Alte Standards mit gewagten Dissonanzen

Kneipenjazz mit "Steffen Weber and friends" in Schwetzingen

Freudige Aufregung war im Freundeskreis der Jazzinitiative zu spüren, da sich für das kleine Konzert im „Grünen Baum" Steffan Weber angekündigt hatte.
Steffen Weber and Friends zwischen Tradition und freimütiger Improvisation
Steffen Weber and Friends zwischen Tradition und freimütiger ImprovisationFoto: Rita Weis

Der ausgezeichnete und vielseitige Saxofonist ist ein international erfolgreicher Profi, Mitglied großer renommierter Bigbands, aktuell als Erster Tenorsaxophonisten der hr BigBand und damit einer der großartigsten deutschen Bigbands überhaupt.

Steffen Weber hatte drei Freunde mitgebracht: Den Bassisten Mario Angelov, gerne Vertreter des modernen und zeitgenössischen Jazz, den Gitarristen Riaz Khabipour, ein Meister der leisen und melodischen Töne, der auch laut kann, und der vielseitige Schlagzeuger Holger Nesweda.

Impro und Standards

Auf dem Programm des Quartetts standen frische, reichhaltige Improvisationen alter Jazzstandards, inklusive gewagter Dissonanzen, die sich immer wieder auch in Wohlgefallen auflösten.

Der Gig begann mit „I’ll be seeing you“, einem Popsong aus dem Jahre 1938, von dem es zahlreiche Versionen wie von Frank Sinatra, Iggy Pop/Françoise Hardy und Norah Jones gibt; damit es nicht gemütlich wird, würzte Holger Nesweda den Song mit einem kräftigen Schlagzeugsolo.

Solisten

Ebenfalls ein älteres Stück ist „I remember April“ des Filmkomponisten Gene de Paul, das in seiner Anfangszeit relativ unbeachtet blieb, dann aber verstärkt in das Repertoire jüngerer Bands aufgenommen wurde und heute zum Standard von Jazzbands gehört; Steffen Weber und Mario Angelov zeigten Können und Spielfreude bei ihren Soli, durch die sie sich den Oldtimer zu eigen machten.

A propos Soli: Ein hervorragendes Solo präsentierte Steffan Weber bei der schönen, langsamen Ballade „Peace“ von Horace Silver, in dem er die komplette Bannbreite seines Tenorsaxofons brillant nutzte und Gänsehaut pur hervorrief.

Vorzüglich war auch das letzte Stück vor der Pause, „Recorda me“ des Saxofonisten Joe Henderson; er hatte diese Hard Bop Komposition mit einem Bossa-Nova Rhythmus unterlegt und auf seinem Debütalbum „Page One“ im Jahr 1963 vorgestellt. Dem brasilianischen Flair nachspürend brillierte Gitarristen Riaz Khabipour bei seinem Solo.

Von Profis und Newcomern

Wie üblich folgte nach dem etwa einstündigen Konzert und einer kleinen Pause die Jam Session; verschiedene Musiker (es waren diesmal nur Männer!) kamen hinzu. Es war kein ganz leichtes Unterfangen nach der hohen Professionalität des Quartetts um Steffen Weber.

Gespielt wurden Standards: „Summer Samba“, „All the things you are“, „There will never be another you“. Abwechselnd übernahmen Peter Laux und Christian Maurer das Schlagzeug. Saxofonist Thomas Groß dialogisierte mit dem Saxofonisten Tommy Engelhardt, dem man öfters beim Kneipenjazz lauschen darf. Wolfgang von Göns spielte Keyboard.

Profis

Besucher Fritz Heiek traut sich nach einigem Überlegen, den Bass zu bedienen – und tat das richtig gut; er ist übrigens Keyboarder bei der Beatles Revival Band. Im Laufe des Abends kamen auch zwei Sänger auf die Bühne; so sang Achim Schliebe die beiden Hits „Bye-bye Blackbird“ und „Georgia on my mind“, und Andreas Rimello, Entertainer und Spezialist für italienische Canazoni, interpretierte „Fly me to the Moon“.

Es waren noch ein paar Minuten Zeit, und Steffen Weber and Friends kamen nochmals zurück auf die Bühne. Sie intonierten zum Abschluss „Milestones“ von Miles Davis; das ist ein relativ eingängig klingendes, aber hochkomplex strukturiertes Stück.

Nach zwei Stunden war der Ausflug in die Welt des Jazz beendet. Draußen eröffnete sich eine ganz andere Welt: Fußball-Europameisterschaften mit Public Viewing gegenüber dem „Grünen Baum“; die Türkei hatte gerade ihr zweites Tor gegen Österreich geschossen, und die Zuschauer*innen auf dem Schlossplatz hatten ihren eigenen Grund zum Jubeln. (rw)

Steffen Weber nutzt die komplette Bannbreite seines Tenorsaxofons
Steffen Weber nutzt die komplette Bannbreite seines Tenorsaxofons.Foto: Rita Weis
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