Mozartfest in Schwetzingen

La clemenza die Tito: Oper begeistert in Schwetzingen

Die Oper des Schwetzinger Mozartfestes kam aus Koblenz, unter der musikalischen Leitung von Marcus Merkel und unter Regie von Markus Dietze.
Dirigent Marcus Merkel inmitten der Sänger:innen.
Dirigent Marcus Merkel inmitten der Sänger:innen.Foto: aw

Die Kooperation zeigte sich als Glücksgriff, eine Oper von Mozart (Uraufführung 1791 in Prag) auf die Rokokobühne zu holen und gleichzeitig eine zeitgemäße Inszenierung. Die Dramaturgie von Maria Kross überträgt den Stoff in ein Großraumbüro eines heutigen Regierungspräsidenten. Das weiterhin Besondere an dieser Aufführung waren die von Manfred Trojahn umgeschriebenen Rezitative aus dem Jahre 2002.

Ein überdimensionales Bild einer Gerichtssituation (im Original Ciceros Rede gegen Catilina von Cecare Maccari, überträgt vergangene Geschichte in die heutige Handlung und somit den Stoff der Oper ins heutige Geschehen, schafft eine neue Zeitebene. Das Spiel um politische Machenschaften und eine bedingungslose Liebe nimmt ihren Lauf.

Die Reduktion der Bühnenausstattung auf ein Großraumbüro mit verschiebbaren Wänden fokussiert die Handlung auf die wunderbaren Arien Mozarts und die neu komponierten Rezitative. Deren Übergang jeweils hörbar ist und die in Harmonie zusammen wirken. Dies ist kein Eingriff in Mozarts Schaffen, da auch im Original die Rezitative von seinen Schülern geschrieben wurden.

Aber die Oper ist durchaus als Mozarts Vermächtnis zu sehen, da es eines seiner letzten Werke ist, zeitgleich erschaffen mit der Zauberflöte.

Schöne Opernmomente

Die Handlung entspricht der Version von Mozart: Tito will seiner korrekten politischen Verantwortung gerecht werden, Vitellia, die von der Erbfolge ausgeschlossen ist, erhofft sich die Macht als „First Lady“ durch Heirat an der Seite Titos. Er tendiert eher zu Servilia (Claire Austin, Sopran), deren Liebe zu Annio (Haruna Yamazaki als Mezzosopranistin und Performerin spielt diese männliche Rolle) er aber anerkennt und beide verlobt. Vitellia überredet Sesto zum „Kaisermord“ und ahnt noch nicht, dass sich Tito nun doch ihr als Heiratskandidatin zuwendet.

Die Arie des Sesto (Danielle Rohr als Mezzosopranistin in dieser männlichen Rolle) in der er/sie mit dem Auftrag hadert, wird mit der wunderbaren Klarinettenbegleitung zu einer der schönsten musikalischen Momenten dieser Oper. Ebenso Vitellias Arie der Selbstreflektion vor dem Spiegel als sie erkennt, was aus ihrem Auftrag und der Brandstiftung im Kapitol geworden ist.

Die Rolle ist für die Sopranistin Mirella Hagen mit den Höhen und Tiefen der Stimmlage eine Herausforderung, die sie besonders in den hohen Lagen bravourös meistert. Immer souverän und staatsmännisch wirkt Tobias Haaks in der Rolle des Tito, zumindest tagsüber.

Nachsichtige, gnädige, spontane Politiker?

Die Uhr an der Seite läuft immer mit. Bürozeit von 6:59 bis 17:02. Danach werden die Konferenzen im Pullover geheimer, die Absprachen finden in Kleingruppen statt. Titos Arie der Urteilsfindung ist Cora Publikum vor dem Bild des Gerichtes eindringlich. Die Verurteilung Sestos und der anberaumte Vollzug durch Publio (Jongmin Lim, Bass) erscheint politisch gerecht.

Doch wünschen wir uns nicht alle nachsichtige, gnädige, spontane Politiker? (dies ist der Regie-Gedanke). Oder ist Gnade vor Recht nicht doch nur Willkür eines Machthabenden? Schärft diese gedankliche Auseinandersetzung den Blick auf unsere Gesellschaft? Jedenfalls ist Tito an diesem Abend die Dankbarkeit der Gesellschaft sicher. Und dem Ensemble der Applaus des Publikums. (aw)

Gefeiertes Ensemble aus Koblenz.
Gefeiertes Ensemble aus Koblenz.Foto: aw
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Ausgabe 42/2024
von Redaktion Nussbaum
16.10.2024
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