Am 31. Mai fand bei allerbestem Sonnenschein die verkehrspolitische Radfahrt durch Renningen aus Anlass des Welt-Fahrrad-Tags statt. Der Welt-Fahrrad-Tag ist ein von den Vereinten Nationen ausgerufener Tag, der auf die ökologischen und ökonomischen Vorteile des Fahrrades und des Radfahrens aufmerksam macht.
Der ADFC hat alle demokratischen Parteien im Renninger Gemeinderat, die Stadtverwaltung und die Bürgerschaft zu dieser kleinen Ausfahrt durch das Stadtgebiet eingeladen. Gekommen waren Ratsmitglieder der Frauen für Renningen und der Grünen, Ortsgruppenmitglieder der SPD und mehrere Bürgerinnen und Bürger. Die Mitglieder der CDU- und der FDP-Fraktion haben leider kurzfristig absagen müssen, wären aber gerne ebenfalls dabei gewesen.
In seiner kurzen Begrüßung und den anschließenden einleitenden Worten erklärte unser Radverkehrsbeauftragter Martin Endmann, dass sämtliche Ziele der Verkehrsschau mit dem Thema Schulwegsicherheit und Schulwegattraktivität zu tun haben. Die Stadt Renningen hat Schulwegpläne für den Fuß- und den Radverkehr herausgegeben. Teilstücke der Schulradwege in Renningen waren diesmal unser Ziel.
Es ist aus vielerlei Gründen notwendig, dass Menschen und insbesondere Schulkinder ihre Umwelt selbstaktiv erlaufen oder erfahren. Der selbstaktiv erlebte Schulweg stärkt das räumliche Vorstellungsvermögen, die Kompetenzen im Umgang mit anderen Verkehrsteilnehmer:innen – das schließt Autofahrer:innen genauso ein wie andere Radler:innen und Fußgänger:innen – und die allgemeine Gesundheit der Schülerinnen und Schüler.
Unser erstes Themenfeld war die Fahrradstraße, die im Zuge der Lindenstraße zwischen Bahnhofstraße und Rutesheimer Straße verkehrsrechtlich angeordnet ist. So wie die Fahrradstraße aktuell angeordnet ist, ist sie jedoch leider nicht viel mehr als eine typische Straße in einer 30er-Zone. Eine Fahrradstraße hat in ihrer Grundform zwei entscheidende Vorteile: Sie ist sicherer und komfortabler als jede andere Führungsform. Der Komfort ergibt sich aus der Möglichkeit, nebeneinander fahren zu dürfen, also kommunikativ zu sein. Die Sicherheit ergibt sich aus der grundsätzlichen Abwesenheit des Kraftverkehrs. Von diesen beiden ist in Renningen lediglich das Nebeneinanderfahrrecht geblieben, während selbiges überall sonst nur dann zulässig ist, wenn der übrige Verkehr dadurch nicht behindert wird. (Info: Die Behinderung tritt nur dann auf, wenn ohne das Nebeneinanderfahren die für einen Überholvorgang notwendigen Voraussetzungen erfüllt wären. Die beiden wesentlichen sind: Die Geschwindigkeit des überholenden (Kraft-)Fahrzeuges muss wesentlich höher sein als die des zu überholenden Fahrrades und der Überholabstand von mindestens 1,50 m (ohne Kindertransport) bzw. mindestens 2,00 m (mit Kindertransport oder -begleitung) muss vorhanden sein. Fällt nur eine der beiden Voraussetzungen bspw. durch zu schmale Straßenquerschnitte weg, können nebeneinander fahrenden Radfahrer:innen den übrigen Verkehr nicht behindern.)
Fahrradstraßen sind also nur dann für den Radverkehr ein wirklicher Gewinn, wenn sie in ihrem eigentlichen Sinn angeordnet werden. Mehr als der Anliegerverkehr sollte auf einer echten Fahrradstraße in urbanem Umfeld nicht zugelassen werden. Die Anwesenden waren darin einig, dass Durchfahrtsverkehre unzweckmäßig sind. Gleichzeitig war aber auch klar, dass die Kontrolle eines Durchfahrtsverbotes schier unmöglich ist. Eigentlich schade, dass man dem Kraftverkehr gerne zutraut, eine Anliegerbeschilderung willentlich zu ignorieren.
Um hier Klarheit zu schaffen, bieten sich verschiedene sogenannte modale Filter an. Ein modaler Filter verhindert verkehrsrechtlich oder baulich die Durchfahrt durch eine Straße. Je nachdem, für welchen Weg sich die Stadt bei der Umsetzung und dann Durchsetzung eines Durchfahrtsverbotes entscheidet, sind die Knotenpunkte östlich und westlich der bestehenden Fahrradstraße anzupassen. Bei den Anpassungsmaßnahmen kann bspw. durch Anforderungsampeln eine Bevorrechtigung des Radverkehrs zur Erhöhung der Sicherheit vor allem des Schülerverkehrs errichtet werden. An der Bahnhofstraße sollten weitere Aspekte in den weiteren Überlegungen bedacht werden: Da ist zum einen eine sinnvolle Gestaltung des hoffentlich repräsentativen Eingangsbereiches des künftigen Rathauses mit einzubeziehen. Dabei sollte die vitale Kastanie, unter deren Schatten wir uns gut unterhalten konnten, eine wichtige Rolle spielen. Zum anderen ist der Schulweg an dieser Kreuzung noch nicht zu Ende. Das teilweise illegale Parken (wir haben vor der ehemaligen Schütz'schen Apotheke wiederholt verschiedene Falschparker erleben dürfen), das Fehlen geeigneter Abstellanlagen vor dem Haus Jahnstraße 33, die geringe Fahrbahnbreite ohne Ausweichmöglichkeiten im Gegenverkehr bringen viele Gefahren für die mutigen Kinder, die ihren Schulweg selbstaktiv bewältigen. Die Jahnstraße sollte als Teil des städtischen Radverkehrsnetzes, als wesentlicher und bündelnder Teil des Schulradwegenetzes mit einem modalen Filter versehen und zur Fahrradstraße gewidmet werden.
In beiden Straßen, der Lindenstraße und der Jahnstraße, ist das erlaubte Parken halb auf den Gehwegen ein weiteres Sicherheitsrisiko für die kleinsten Verkehrsteilnehmer:innen. Aber auch für Erwachsene, die bspw. einen Kinderwagen schieben und ein zweites Kleinkind an der Hand neben sich habe, stellt diese Verringerung der Gehwegbreiten ein Problem dar. Wir haben in der Lindenstraße nachgemessen: Aktuell stehen bei korrekt abgestellten Kfz nur rund 1,30 m Gehwegbreite zur Verfügung. Bei zu weit rechts abgestellten Fahrzeugen (das Ziel, die Fahrbahn freizuhalten, ist grundsätzlich lobenswert, wenngleich sicher nicht vollkommen uneigennützig, verringert sich doch die Gefahr, Lack- oder Karosserieschäden durch vorbeifahrende Fahrzeuglenker:innen zu erleiden) verringert sich die Gehwegbreite entsprechend. Martin Endmann schlug vor, die 17 in der Lindenstraße vorhandenen Stellplätze ersatzlos zu demarkieren und die gewonnenen Flächen dem Fußverkehr zur Verfügung zu stellen. Unterstützt wurde er dabei durch eine wissenschaftliche Parkraumanalyse von Matthias Hünerfeld, der aus der Mitte der Teilnehmenden erklären konnte, dass die Auslastung im Quartier durch den Wegfall lediglich von 65 auf 72 % steigen würde. Es wären also selbst nach dem Wegfall genügend Abstellmöglichkeiten vorhanden.
Nach diesem Ausflug in die Welt der Fahrradstraße wurde in der Folge über die Errichtung sogenannter Schulstraßen diskutiert. Der Druck der Elterntaxis und die damit verbundenen Gefahren für die selbstaktiven Kinder sind am Schulzentrum erheblich. Es bietet sich an, die Emil-Höschele-Straße, die Wiesenstraße und die dazwischen befindliche Jahnstraße als Schulstraßen morgens zwischen Beginn der ersten und Beginn der zweiten Stunde vollständig für den Kraftverkehr zu sperren (Ausnahme natürlich für die Feuerwehr!). Beispiele dazu gibt es in verschiedenen deutschen (Groß-)Städten und im europäischen Ausland. Auch mit diesem Vorschlag erreichte der ADFC die Gemeinderäte.
Das dritte Thema war dann die Kapazität der Fahrradabstellanlagen im Bereich des Schulzentrums. Einerseits sind es vor allem im Bereich der Anlage zwischen Mensa und Mediathek deutlich zu wenige Abstellbügel, andererseits fehlt die Überdachung. Dächer schützen nicht nur vor regennassen, sondern auch vor sonnenheißen Sätteln. Dass die Abstellanlagen zwischen Realschule und Kunstrasenplatz derzeit wegen der Baumaßnahmen an der Realschule nur provisorisch vorhanden und teilweise auf für die Pausenbeschäftigung vorgesehenen Flächen aufgestellt sind, ist für den Zeitraum der Bauarbeiten am Realschulgebäude duldbar. Allerdings muss schon heute die Kapazitätserhöhung und Überdachung der Plätze auch für Veranstaltungen in der Stegwiesenhalle geplant werden. Da das Schulzentrum, oder nennen wir es lieber Bildungs- und Freizeitzentrum, nicht nur während der Unterrichtszeiten Publikum anzieht, ist eine über den Tag verteilte Auslastung der Stellplätze sowohl an der Mediathek als auch an der Realschule zu erwarten.
An der letzten Station schlägt der ADFC eine Verkehrsveränderung im Zuge der Rankbachstraße vor. Hier quert der Weg entlang des Rankbaches, ein Hauptast des Malmsheimer Radschulweges, ein Spazierweg der Seniorinnen und Senioren vom Seniorenstift Schwanenstraße und „Pfad der Weltkulturen“, die wenig befahrene und als Durchfahrtsstraße genutzte Rankbachstraße. Die Sicherheit der Schüler:innen ist in unseren Augen als sehr hohes Gut zu bewerten. In die Realität übersetzt bedeutet das, die bereits vorhandene, aber viel zu flache Aufpflasterung im Bereich des ehemaligen, inzwischen asphaltierten Trampelpfades auf die brückennahe Querung zu übertragen und deutlich abzusetzen und somit vorfahrtsregelnde Maßnahmen baulich umzusetzen.
Nach knapp zwei Stunden lehrreichen Austauschs beendete der ADFC die Tour an dieser Stelle. Die Teilnehmenden wollten in weiterem Austausch bleiben und so wurde nach dem offiziellen Veranstaltungsende Ellys Eis-Café aufgesucht. In lockerer Runde wurde dort über weitere Problemstellen der Renninger Infrastruktur debattiert.
Der Termin hat deutlich gezeigt, dass Renningen sich auf den Weg gemacht hat, den Radverkehr auch und besonders für die Kinder und Jugendlichen attraktiver zu gestalten. Dass dabei weiterhin Verbesserungspotenziale bestehen, liegt in der Natur der Sache. Der ADFC will kooperativ an der Verbesserung der Gesamtsituation arbeiten und die Motivation, mehr Wege in Renningen zu Fuß oder mit dem Rad zurückzulegen, erhöhen. Diese beiden Mobilitätsformen sind für alle Verkehrsteilnehmer die gesündesten: verhältnismäßig niedrige Geschwindigkeiten, durch kurze Entfernung dennoch geringe Wegezeiten, verhältnismäßig geringe Massen, die im Fall von Unfällen verhältnismäßig geringe Schäden an Leben, Leib und Material erwarten lassen, positive Auswirkungen auf den Kreislauf, die Ausdauer und das körperliche Wohlbefinden. Es soll allen Bürgerinnen und Bürgern möglich gemacht werden, so subjektiv und objektiv sicher wie möglich auf ökonomisch und ökologisch vorteilhafte Weise mobil sein zu können.
Herzlichen Dank an alle Mitradlerinnen und Mitradler und die guten Gespräche!
Nächstes Jahr wird es wieder eine Neuauflage der Radverkehrstour geben, dann mit Schwerpunkt Malmsheim und evtl. in etwas geändertem Format.
für Renningen (und den Nordkreis): www.adfc-bw.de/renningen
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