Und weil er alles hört, und folglich ordnet, damit kann Harmonie entstehen. Frank Ewald ist zu Recht Chordirektor, nicht etwa ausschließlich, weil er durch seine Dienstzeit und seine Aus- und Fortbildungen diesen Titel tragen darf, sondern weil ihm die Musik alles bedeutet. Er kennt jede Note aller vier Stimmen eines Liedes. Wir als Sänger sollen zumindest die Noten unserer Stimme kennen. Also in der Theorie. Die Praxis sieht manchmal anders aus. Deshalb betont Frank auch immer: „Erst durch das Auswendiglernen könnt Ihr Musik machen. Es heißt Singstunde, nicht Lesestunde.“ Und er sagt auch: „Schöner singen, nicht sprechen, mehr legato.“ Die Bedeutung, die Musik für ihn hat und für uns haben könnte, will er uns vermitteln. Mal gelingt es ihm besser, mal schlechter. Das kann auch mal stressig sein, deshalb geht es bei einer Singstunde auch nicht wie bei einem Gesprächskreis zu. „Wie fühlen wir uns heute?“ wäre sehr sehr unpassend. Fürs Singen und Dirigieren braucht es Energie, und die muss sich auch Luft machen dürfen. Ein Dirigent darf nur dann zufrieden sein, wenn die Dinge sehr gut klappen. Frank lobt, er tadelt aber auch. Für Zartbesaitete ist das nix, für Leute, die etwas lernen wollen, klare Ansagen für sich nutzen können und damit ihre Grenzen verschieben, für die passt das auf jeden Fall.
Seine Körpersprache ist ebenfalls bemerkenswert. Es gibt Dirigenten, bei denen weiß jeder Sänger, wann das Lied beginnt und wann es endet. Die Handbewegungen sind bekannt. Im Lied selbst weiß der Sänger dann, nun ja, jetzt ist für den da vorne erstmal Pause, vielleicht macht er Yoga oder schmiert sich in Gedanken ein Butterbrot. Bei Frank bedeutet „Abwinken“ und „Einsätze geben“ Schwerstarbeit und volles Engagement. „Guckt raus“ ist seine vordringliche Mahnung an uns. Und das stimmt. Er steht unter Spannung, der körperlichen und der Musik. Und wenn wir seinem Winken folgen, wird es insgesamt besser. Ein Dirigent wedelt nicht zum Spaß, er ist der Regisseur der Einsätze, so dass Musik ablaufen kann wie eine Abfolge von oft geübten Ballettschritten. Je einfacher es aussieht oder sich anhört, desto mehr Arbeit und Aufmerksamkeit stehen dahinter. Noch was zum Loben oder Tadeln. Es gibt Lehrer aller Art, die reagieren sich ab. Weil sie es können und weil sie die Macht dazu haben. Jeder von uns kennt solche Leute. Schon allein aus der Schulzeit. Frank macht aus seinem Herzen auch keine Mördergrube. Allerdings glaube ich, dass er vor allem die höchsten Ansprüche an sich selbst hat. „Es ist zum Verzweifeln“ hat er mal gesagt. Ja, das mag so gewesen sein, aber eigentlich zweifelt er dann an sich selbst.
Teil 3 folgt.
Ingo Kuntermann