Kommentar: Erfolg ist kein Sprint …

Von Joachim Klaehn

Nach den phänomenalen Playoff-Serien gegen die NINERS Chemnitz (3:1 im Viertelfinale) und den FC Bayern Basketball (1:3 im Halbfinale) herrscht bei den Verantwortlichen der Universitätsstädter unverändert rege Betriebsamkeit. Es gilt den Kader für die ab September startende 60. Spielzeit der easyCredit Basketball Bundesliga zusammenzustellen.

Begehrlichkeiten auf allen Seiten

Sportlicher Erfolg schafft Begehrlichkeiten auf allen Seiten – bei den Klubs, den Spielern und vor allem auch deren Agenten. Von der erstmaligen Halbfinal-Teilnahme seit knapp 50 Jahren hat Heidelberg profitiert. Der Stellenwert der MLP Academics ist signifikant gestiegen. Bereits frühzeitig konnten die Verträge mit Center Osun Osunniyi und Modellathlet Michael Weathers bis 2026 verlängert werden, die deutschen Profis Paul Zipser, Marcel Keßen, Mateo Seric und Erol Ersek tragen ebenfalls weiterhin das Halbärmel-Trikot der MLP Academics, was Identifikation und Glaubwürdigkeit schafft. Und dass mit Playmaker DJ Horne der zweitbeste Scorer an Bord bleibt, ist als echter Coup zu werten. Dies belegt mit Nachdruck, dass sich der Traditionsstandort im Südwesten Deutschlands zu einer lukrativen BBL-Adresse entwickelt hat. Mit Michael Weathers‘ Zwillingsbruder Marcus (27 Jahre, Trefl Sopot/Polen) und dem deutsch-amerikanischen Guard Kevin McClain (28 Jahre, Gießen 46ers) stehen darüber hinaus zwei spannende Neuzugänge fest.

Erfreuliches Signal

Dank der genannten Personalien hat Basketball-„Highdelberg“ frühzeitig die Weichen gestellt und ein Grundgerüst für das Team um Headcoach Danny Jansson geschaffen. Elf Profis („Evergreen“ Niklas Würzner und den Karlsruher „Rohdiamanten“ Dominic Vengert eigerechnet) im Juni und in der Frühphase der Offseason vorweisen zu können, ist ein rundum erfreuliches Signal für die Weiterentwicklung des BBL-Überraschungsteams von 2024/2025.

London is calling

Im Falle von Ryan Mikesell und Bakary Dibba sind in Bezug auf die Vertragsverhandlungen die Ampeln nicht auf Grün geschaltet gewesen. Für Kapitän, Most Valuable Player (MVP) und Topscorer Ryan Mikesell standen nach einer beeindruckenden Saison die Türen von namhaften Vereinen im In- und (zahlungsstärkeren) Ausland offen. London is calling: Mikesell sowie dessen Management haben sich für das Zukunftsprojekt der Lions entschieden. Nach anfänglich turbulenten Jahren wurden die „Löwen“ 2020 von dem in Miami ansässigen Investment-Unternehmen „777 Partners“ gekauft. Nun haben die Geldgeber große Pläne: Eine 10.000 Zuschauer fassende Arena soll im Osten der Metropole gebaut werden. Mittelfristig träumen die Lions, die in der kommenden Spielzeit im EuroCup antreten werden, sogar von einer EuroLeague-Teilnahme. Und selbstverständlich ist gerade London für die Europa-Visionen der global denkenden Marketing-Maschine NBA ein höchst interessantes Pflaster. Zumal Tautvydas Sabonis (Zalgiris Kaunas), 33-jähriger Sohn der litauischen Basketball-Legende Arvydas Sabonis, als neuer Headcoach an der Themse gehandelt wird.

Finanziell kann und will da Heidelberg nicht mithalten, auch wenn die Premiere in der Champions League bevorsteht und man eine smarte Führungspersönlichkeit wie den 28-jährigen Allrounder Ryan Mikesell bestens hätte gebrauchen können.

Bakary Dibba zu CB Breogán

Der Wechsel von Bakary Dibba, der seine Ausstiegsoption gegenüber den MLP Academics gezogen hat, kommt für die Heidelberger Fans eher unerwartet. Der 23-jährige Däne hatte sich - als BBL-Rookie und 2,06 Meter großer Forward mit viel Potenzial - mit seiner spektakulären und frechen Spielweise in die Publikumsherzen „gezockt“. Dibba schließt sich Club Baloncesto Breogán an, einem Verein aus der ersten spanischen Liga ACB, der in Lugo zu Hause ist. Die „Himmelblauen“ tragen ihre Heimspiele in der Arena Pazo dos Deportes (Kapazität 6.500 Besucher) aus und sind 2021 in die ACB aufgestiegen. „Breo“ (so ihr Spitzname) wird vom Molkerei-Unternehmen Leche Río gesponsert.

Während der frisch vermählte Mikesell ohne Wenn und Aber reif für die Insel und die englische Eliteliga ist, hegen Experten bei Dibba Zweifel, ob der Sprung in die nach der NBA zweitbeste Liga der Welt etwa nicht einen Tick zu früh kommt. Letztendlich hat sich der gebürtige Kopenhagener nach einer vielversprechenden Saison am Neckar für eine neue Herausforderung und einen wesentlich höher dotierten Vertrag in der ältesten Stadt Galiciens entschieden. Somit folgt der athletische Schlaks dem während der vergangenen Saison abgewanderten Combo-Guard Alex Barcello (Obradoiro CAB) aus Santiago de Compostela auf die spanische Halbinsel. Breogán und Obradoiro sind quasi Nachbarschaftsrivalen.

Auf dem richtigen Weg

Erfolg ist gewöhnlich kein Sprint, sondern ein Marathon. Die Abgänge von Ryan Mikesell und Bakary Dibba mögen schmerzhaft sein, doch sie ändern grundsätzlich nichts am konsequent eingeschlagenen Weg der MLP Academics. „Ryan war maßgeblich für unseren Erfolg im vergangenen Jahr. Ihn zu ersetzen, wird eine der Hauptaufgaben für die Offseason und die kommende Spielzeit“, sagt Alex Vogel, der Sportliche Leiter, folgerichtig. Vogel lobt explizit auch Dibba für „seine Professionalität, seinen Siegeswillen und seine positive Ausstrahlung“.

Die Suche nach Nachfolgern für Ryan Mikesell und Bakary Dibba hat - schon länger - begonnen. Jetzt haben alle Beteiligten Gewissheit, dass noch mindestens zwei, drei starke und neue Spieler die Jungs vom Neckar vervollständigen sollten, um weiter auf der Erfolgswelle zu surfen.

Kader der MLP Academics (Stand 23. Juni): Niklas Würzner, Dominic Vengert, Osun Osunniyi, Michael Weathers, Erol Ersek, Mateo Seric, Marcel Keßen, Paul Zipser, DJ Horne; Neuzugänge: Marcus Weathers (Vertrag bis 2026, vorher Trefl Sopot/Polen), Kevin McClain (Vertrag bis 2027, vorher Gießen 46ers); Abgänge: Ryan Mikesell (London Lions), Bakary Dibba (CB Breogán/Spanien).