Italien 2022, 97 Minuten
OmU (sizilianisches Italienisch) | FSK: ab 16
Regie & Buch: Marta Savina
Kamera: Francesca Amitrano
Schnitt: Paola Freddi
Musik: Yakamoto Kotzuga
Produktion: Virginia Valsecchi (Capri Entertainment)
DarstellerInnen: Claudia Gusmano, Fabrizio Ferracane, Francesco Colella, Dario Aita
1966 schrieb die Sizilianerin Franca Viola italienische Justizgeschichte, indem sie ihre Vergewaltiger und Entführer vor Gericht brachte.
Am Stephanstag 1965 war sie vom Sohn des örtlichen Mafiapaten entführt worden. Dieser hatte ein Auge auf sie geworfen, wurde von ihr jedoch abgewiesen. Anschließend berief er sich auf das im italienischen Strafrecht verankerte Prinzip der „matrimonio riparatore“ (Wiedergutmachungsehe), gemäß dem eine Vergewaltigung straffrei bleibt, wenn der Täter sein Opfer anschließend heiratet. Um die Freilassung der Tochter zu erreichen, ging ihre Familie zum Schein auf das Angebot einer Verheiratung ein, nach ihrer Freilassung brachte die junge Frau die Vergewaltigung und Entführung jedoch zur Anzeige. Ein Verhalten, welches die absolute Ausgrenzung der Familie in ihrer sizilianischen Heimatstadt zur Folge hatte. Die unverbrüchliche Einheit aus Kirche (dem örtlichen Pfarrer), Patriarchat (Polizei und Bürgermeister) sowie der Mafia sorgte dafür, dass die gesamte Familie von nun an wie Aussätzige behandelt wurden. Der Zugang zur Sonntagsmesse wurde vom Pfarrer verweigert, die Äcker der Familie niedergebrannt, und die örtliche Polizei erklärte offen, dass es nicht zu ihren Aufgaben gehöre, die Familie zu schützen. Doch nach einem für das Opfer absolut entwürdigenden Prozess wurden die vier Täter im Herbst 1966 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt – erstmals hatte sich eine Frau gegen die „matrimonio riparatore“ gewehrt.
All dies ist die Geschichte, welche Marta Savina in ihrem Spielfilm-Debut erzählt. Gelegentlich erlaubt sie sich leichte Veränderungen, und auch die Figuren im Film tragen andere Namen als ihre tatsächlichen Vorbilder, doch im Wesentlichen folgt der Film den damaligen Ereignissen.
Der Fall der Franca Viola führte tatsächlich zu einer Diskussion über das italienische Strafrecht und schließlich wurde die „Wiedergutmachungsehe“ abgeschafft – 15 Jahre später – 1981(!). Franca Viola heiratete wenige Jahre später einen Jugendfreund. Sie lebt noch heute – hochbetagt – mit mehreren Kindern und Enkeln in Sizilien. Seit ihrem Prozess 1966 ist sie nicht mehr öffentlich aufgetreten.
(Richard Hehn)
Dieser Film wird am 06.08.2025 ebenfalls im guckloch Kino in Villingen gezeigt.