Die Musik stand symbolisch für den Dialog der Kulturen. Beim Begegnungsfest im Zentrum der alevitischen Gemeinde kamen zwei Instrumente ganz verschiedener Traditionen gemeinsam zur Aufführung: die Baglama, ein traditionelles Zupfinstrument und die Konzertharfe. So harmonisch die beiden zusammenklangen, so zugewandt und vertrauensvoll war die Stimmung bei der Veranstaltung „Begegnung und Dialog“, zu der die alevitische Gemeinde gemeinsam mit dem Kulturforum Südliche Bergstraße eingeladen hatten. Knapp 200 Interessierte kamen.
Sechs Vertreter aus Religion, Gesellschaft und Politik gaben Einblicke in alevitische, christliche sowie soziale und politische Perspektiven. Sultan Demir, Vorsitzende der alevitischen Gemeinde Wiesloch, und Jürgen Grimm, Vorsitzender des Kulturforums, führten durch den Nachmittag, bei dem es viel zu lernen, aber auch viel Gelegenheit zum Gespräch bei Kaffee und Kuchen sowie weiteren Spezialitäten gab.
Die über 700.000 Aleviten in Deutschland leben in 160 Gemeinden, die wie die Wieslocher Gemeinde ein großes Einzugsgebiet haben. Zusammengeschlossen sind sie in einer Dachorganisation, der alevitischen Gemeinde Deutschlands. Wie Ecevit Emre, der stellvertretende Vorsitzende deren geistlichen Rats, erläuterte, ist der Verband mittlerweile als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt und damit den großen Kirchen in Deutschland gleichgestellt. So kann er auch eigenen Religionsunterricht an Schulen anbieten, was bereits in acht Bundesländern, darunter Baden-Württemberg, geschieht.
Mit einem Video stellte Emre einige Grundelemente der alevitischen Religion vor. Ein Ziel sei, die Vollkommenheit zu erreichen durch Werte wie Nächstenliebe, Bescheidenheit und Geduld. Ein Weg, zu dem es „1001 Pfade“ gebe. Pfarrerin Jana Bräuchle, Vertreterin der evangelischen Kirche in Wiesloch, nahm den Gedanken der Nächstenliebe auf und gab mit einer Deutung des Satzes „Gott ist die Liebe“ Einblicke in den christlichen Glauben und Gottesbegriff.
Bürgermeister Ludwig Sauer bedankte sich für die Offenheit und das Engagement der alevitischen Gemeinde, die seit über 30 Jahren in Wiesloch ansässig ist und sich von Beginn an der Stadt und den Bürgern geöffnet hat und mit Initiativen zum interkulturellen und interreligiösen Dialog beitrage, der so wichtig für den Zusammenhalt in der Stadt ist. Wie gut Aleviten integriert sind und in verschiedenen Rollen Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen, verkörperte auf der Bühne vielleicht am deutlichsten Sauers Amtskollege Hakan Günes, der seit 2021 Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Sandhausen ist.
Die ehemaligen Bundestagsabgeordneten Memet Kilic und Gert Weisskirchen hoben in ihren Beiträgen die Bedeutung der Religionsfreiheit, aber auch die der Strukturen für eine lebendige Vielfalt, Sichtbarkeit und Beteiligung aller hervor, gerade auch von Einwanderern, die ihre Religion und Kultur aus ihrer Herkunft mit- und in Deutschland einbringen und weitergeben.
Die Vielfalt der Stimmen machte den Nachmittag zu einem Erlebnis der Begegnung, bei dem das Vertrauen in gemeinsame Werte sowie die Neugier und Offenheit gegenüber anderen spürbar wurde. Glanzpunkte waren zweifellos die Stücke der Musiker Kenan Tülek (Baglama) und Helena Corona Andreula (Harfe), die dies auch sinnlich erlebbar machten.
Die Veranstaltung wurde vom Bundesfamilienministerium im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ gefördert. (vs)