Der Urbacher Literaturkreis trifft sich regelmäßig ca. einmal im Monat im Lesecafé der Mediathek und tauscht sich über einen Roman aus, der zuvor von allen Teilnehmer*innen ausgewählt und gelesen wurde. Geleitet wird die Gruppe von der Mediatheksmitarbeiterin Brigitta Kämpfe, die hier eine kleine Auswahl an Lesetipps gibt:
In DIE ENKELIN von Bernhard Schlink geht es nicht nur um eine Ost-West-Liebesgeschichte, sondern auch um Gefühle des Fremdseins und Nicht-Dazugehörens, um lange gehegte Geheimnisse und nicht zuletzt um die Frage, wie viel Verantwortung und welche Rechte sich aus (Bluts)-Verwandtschaft ergeben. Die in Schlinks bekannt nüchternem Stil erzählte Geschichte gewinnt zunehmend an Dynamik und beschreibt neben dem Leben in der DDR und später im westlichen Deutschland die Ideologie und Lebensweise der Völkischen Siedler im Osten und wie nahezu unmöglich es ist, aus dieser Zwangsgemeinschaft auszubrechen. Viel Stoff zum Nachdenken!
Auch der autobiografische Roman MAMELEBEN von Michel Bergmann (Zitat in SWR1 LEUTE: „Das Buch hat mich dazu gebracht, über meine Mutter nachzudenken“) beinhaltet mehrere Themen: An erster Stelle die Frage, wie das Mutter-Sohn-Verhältnis geworden wäre, wäre Charlotte nicht den schrecklichen Verbrechen der Nazis ausgesetzt gewesen; unvorstellbares Leid hat die Mutter hart und kalt werden lassen, was das Verhältnis zu ihrem einzigen Sohn, der in vielerlei Hinsicht nicht ihren Erwartungen entsprach, belastet hat. Zitat von Rachel Salamander: „An den Gräbern der Eltern weinen die Kinder um die in sie gesetzten Hoffnungen“. Michel Bergmann hat das Buch über 20 Jahre nach dem Tod seiner Mutter geschrieben. Außerdem geht es um die Fragen: Haben wir aus der Vergangenheit gelernt? Ist ein Verzeihen möglich? Und wie wirken sich die erlittenen Traumata mit dem heutigen Wissen auf dem Gebiet der Epigenetik auf die nachfolgenden Generationen aus? Charlotte selbst konnte niemandem verzeihen: „Verzeihen können nur die Toten“, sagte sie immer.
In Kristine Bilkaus HALBINSEL geht es ebenso um eine Mutter-Kind-Beziehung und um die Erwartungen, die damit verknüpft sind. Erst als die Tochter einen sicheren und gut bezahlten Job hinwirft, was der Mutter völlig unverständlich ist, wird dieser die Kette klar: Aus ihrer jahrelangen
und entbehrungsreichen Fürsorge erwuchs Hoffnung und Hoffnung verwandelte sich in Erwartungen. Und wehe, diese werden nicht erfüllt! Erst als sie in langen Gesprächen die Hintergründe erfährt, die Ernüchterung ihrer Tochter, dass der Job, den sie voller Euphorie angenommen hat, nichts damit zu tun hat, Umweltprobleme zu verringern, sondern nur die egoistischen Interessen von selbst ernannten „Wohltätern“ unterstützt, die rücksichtslos gegenüber Schwächeren so genannte Umweltprojekte verkaufen und daran noch viel verdienen, nähern sich die beiden wieder an.
Alle Romane sind im Bestand der Mediathek und stehen zum Ausleihen bereit.