Das im Standard beschriebene Rasse-Ideal ist keinesfalls ein realitätsfernes, abgedrehtes Hirngespinst, sondern gibt klare Grenzen vor, so dass Zuchten sich nicht unkontrolliert und abnorm in ungewollte Richtungen entwickeln. Wird ein Merkmal übererfüllt, wird das ebenso bestraft wie ein Mangel hin zum Ideal. Gesteuert wird das nicht zuletzt durch die Preisrichter. Diese werden kontinuierlich und detailliert auf den einzelnen Rassen und deren aktuellem Zuchtniveau geschult und tauschen sich darüber aus, was in der weiteren Rasse-Entwicklung im Auge zu behalten ist. So gibt es einige Rassen, die im Rumpf und Kopf schon sehr beachtlich daherkommen, aber im Gesamtbild dazu recht schmale Läufe haben. Hier würde man den Wunsch über ein harmonischeres Gesamtbild äußern und mittels Punktevergabe die Tiere herausstellen, die das Merkmal kräftiger Läufe bereits erfüllen oder auf einem guten Weg sind. Diese besser bewerteten Tiere sind im Fokus der Züchter, die ihre eigene Zucht aufwerten bzw. weiterentwickeln wollen und zu diesem Zweck Vertreter mit entsprechenden Merkmalen suchen und kaufen. Infolge finden diese Tiere eine schnellere Verbreitung und das Merkmal festigt sich in den Nachzuchten, während die Tiere mit den schmalen Läufen allmählich von der Bildfläche verschwinden.
Anderes Beispiel: Bei einigen Rassen ist zuletzt der Felllänge am Ohrenrand und zwischen den Ohren nicht viel Beachtung geschenkt worden. Eigentlich hat das Fell hier die gleiche und vor allem einheitliche Länge wie am restlichen Kopf. Inzwischen beobachtet man aber häufiger, dass das Haar am Ohrenansatz länger ist, ebenso wie bei besonders dicken Ohren das Fell an der Ohrenaußenseite über den Ohrenrand hinausragt, also übersteht. Bislang war das nicht als Fehler zu bewerten und es gab keinen Punktabzug. Infolge haben sich diese Erscheinungen in vielen Zuchtlinien festgesetzt und auch über viele Rassen hinweg verbreitet, so dass nun dringender Handlungsbedarf besteht, um dieses nie gewollte Merkmal wieder loszuwerden. Das geschieht natürlich nicht über Nacht. Aber man muss es ins Bewusstsein der Züchter bringen. Und wenn man jetzt einen halben oder ganzen Punkt weniger bekommt, für ein Tier, das Stirnbüschel und einen doppelten Ohrenrand zeigt, dann trifft es einen ja nicht allein, sondern die breite Masse, so dass sich keiner beschweren braucht. Haben dagegen einzelne Züchter noch Linien im Stall, die vielleicht eine weniger kräftige Kopf- und Ohrbildung haben, aber eben kein Stirnbüschel oder einen doppelten Ohrensaum, so kommen diese Tiere nun wieder auf die Schauen, stehen punktgleich da und kommen auf diesem Weg doch in die Verbreitung, was langfristig zur Ausmerzung der unerwünschten Langhaarzonen führen wird.