Agendagruppe Ortsgeschichte Eggenstein-Leopoldshafen
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Lebenserinnerungen von Rosemarie Schnürer geb. Oberacker – Teil III

Mit dem Leiterwägele zum Ölschlagen. Während des Kriegswinters durfte ich mit meiner Tante Elise zum Ölschlagen – Mohnsamenpressen – nach Graben-Neudorf...

Mit dem Leiterwägele zum Ölschlagen.

Während des Kriegswinters durfte ich mit meiner Tante Elise zum Ölschlagen – Mohnsamenpressen – nach Graben-Neudorf fahren.

In den Sommermonaten haben die Leute auf ihren Feldern Mohn zum Ölgewinnen angebaut. Der Mohn wurde bis zur vollen Reife auf dem Feld stehen lassen. Wenn die Mohnkapseln richtig reif und hart waren, wurden sie mit einer Schere geerntet, in Säcke gefüllt und nach Hause gefahren. Die Kapseln wurden von uns Kindern mit einem Messer aufgeschnitten und entleert. Ab und zu haben wir vom Mohn gegessen, obwohl wir davor gewarnt wurden, denn bei zu vielem Verzehr würden wir einschlafen.

Später wurde mit einer kleinen Futterschneidmaschine die Kapseln zerkleinert, entleert und danach ausgesiebt, so dass nur der Mohnsamen übrig blieb. Der gewonnene Mohnsamen wurde getrocknet und in kleine weiße Säcke abgefüllt. Es kamen dann 20 bis 30 kg Mohnsamen zusammen.

Im Winter wurde ich beauftragt, zusammen mit Tante Elise mit der Bahn zur Ölmühle nach Graben-Neudorf zu fahren. Die Tante nahm von Nachbarn noch einige kleine Säcke mit Mohnsamen mit. Unser Transportgerät war ein Leiterwägele, das beladen wurde und wir fuhren dann zum Bahnhof Eggenstein. Dieses Wägele wurde mit der gesamten Ladung in den Zug gehoben und die Fahrt nach Graben-Neudorf begann. Für mich war dies immer ein Abenteuer. In Graben-Neudorf wurde die Ladung mit dem Wägele wieder ausgeladen und wir liefen zur Ölmühle. Wir mussten warten, bis wir dran waren. Wir setzten uns auf die Säckchen, damit keines abhandenkam. Nun waren wir an der Reihe. Der Mohn wurde in einen Maschinentrichter gefüllt, geschrotet, danach ausgepresst und sofort lief das helle Mohnöl raus. Zuerst wurde das Öl in eine große Kanne abgefüllt und dann in Flaschen verteilt, für die betreffenden Leute, welche Mohnsamen mitgegeben haben. Der Ölmüller wusste, wie viel Öl per kg Mohnsamen zum Verteilen es gab.

Für das Ölschlagen war ein ganzer Tag notwendig, um wieder nach Hause zu kommen. Der übrig gebliebene Ölkuchen wurde von uns mitgenommen und an das Vieh im Stall verfüttert. In den späteren Jahren wurde auch Raps zur Ölgewinnung angebaut. So hat man sich die Ernährung während des Kriegs gesichert.

Aufgezeichnet von Rosemarie Schnürer geb. Oberacker im Dezember 2006

Reinhold Singer und Kurt Kiefer für die AG Ortsgeschichte

Erscheinung
Amtsblatt der Gemeinde Eggenstein-Leopoldshafen
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Ausgabe 07/2025

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