Schon in früheren Ausgaben berichtete der Kraichtalbote, dass sowohl EnBW als auch JUWI beim Gemeinderat für den Bau von Windrädern angefragt haben. Am 13. Februar findet eine Informationsveranstaltung zu dem Thema in der Mehrzweckhalle in Unteröwisheim statt, in naher Zukunft soll auch im Gemeinderat darüber abgestimmt werden. Doch was genau hat es damit auf sich? Was müssen Kraichtaler wissen?
Windkraft in Kraichtal ist kein neues Thema. Der Gemeinderat beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema, schon 2020 hatte die Energiegenossenschaft Prokon Interesse gezeigt. Zudem gab es in Kraichtal letztes Jahr schon eine Informationsveranstaltung der EnBW am 30. September und eine der JUWI am 13. Dezember – das sind die beiden Interessenten für das Projekt, das momentan zur Debatte steht.
Der Regionalverband Mittlerer Oberrhein hat in Kraichtal neun Vorranggebiete an den Gemeindegrenzen ausgewiesen, der Teilregionalplan befindet sich aber – das ist sehr wichtig – noch in der Vorprüfungsphase. Der Regionalverband prüft die Gebiete noch anhand eines langen Kriterienkatalogs, der über 100 Kriterien zur Auswahl potenzieller Flächen (z. B. Artenschutz, Abstand zu Wohngebieten etc.) enthalten soll. Erst im September 2025 gibt es Gewissheit darüber, ob in Kraichtal gebaut werden darf und soll. Die Chancen stehen aber laut mehreren Beobachtern sehr gut.
Laut dem Windenergieflächenbedarfsgesetz des Bunds sollen in Baden-Württemberg mindestens 1,8 Prozent der Flächen für Windkraft genutzt werden. Die JUWI hat letztes Jahr schon einen Vertrag zum Windkraftausbau mit der Nachbarstadt Bruchsal geschlossen, die Windräder sollen hier ab 2031 in Betrieb gehen. Auch im Gemeindegebiet Kraichtal herrschen ideale Voraussetzungen; die ausgewiesene Projektfläche in den Wäldern bei Oberacker und Oberöwisheim verfüge nämlich laut dem 2019 veröffentlichten Windatlas Baden-Württemberg in ausreichender Höhe über eine gute „Windhöffigkeit“. Hier weht also guter und starker Wind.
Die Situation ist nun wie folgt: Sowohl EnBW als auch JUWI, eine Tochtergesellschaft der MVV-Energie aus Mannheim, haben beim Gemeinderat angefragt, Windräder im Wald des Gemeindegebiets Kraichtal zu bauen. Einen endgültigen Gemeinderatsbeschluss gab es, entgegen mancher Gerüchte vor Ort, bisher noch nicht.
Angedacht sind wie in Bruchsal über 250 Meter hohe Kraftwerke auf jeweils einem Hektar Waldfläche pro Windrad, nur in diesen Höhen kann man im Süden Deutschlands ausreichend starken Wind „ernten“. Ein einziges dieser Kraftwerke kann bis zu 10 Gigawattstunden pro Jahr erzeugen, der jährliche Energieverbrauch in Kraichtal liege laut der Stadt bei ungefähr 42 Gigawattstunden. Sowohl JUWI und EnBW planen jeweils sechs bis zehn Windräder.
JUWI möchte seinen geplanten Bruchsaler Windpark an der Schnellbahntrasse bei Oberacker ausbauen. Das Unternehmen befindet sich schon seit 30 Jahren in der Branche der erneuerbaren Energien und hat schon mehrere Verträge mit ForstBW auf Waldstandorten abgeschlossen. Mit ihrem Antrag befinden sie sich in direkter Konkurrenz mit der EnBW: Das Energieversorgungsunternehmen plant höchstens zehn Windkraftanlagen im kommunalen Wald bei Unteröwisheim, Münzesheim und Oberacker.
Befürworter des Vorhabens weisen auf die finanziellen Vorteile hin. Windkraft ist bei einem Preis von durchschnittlich neun Cent pro Kilowattstunde eine der günstigsten Methoden, Strom zu erzeugen. Gleichzeitig kann die Kommune laut einem Statement der SPD-Gemeindratsfraktion durch Verpachtung der Gebiete regelmäßige Einnahmen erzielen, auch eine direkte Bürgerbeteiligung sei durch Bürger-Energiegenossenschaften und vergünstigte Stromtarife möglich. Paragraf 6 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes fordert übrigens bei Inbetriebnahme der Windräder eine finanzielle Beteiligung der Kommunen an den Gewinnen der Betreiber.
Auf eigener Fläche habe die Kommune laut einem Statement von Bürgermeister Tobias Borho mehr Einfluss auf nähere Begebenheiten wie zum Beispiel der Standortwahl. Die für den Ausbau erforderlichen Waldflächen sind kleiner als die Fläche für die Sportplätze, die nötige Infrastruktur könne auf der bestehenden Forstinfrastruktur aufbauen. Um Pachtzahlungen in Millionenhöhe für den kommunalen Haushalt zu sichern, solle man schon jetzt handeln, bevor private Flächen belegt werden, appelliert Borho. Fließe das Geld nämlich in private Hände, könne es nicht für Projekte zum Vorteil der Allgemeinheit verwendet werden. Gunther Woßner von der SPD hofft zum Beispiel auf eine Verbesserung der städtischen Infrastruktur.
Sowohl die Grünen vor Ort als auch die Projektgruppe Klima führen zudem den Klimaschutz als bedeutendes Argument. Die Redaktion erreichte ein Appell eines Kraichtaler Ingenieurs mit naturwissenschaftlichem Studium, der eine Verabschiedung von fossilen Brennstoffen zur Sicherung der Zukunft von Kindern und Enkeln forderte. Windenergie würde hierbei helfen: Es ist in erster Linie eine CO₂-freie, von der Natur kostenfrei zur Verfügung gestellte Methode der Stromerzeugung, lokale Windräder würden zusätzlich die Wege zu den Verbrauchern verkürzen und damit noch mehr CO₂ einsparen. Der geplante Solarpark (Inbetriebnahme Ende 2025) ist zwar auch eine Option, könne aber nicht den gesamten Energiebedarf der Stadt decken. Außerdem verbraucht Solarstrom mehr Platz in Hektar als Windstrom.
In Kraichtal herrscht aber auch Widerstand. Der Verein „Windradfreies Kraichtal n.e.V.“ beispielsweise setzt sich schon länger gegen den Bau der Windräder ein. Nach eigenen Angaben sei der Verein zwar auf der kommenden Informationsveranstaltung als Aussteller nicht erwünscht, die Mitglieder unterstützen momentan aber ein Bürgerbegehren, um die Entscheidung über die Windräder in Form eines Bürgerentscheids auf die Bevölkerung zu übertragen. Hierfür sind auch Flugblätter aus anonymer Quelle im Umlauf gewesen.
Was sind die Argumente der Gegner? Zunächst könnte die florierende Natur in und um Kraichtal negativ beeinflusst werden. Der Erholungswert des idyllischen Kraichgaus könnte durch das Aussehen der riesigen Türme sinken, fallende Tourismuszahlen wären dann eventuell die Folge. Außerdem befinde sich der Rotmilan, eine streng geschützte Vogelart, in den Wäldern Kraichtals, laut NABU ist er auf der Vorwarnliste für bestandsgefährdete Tierarten. Vögel wie der Rotmilan können an den gewaltigen Rotorblättern verenden.
Zudem gibt es Befürchtungen bezüglich Geräuschbelästigung durch Infraschall. Wissenschaftliche Langzeitstudien haben zwar keine Gesundheitsschäden feststellen können, allerdings kann der nächtliche Lärm trotzdem als störend empfunden werden. Darüber hinaus befürchten die Windradgegner sinkende Immobilienwerte durch die sinkende Attraktivität der Gegend; die hohen Räder können auch ärgerliche Schatten schlagen. Diesbezüglich gibt es aber Richtlinien, die der Regionalverband Mittlerer Oberrhein prüfen wird.
In Kraichtal befürchte man auch fehlende Speichermöglichkeiten für den Strom. Kritiker des Vorhabens führen deshalb das Argument, dass die Energieerzeugung durch Windräder zu sehr fluktuieren würde und die Stadt auch andere Möglichkeiten in Betracht ziehen müsse.
Aus verlässlichen Quellen hat die Redaktion erfahren, dass die Windräder in der Haushaltsdebatte am 12. Februar im Gemeinderat Thema sein werden. Eine endgültige Entscheidung kann aber erst getroffen werden, sobald der Regionalverband im September 2025 die Prüfung des Teilregionalplans abgeschlossen hat. Am 13. Februar findet zudem eine Informationsveranstaltung in der Mehrzweckhalle in Unteröwisheim statt, zu der alle Kraichtaler eingeladen sind. Das Thema bleibt also heiß.
Neben der Informationsveranstaltung bietet die Stadt auch Infos auf ihrer Webseite an. Unter www.kraichtal.de gibt es unter den Rubriken „Wirtschaft & Bauen“ und „Umwelt & Energie“ aktuelle Informationen zu den Plänen. Auf YouTube gibt es zusätzlich ein Video der Stadtverwaltung zu dem Thema: www.youtube.com/watch?v=jJqENCLSKw4.
Ansonsten sind alle Leserinnen und Leser angeregt, sich auch durch weitere seriöse Quellen fortzubilden. Auch der Kraichtalbote wird das Thema verfolgen.