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Engel als Komposition von Gegensätzen

Kunstwerk des Monats Dezember: Der „Engel“ von Lingrên

Jeden Monat stellen wir ein Kunstwerk vor, das in Schwetzingen bekannt oder eher unbekannt ist. Im Dezember ist es der „Engel“ von Lingrên.
Kunstwerk des Monats Dezember: Engel von Lingren
Michael Lingrêns Eisen- und Stahlplastiken sind unverkennbar - so wie hier sein "Engel".

Engel als Komposition von Gegensätzen

Kunst ist in Schwetzingen immer präsent. Dabei reicht sie von der Klassik bis in die Moderne. Jeden Monat stellen wir ein Kunstwerk vor, das in Schwetzingen bekannt oder eher unbekannt ist. Mit Vorfreude auf Weihnachten ist es im Dezember der „Engel“ von Lingrên. Kunsthistorikerin Dr. Barbara Gilsdorf steht Rede und Antwort.

SW: Was ähnelt an der Figur von Lingrên einem Engel?
Dr. Gilsdorf: Die Plastik aus poliertem Stahl ist zwar unbetitelt, jedoch lässt sie sich mühelos als Engelsfigur identifizieren. Dreiecke und geometrisierende Formen lassen in Addition die Benennung eines vierflügeligen Cherumbims zu.

SW: Welche Rolle spielen die verschiedenen Formen der einzelnen Bestandteile bei der Figur?

Dr. Gilsdorf: Wichtig ist Lingrên bei dieser monumentalen und stilisierten Figur die Komposition von Gegensätzen. Spitzwinklige Formen und scharfe Grate treffen aufeinander. Und als Kontrast erhebt sich als zentraler Blickpunkt zwischen diesen farbig unauffälligen schweren Formen eine kleine, in gold schimmerndem Messing gestaltete Kugel. Sie versinnbildlicht den Kopf des Engels.

SW: Hat Lingrên, was Form und Komposition angeht, einen deutlich eigenen Stil?
Dr. Gilsdorf: Michael Lingrêns Eisen- und Stahlplastiken sind unverkennbar. Der Bildhauer suchte in den Jahrzehnten seiner freischaffenden Künstlertätigkeit mehr und mehr die vereinfachte und stilisierte Form, bis hin zu einer Reduktion auf geometrische Grundformen. In der Zusammenkunft wiederum erhalten diese konkreten Formen nicht selten eine assoziative Benennung. Und dies wird in der Schwetzinger Figur sehr deutlich. Die spröde, archaisch und puristisch wirkende Figur verfügt über eine hohe Anziehungskraft. Die Bildsprache ist unprätentiös und klar, jedoch verfügt sie über ein hohes Maß an Ausstrahlungskraft, Ästhetik und Harmonie. Auf diese Wirkung zielt der Künstler bewusst ab, auf dass sich der Betrachter angesichts des Himmelswesens in die „emotionale Einkehr“ begebe.

SW: Welche Bedeutung hat der Künstler für die Kurpfalz, insbesondere Schwetzingen?

Dr. Gilsdorf: Eine Reihe seiner Kunstwerke finden sich im öffentlichen Raum, vor allem in seiner Wohnstadt Neckargemünd. Der in Erfurt im Jahr 1944 geborene Bildhauer Michael Lingrên wuchs in Hannover auf. Zunächst begann er ein Mathematikstudium, unter anderem in Heidelberg. Während er die Naturwissenschaft aufgab, blieb er der Kurpfalz treu. Seit vielen Jahren lebt und arbeitet er in Neckargemünd. Ab 1996 bis zu seiner Pensionierung bekleidete er einen Lehrauftrag für Plastik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Das Objekt von Michael Lingrên kaufte die Stadt Schwetzingen im Jahre 1990 an, nachdem es für einige Monate an der ersten Aktion von „Im Wege stehend“ im öffentlichen Raum ausgestellt worden war.

SW: Warum ist der „Engel“ in Schwetzingen umgezogen?
Dr. Gilsdorf: Bis vor einigen Jahren war die Engelsfigur auf dem Vorplatz von St. platziert. Der Engel wurde vor einigen Jahren nach einer Restaurierung auf Wunsch der katholischen Kirchengemeinde an den Außenbereich der katholischen Kirche St. Maria wieder aufgestellt. Im Dialog mit der ebenso unprätentiösen und klaren Gestaltung der monumentalen St. Maria, eine charakteristische Hallenkirche der 1950er Jahre, entfaltet die Plastik nun im besonderen Maße seine Wirkung.

Die Fragen stellte Dominik Ralser.

Erscheinung
Schwetzinger Woche
Ausgabe 50/2025
von Redaktion NUSSBAUMRedaktion NUSSBAUM
03.12.2025
Orte
Schwetzingen
Kategorien
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Kultur
Kunst
Panorama