
Die Autorinnen Manik Chander und Melisa Manrique haben im Gemeindehaus der Evangelischen Petrusgemeinde Wiesloch ihr Buch „Mama Superstar“ vorgestellt. Darin schildern sie Geschichten von Frauen, die vor Jahrzehnten aus Ländern wie Indien, Irak oder Mexiko nach Deutschland kamen.
Dally wohnte in einem kleinen Dorf im Norden Indiens. Sie war eine gute Tochter und immer die Klassenbeste. Mit 22 machte sie ihren Master in Anglistik und Geschichte und arbeitete anschließend als Lehrerin. Zwei Jahre später wurde sie mit einem in Deutschland lebenden jungen Inder mit Bodybuilder-Statur und Maßanzug verheiratet. Sie fand ihn attraktiv und dachte: „Wenn ich nach Deutschland gehe, kann ich meinen Eltern helfen.“
Dallys Geschichte ist in dem Buch „Mama Superstar“ nachzulesen, das ihre Tochter Manik Chander im Rahmen der „Interkulturellen Woche 2025“ im Gemeindehaus der Evangelischen Petrusgemeinde in Wiesloch vorstellte. Gemeinsam mit ihrer Mitautorin und Freundin Melisa Manrique erzählt sie darin von Töchtern und ihren Müttern, die vor rund 30 Jahren aus den unterschiedlichsten Gründen nach Deutschland kamen, zum Beispiel aus dem Irak, aus Indien, Südkorea, Türkei, Mexiko, Philippinen, Äthiopien, Kasachstan oder Bolivien. Manche wegen der Liebe, manche wegen der Arbeit, einige für bessere Bildung und wieder andere aus reinem Zufall.
Die „Migrant Mamas“ erzählten ihren Töchtern von Liebe und Enttäuschungen und dem Ankommen in einer ganz fremden Welt, und wie Integration auf ganz unterschiedlichen Wegen gelingen kann. Die besondere Beziehung zwischen Müttern und Töchtern erleichterte es, ohne Tabus über Gefühle und Erlebtes, Enttäuschungen und Glücksmomente zu sprechen. Ihre Erfahrungen haben die beiden Autorinnen in leicht lesbaren Kurzgeschichten niedergeschrieben. Dabei sei ihnen bewusst geworden, wie Manik dem überwiegend weiblichen Publikum erzählte, welchen Mut ihre Mütter aufgebracht und wie sie das ihnen so fremde Leben gemeistert haben. Das habe sie mit Stolz erfüllt.
Als Mutter Dally in Frankfurt als erstes Kind ihre Tochter bekam, konnte sie nicht, wie in Indien üblich, auf Hilfe und Ratschläge der Nachbarinnen bauen, sie musste alleine damit fertig werden, wenn beispielsweise das Baby nicht schlafen wollte oder nicht aufhörte zu weinen. Doch sie schaffte es und bekam noch drei weitere Kinder. Dabei lernte sie ständig und geduldig, nicht nur Deutsch, sondern auch die ihr fremden gesellschaftlichen Regeln. Zuerst über ihre Kinder und deren Freunde, aber auch im Kontakt mit Erzieherinnen und anderen Migrantinnen und irgendwann auch mit deutschen Helfern und Nachbarn. Warum allerdings in Deutschland ein „Mister Nikolaus“ Mandarinen in Schuhen und/oder bei anderer Gelegenheit Eier im Garten versteckt werden, hat sie nie so richtig verstanden.
Als die Kinder zur Schule gingen, begann Dally für einen ambulanten Pflegedienst zu arbeiten. Die „Oldies“, die sie dort kennenlernte, schloss sie in ihr Herz, kochte für sie indische Kichererbsen und fuhr mit ihnen an die Nordsee. Einige von ihnen hatten mit Migranten Probleme, doch nachdem sie ihre Bekanntschaft gemacht hatten, sagten sie: „Diese Kopftücher machen nur Probleme, aber nicht Sie, Dally, Sie sind anders.“ Aus ihrer Arbeit brachte sie Redensarten wie „Ich mache mich vom Acker“ oder „Du hast einen Sprung in der Schüssel“ mit nach Hause. Aber sie habe auch, wie sie ihrer Tochter gestand, von den alten Menschen gelernt, manchmal einfach nur für sich selbst da zu sein und die Seele baumeln zu lassen.
Jedes im Buch beschriebene Schicksal ist anders und von der individuellen Herkunft geprägt. Allen gemeinsam sind jedoch menschliche Eigenschaften, die in der deutschen Wohlstandsgesellschaft immer weniger anzutreffen sind. Dazu gehört der Familienzusammenhalt, die Sorge um die in der Heimat Zurückgebliebenen und die Fürsorge für alte Menschen. So arbeitete Mutter Dally noch im Heimatland als Lehrerin, hier in Deutschland gerne mit alten Menschen, und ihr Ehemann kümmerte sich rührend um eine adoptierte „deutsche Oma“. Als sie pflegebedürftig wurde, bis zu deren Tod. Für die Mutter war es auch selbstverständlich, verdientes Geld zu sparen, um ärmeren Verwandten, wo immer sie sich aufhalten, finanziell unter die Arme zu greifen. „Meine Mama ist ein Superstar, weil sie sich um die ganze Welt kümmert“, schreibt Manik in großen Lettern zum Abschluss des Kapitels „Dally“ – wahrlich eine Liebeserklärung.
Manik verstand es nicht nur, unterhaltsam und humorvoll von den einzelnen Frauen zu erzählen, sondern auch, wie sie und ihre Freundin kämpften, um das Buch, das ihnen ein großes Anliegen war, umzusetzen. Am Ende haben sie es selbst finanziert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Schon die optische Gestaltung ist sehr ansprechend, ein Porträt der Tochter und ein landestypisches Rezept runden die Erzählungen ab. Deshalb ist es eine schöne Anerkennung, dass Manik und Melissa für ihr Werk mit dem Deutschen Integrationspreis ausgezeichnet wurden. Den Veranstaltern Diakonisches Werk, Netzwerk Asyl, Bündnis für Demokratie und Toleranz und Evangelische Petrusgemeinde ist zu danken, dass sie die Lesung möglich gemacht haben, auch der Moderatorin Lilli Litau für ihre einführenden Worte. (aot)


