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Königlicher Finanzbeamter und Mundartdichter

In Hohengehren gibt es zwei Straßen, die nach Personen benannt sind, auf die die Gemeinde stolz ist, eine ist die Friedrich-Greiner-Straße in der Ortsmitte....
Straßenschild Friedrich Greiner-Straße
Straßenschild Friedrich Greiner-StraßeFoto: Alfred Hottenträger

In Hohengehren gibt es zwei Straßen, die nach Personen benannt sind, auf die die Gemeinde stolz ist, eine ist die Friedrich-Greiner-Straße in der Ortsmitte. Von dem Namensgeber wird den allermeisten in dem Ort Lebenden lediglich das bekannt, was als Zusatz auf dem Straßenschild vermerkt ist: Greiner wurde 1858 in Hohengehren geboren und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Er war ein Heimatdichter und verfasste viele Gedichte über das Leben in seinem Geburtsort in der Zeit um 1900. Er verstarb kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Auch das Internet, die primäre und für viele Menschen auch einzige Informationsquelle unserer Tage, bietet so gut wie keine weitergehenden Angaben zu ihm, sodass die Hilfe des Heimatbuches von Erwin Mauz und verschiedener Archive in Anspruch genommen werden musste, um ein einigermaßen klares Bild seines Lebens zu erhalten.

Michael Friedrich Greiner wurde am 13. März 1858 unehelich in dem kleinen Schurwaldort geboren und eine Woche später getauft. Von seinem leiblichen Vater ist nichts bekannt. Seine Mutter war die damals 24-jährige Friederike Greiner, die etliche Jahre später am 28. Oktober 1872 in Hohengehren mit dem Bauern und Weber Friedrich Waldenmaier aus Thomashardt die Ehe einging. Friedrich verlebte seine Kindheit in dem Dorf und kam wohl als Jugendlicher nach Stuttgart. Dass er Militärdienst leistete, lässt eine Eintragung in der Geburtsurkunde seiner erstgeborenen Tochter Gertrud vom September 1890 vermuten: Greiner wies sich nämlich vor dem Standesbeamten „durch den vorgelegten Militär-Pass“ aus. Er heiratete am 15. November 1889 in Lorch die 29-jährige aus Hegnach stammende Marie Friederike Wilhelmine Bothner, Tochter eines Forstschutzwächters. Das Paar lebte von 1889 bis 1898 in Heilbronn, dort war Greiner Hauptzollamtsassistent. Seine Gattin brachte Anfang der 90er Jahre drei Kinder, zwei Mädchen und einen Jungen, zur Welt: am 23. September 1890 Gertrud Sofie Luise, am 30. April 1892 Maria Martha und am 24. Mai 1893 Hermann Albert Friedrich.

Ab den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts begann Greiner auch seine in schwäbischer Mundart verfassten Gedichte und Erzählungen zu publizieren, mitunter auch im Selbstverlag. Die Veröffentlichungen reichen bis in die Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg, sie finden sich neben Manuskripten und Briefen im Deutschen Literaturarchiv Marbach. Seit Beginn des darauffolgenden Jahrhunderts war der Lebensmittelpunkt des Ehepaars die Landeshauptstadt Stuttgart laut der Einträge in den Adressbüchern der Jahre 1901 bis 1943. Demzufolge wohnten die Eheleute zuerst einige Jahre in der Gutenbergstraße 106, dann dreieinhalb Jahrzehnte in der Johannesstraße 56. Greiner war als Beamter zunächst als Hauptzollamtsassistent, dann als Oberkontrolleur und seit 1906 als Registrator beim Königlich Württembergischen Steuerkollegium, einer staatlichen Behörde für die Verwaltung und Erhebung der Steuern, tätig und brachte es am 14. Februar 1916 zum Kanzleirat.

1914 wurde das Jahr, in dem sich der Konflikt auf dem Balkan Ende Juli zu einem weltweiten Krieg entwickelte. Am Anfang jenes schicksalhaften Jahres starb am 27. Januar auf dem Schurwald Friedrich Waldenmaier, der Ehemann von Greiners Mutter. Er war neben seiner bäuerlichen Arbeit auch Feld- und Waldschütz, Maus- und Maulwurffänger sowie Leichenschauer gewesen. Nach dem Tod ihres Gatten zog die Witwe am 26. März nach Stuttgart zu ihrem Sohn in die Johannesstraße, um dann aber ab Anfang September im Krankenasyl Bethanien in Winterbach die letzte Lebenszeit zu verbringen. Sie starb dort am 27. Mai 1918 an „Altersschwäche“ und wurde drei Tage danach am Nachmittag in ihrem Geburtsort Hohengehren bestattet.

Wenige Wochen nach Kriegsbeginn kam Trauer in die Familie, denn der einzige Sohn Hermann fiel bereits am 22. August 1914 beim Vormarsch der deutschen Truppen in Belgien. Er hatte im Herbst 1912 das Theologiestudium an der Tübinger Eberhard-Karls-Universität begonnen und war in den Semesterverzeichnissen bis 1914 als Seminarist eingetragen. Der Vizefeldwebel der Reserve in der 4. Kompanie des 5. Württembergischen Grenadier-Regiments Nr. 123 „König Karl“ (mit Garnison in Ulm) erlitt beim belgischen Bleid eine so schwere Verwundung, dass er an ihr verstarb.

Friedrich Greiner besuchte während seines Lebens mitsamt seiner Familie oft seinen Geburtsort Hohengehren. Er suchte dabei auch regelmäßig die mit ihm verwandte Familie Neef auf, die einen Lebensmittelladen im Dorf besaß. Eine Fotografie aus dem Jahr 1923 zeigt ihn anlässlich der Vermählung Karl Wilhelm Neefs mit Hedwig Grau am 17. November jenen Jahres.

Schon vor der sog. „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialisten war Greiner seit dem 1. Januar 1930 im Ruhestand und damit nicht mehr direkt vom „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 betroffen. Im Fragebogen anlässlich der „Entnazifizierung“ gab er am 26. Februar 1946 an, kein Mitglied der NSDAP, aber in der NSV (seit dem 1. Juni 1934) und im „Reichsbund der deutschen Beamten“ (seit dem 1. November 1936) gewesen zu sein. 1939 sei er der Glaubensbewegung der „Deutschen Christen“ beigetreten, der Strömung innerhalb der evangelischen Kirche unter dem „Reichsbischof“ Ludwig Müller, die den Protestantismus der nationalsozialistischen Weltanschauung anzugleichen versuchte. Er habe in den Jahren 1939 bis 1944 der Stuttgarter Schloßkirchengemeinde angehört, dann aber (wieder) der Evangelischen Landeskirche. Greiner trug im Fragebogen auch ein, er habe in der Zeit ab 1923 keine Reden gehalten oder Veröffentlichungen veranlasst. Greiners Ehefrau starb am 28. Februar 1944 in Stuttgart, er selbst wurde im letzten Kriegsjahr „von Stuttgart evakuiert“, denn die bisherige Wohnung in der Landeshauptstadt galt als „totalgeschädigt“. Bei den schweren Luftangriffen im Jahr 1944 waren auch weite Teile der Johannesstraße zerstört worden. Am 16. Oktober 1944 zog Greiner zusammen mit seinen beiden Töchtern zunächst nach Reutlingen in die Herderstraße 23 und von dort am 1. März 1945 nach Pfullingen in die Weinbergstraße 6. Sein Leben endete kurz vor Weihnachten am 18. Dezember 1946 im Alter von 88 Jahren in Pfullingen. Über den Werdegang seiner beiden ledig bleibenden Töchter konnte immerhin Folgendes in Erfahrung gebracht werden: Gertrud war Kindergärtnerin, Martha Oberschullehrerin geworden. Nach dem Tod des Vaters zogen sie innerhalb Pfullingens um, der Wegzug aus der Kleinstadt erfolgte in der ersten Hälfte der 50er Jahre. Martha lebte laut einer Meldekarte in Stuttgart-Vaihingen und starb dort am 29. Juni 1964, Gertrud am 9. Juli 1971 in Winterbach, wurde dort aber offenbar nicht bestattet.

Der Gemeinderat Hohengehrens wählte Anfang Januar 1957 auf Vorschlag des Oberlehrers Erwin Mauz für die damalige Gaisgasse von der Hauptstraße bis zur alten Volksschule den Namen Friedrich-Greiner-Straße. (auh)

Friedrich Greiner (rechts hinten) bei der Hochzeit von Karl Neef 1923
Friedrich Greiner (rechts hinten) bei der Hochzeit von Karl Neef 1923.Foto: Karl-Heinz Neef
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