Redaktion NUSSBAUM
74336 Brackenheim

Kluger Kopf aus Ottmarsheim

Der 200. Geburtstag des Adlerwirts Christian Friedrich Hermann wird mit einer Reihe von Veranstaltungen gefeiert Von Cosima Kroll Pionier der Landwirtschaft,...
Gästeführerin Katrin Held weiß viel über den berühmten Ottmarsheimer Sohn zu berichten
Gästeführerin Katrin Held weiß viel über den berühmten Ottmarsheimer Sohn zu berichtenFoto: Kroll

Der 200. Geburtstag des Adlerwirts Christian Friedrich Hermann wird mit einer Reihe von Veranstaltungen gefeiert

Von Cosima Kroll Pionier der Landwirtschaft, des Wein- und Obstbaus, des Hopfenanbaus und der Imkerei. Gastwirt, Pomologe, Önologe, Obst- und Weinproduzent, Bienenzüchter, Hopfenbauer, Rebmann – all das konnte sich Christian Friedrich Hermann, der in Ottmarsheim geboren, gelebt und gestorben ist, auf die Fahnen schreiben.

Dieser vielseitig interessierte und begabte Mann zählte zu den Landwirten, die Mitte des 19. Jahrhunderts mit praktischen Vorschlägen im Bereich der Landwirtschaft in Erscheinung traten. In Fachblättern von damals wurde sein Name im In- und Ausland häufig genannt.

Bereits im Alter von 8 Jahren verlor er seinen Vater und hatte schon in jungen Jahren Gelegenheit erhalten, in der bäuerlichen Wirtschaft Erfahrungen zu sammeln. Er besuchte zwar nur die Volksschule, doch konnte er aufgrund seiner natürlichen Veranlagung und einer bewundernswerten Willenskraft „durch unermüdliche Selbstschulung viel Wissen erwerben, sodass er später zu einem vielbeachteten Meister und Lehrer seines Berufes wurde“, wie im Landwirtschaftlichen Wochenblatt von 1891 zu lesen ist.

Christian Friedrich Hermann war ein typischer Autodidakt, der mit offenen Augen durch die Welt ging, die Natur aufmerksam beobachtete und daraus seine Schlüsse zog und alle Erkenntnisse, die er dann erfolgreich in seinem Betrieb anwandte, empirisch gewann. Sein Interesse galt sämtlichen Zweigen der Landwirtschaft. Bei der Viehhaltung hielt er die Tiere in einem Laufstall und hatte schon vor 150 Jahren in seinen Ställen einen Mittelgang gebaut, von dem er rechts und links Futter eingeben konnte. Er fütterte Langfutter, denn so ging nichts beim Häckseln verloren und entwickelte arbeitssparende Fütterungs- und Tränkmethoden. Beim Obstbau, Ackerbau und der Imkerei erkannte er den Vorteil des Rapsanbaus für die Bodenfruchtbarkeit. Er verbesserte Ackergeräte, nutzte den Zweischarpflug, womit er ein Feld in der Hälfte der Zeit pflügen konnte. Auch an anderen technischen Verbesserungen landwirtschaftlicher Geräte war er beteiligt. Angefertigt wurden diese von einem in der Nachbarschaft lebenden Schmied.

Am meisten beschäftigte ihn der Wein- und Hopfenbau. Dabei waren ihm besonders die zweckmäßigen Erziehungsarten beider Kulturen wichtig. Im Weinbau erkannte er frühzeitig, dass die sonst übliche Erziehungsart am Stock bis auf wenige steile Lagen unpraktisch, aufwendig und unergiebig war, weshalb er mit Drahtanlagen in verschiedenen Variationen experimentierte. Ebenso innovativ war er auch beim Schnitt und dem Veredeln des Weinstocks. Die Erfolge waren deutlich an den Öchslegraden des Leseguts abzulesen.

Am bekanntesten wurde Hermann jedoch durch ein neues System im Anbau von Hopfen mit der nach ihm benannten Hermannschen Drahtanlage. Durch ihre geringe Höhe und ausgeklügelte Pflanzabstände wurde die Arbeit vereinfacht und erleichtert, der Ertrag wurde nicht geringer und die Anfälligkeit gegen Pilzkrankheiten und Schädlinge verringert. Leider wurde dieses System in Bayern – im Hauptland des Hopfenanbaus – nicht übernommen, da die Bayern keine württembergischen Errungenschaften umsetzen wollten.

Durch seine Theorien und neuesten Erkenntnisse, die er in Fachblättern veröffentlichte und in Vorträgen seinen Berufskollegen unentgeltlich zukommen ließ, wollte er sein Wissen weitergeben. Es ging ihm darum, den Anbau zu vereinfachen, rationeller und ertragreicher zu machen. Sein Wissen war so groß, dass selbst Dozenten der Universität Hohenheim ihn in Ottmarsheim besuchten, um von ihm zu lernen. Bereits zu Lebzeiten Christian Friedrich Hermanns wurde seine Gastwirtschaft Adler mitsamt dem Musterbetrieb „Klein-Hohenheim“ genannt. Nicht ohne Stolz sagte er einmal: „Ich muss nicht nach Hohenheim, Hohenheim kommt zu mir“.

Fortschrittlich und vor allem auch uneigennützig war sein Vorgehen, weshalb er auch einige Auszeichnungen erhielt. Bereits zu Lebzeiten wurden seine Verdienste anerkannt, was viele Medaillen und Urkunden belegen, die er erhielt. 1870 erhielt er die silberne landwirtschaftliche Medaille „durch höchste Entschließung seiner Majestät des Königs“. Sein „Käsberger“ war so gut, dass der Adlerwirt als „weinberühmt“ galt und bei einer Pariser Ausstellung 1867 eine goldene Medaille erhielt.

„Das kollektive Gedächtnis in Bezug auf Christian Friedrich Hermann ist zwar nicht mehr auf dem neuesten Stand“, erzählt Gästeführerin Katrin Held. Sie informiert jedoch bei ihren Dorfrundgängen in Ottmarsheim und auch bei ihren Gästeführungen in Besigheim über den berühmten Ottmarsheimer Sohn und schickt auch gerne Materialien an Interessierte. Viele seiner damaligen Errungenschaften sind heute gang und gäbe, wie beispielsweise der Laufstall oder die Fütterung vom Mittelgang aus. Der Zweischarpflug hat sich zum Mehrscharpflug weiterentwickelt und die Erziehung der Reben an Drahtanlagen ist beim Weinanbau nicht mehr wegzudenken.

Ende Oktober 2024 kehrte das Grabmal Christian Friedrich Hermanns nach der zweiten Sanierung (die erste fand zum 100. Todestag im Jahr 1991 statt) zurück auf seinen Platz, sodass es auch anlässlich des 200. Geburtstags besucht werden kann. Der Geburtstag wird mit einer Festwoche, an der sich Vereine, die örtliche Grundschule, aber auch Privatleute beteiligen, vom 11. bis 19. Januar gefeiert. Geplant sind eine Bierverkostung bei der Braubruderschaft Besigheim, eine Glühweinwanderung zur Käsbergkanzel, ein Sektempfang mit Vierer-Weinprobe, eine Samstagabendveranstaltung mit fetziger Musik, Brotzeit, Bier und Bar sowie eine Feier am Sonntag mit Gottesdienst, Festrede und Kinderprogramm sowie herzhaftem Wildragout aus heimischer Jagd mit Spätzle, wobei ein Gläsle des Festweins, natürlich ein Käsberg-Trollinger, nicht fehlen darf.

Erscheinung
Zabergäu-Leintal-Anzeiger
Ausgabe 48/2024

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26.11.2024
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