Bei einer Ankündigung wie dieser dürften eigentlich die Wenigsten meinen, dass es sich bei diesem Event um ein weiteres Highlight des internationalen „Kraichgau Jazzfestivals“ handelt, das von Thomas und Beate Biel ins Leben gerufen wurde und in diesem Jahr bereits zu 25. Mal als feste Größe im Kalender steht. Kenner wissen natürlich, dass es sich bei „Quadro Nuevo“ aus München um eine mit 13 German Jazz Awards und zwei Echos ausgezeichnete Band handelt, die sogar erste Plätze in den World Music Charts erreichte und seit ihrer Gründung 1996 eine Tonpoesie entwickelte, die in keine Genre-Schublade passt. Biel hielt seine Ankündigung von „Etwas ganz Besonderem“ deshalb denkbar kurz, und das zahlreich erschienene Publikum im ausverkauften Haus begrüßte die vier Musiker mit tosendem Applaus.
Diese zogen das Publikum sofort mit Sambaklängen als Mitbringsel von der jüngsten Brasilienreise in ihren Bann, zu denen natürlich auch ein „Caipirinha“ gehörte. Der Saxofonist Mulo Francel, der sich das Instrument einst autodidaktisch aneignete, führte humorvoll und kurzweilig durch den Abend und auf eine Weltreise, die danach sofort zum Tango nach Argentinien führte. Andreas Hinterseher zeigte am Bandoneon die Seele dieser Musik und die Besucher, die am Vorabend schon das klassische Konzert im Sigelsaal genossen hatten, konnten bei „Por una Cabeza“ von Carlos Gardel nahtlos an den Tango anknüpfen. Mit „Per il mio amore“, aus den frühen Jahren der Band, das auf expliziten Wunsch der Gastgeber auf einer Chinareise gespielt wurde, entführte die Besucher regelrecht in eine andere Welt, und so gaben sich viele oft mit geschlossenen Augen den Klängen hin. Wer die Bandgeschichte kennt, erinnert sich an den Ausnahmegitarristen und Gründungsmitglied Robert Wolf, von dem diese Komposition stammt. Er verstarb 2015, nachdem er sechs Jahre lang nach einem unverschuldeten Autounfall querschnittsgelähmt gewesen war, und es ist wunderbar, dass er mit diesem und anderen musikalischen Juwelen weiterlebt.
Faszinierend auch, welche Klänge DiDi Lowka mit dem Bogen streichend, klopfend oder schlagend aus dem Korpus des Kontrabasses herauszuholen vermag. Endlos hören können hätte man „Yorke’s Guitar“, eine vom Pianisten Chris Gall dem Gitarristen Thome York auf den Leib geschriebene Komposition, und nicht umsonst gehört der mit dem Platin Jazz Award der deutschen Phonoindustrie ausgezeichnete Musiker zu einem der besten deutschen Pianisten der Gegenwart. „Erotiko“ auf der blutrot beleuchten Bühne war ein Fundstück vom griechischen Strand, und mit dem Titel „7 zu 1“ rührten die „Gringos“ die Brasilianer wahrscheinlich nicht nur wegen der „Samba de Côco-Rhythmen“ zu Tränen. Gemeinsam ging es auf die malerische brasilianische ehemalige Gefängnisinsel „Ilha Grande“ bei Hintersehers sanften Akkordeonklängen und Francel an der Klarinette.
„Fuego“ war eine Hommage an Hintersehers agilen Großvater, und „Faktencheck“ ein brandneues Stück, das sich einem verrückten Machthaber in Übersee widmete. Eine Musik, die sich zurecht als Weltmusik bezeichnet und die von vielen Begegnungen erzählt, riss das Publikum immer wieder zu Begeisterungsstürmen hin. „Ich habe einmal eine Hochzeit in Aserbaidschan erlebt, und die faszinierende orientalische Musik hat mich regelrecht dorthin zurückversetzt“, schwärmte die Georgierin Nona Tsadzke, die sich die CD „Cairo Steps“ in der Pause im bestens sortierten „Kaufladen“ der Band kaufte. Dr. Peter Wiedmann hingegen setzte auf Vinyl, das ebenfalls vorhanden war. Das FeG-Team sorgte für beste Bewirtung an der Bar, und der Gemeindesaal mit seiner tollen Akustik und Technik hatte schon im letzten Jahr bei Hattler bewiesen, dass dieser bestens als Jazz-Lokation taugt. Zumal hier doppelt so viele Besucher Einlass finden, wie im zuvor genutzten Sigelsaal. Birgit Rösner kannte die Band über Freunde aus Bayern schon seit vielen Jahren und besuchte schon Konzerte im pfälzischen Worms oder auf dem hessischen Auerbacher Schloss.
Unglaublich, was Quadro Nuevo als geniale Zugabe noch aus dem Mozart-Stück „Bona Nox“ machte. Obwohl die Band nicht, wie Biel scherzhaft sagte, um 22 Uhr im Bett sein wollte, konnte man nach dieser Weltreise noch einen Fußballabend mit der UEFA Nations League anschließen. Möglich wird das Kraichgau Jazzfestival durch viele Sponsoren, zu denen neben Kommunen wie Bad Schönborn auch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg gehört. (cm)