bürgermeister bedankte sich abschließend bei allen, die die Feier so engagiert mitgestaltet hatten, und auch bei den Besucherinnen und Besuchern: „Mit Ihrer Teilnahme bekunden Sie Ihren Respekt vor den Toten und Ihre Bereitschaft, immer wieder darüber nachzudenken, was wir heute gegen Krieg, Terror, Fluchtursachen und Gewalt tun können und sollten.“

Alle Bilder: Gemeinde Gomaringen

Erscheinung
Amtsblatt der Gemeinde Gomaringen
Ausgabe 48/2024
von Gemeinde Gomaringen
30.11.2024
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