Georg Kreislers Lieder sind bitterböse, schwarzhumorig und manchmal hanebüchen. Doch von ihrer Faszination für die Zuhörer haben sie offensichtlich über die Jahre nichts eingebüßt. Gehört werden wollen sie noch immer. In der Ehemaligen Synagoge sang sie jetzt Konstantin Schmidt.
Es ist wohl eines der bekanntesten Lieder, mit dem Schmidt den Abend eröffnet. Denn was könnt es auch schöneres geben als ein „Frühlingslied“. Es passt doch in den Mai. Nun – bei Kreisler hat es den Untertitel „Tauben vergiften“. Und damit ist man schon angekommen im schwarzen Humor. Mord, Totschlag und andere Verbrechen, die gibt es in den Liedern des Georg Kreisler zuhauf. Ob das „Mütterlein“, von dem der Jüngling die kriminelle Energie erlernt oder gleich die gesamte verkorkste Familie mit ihrem Dreck am Stecken, dessen Spross sein jüngstes Opfer mit „Lehn dich zurück Lotte“ zum entspannten Erwarten ihres kommenden Todes auffordert. Wenn Konstantin Schmidt zu letzterem beim Ausklang dann noch psychotisch die Augen rollt, dann weiß man nicht mehr genau, ob man gleich in die Nacht hinausgehen will. Allein.
Schmidt kennt Kreislers Lieder aus dem Effeff. Er habe sie schon als Kind gespielt, sagt der Kabarettist. Den Text vorzutragen, der sich teils in epischen Längen verliert, ist dabei das eine. Sie akzentuiert, mit dieser so klaren Artikulation wiederzugeben, das andere. Schmidt kann das. Und er fördert damit zu Tage, was Kreisler liebte: Sprache. „Manchmal hat er einfach aus Lust an der Sprache komponiert“, erzählt der Kabarettist. Und er führt dafür „Zwei alte Tanten“ an. „Es geht eigentlich um nichts“, wischt er jeden Anspruch auf Sinn im Text vom Tisch. Lediglich die Sprache – um die gehe es. Anders gestaltet sich das bei „Gelsenkirchen“, eine bissig-ironische Hymne auf die Stadt im Ruhrpott, in der Kreislers Frau Topsy Küppers nicht auf eine Wellenlänge mit dem Publikum fand. Da ist jedes Wort wohl so gemeint wie geschrieben. Rache kann musikalisch sein.
Konstantin Schmidt erweist sich als ein dem Werk Kreislers durchaus gewachsener Interpret. Sein Klavierspiel, seine Stimme, seine Mimik – alles passt in den Abend. Dass er hier und da den Spickzettel braucht für seine Moderation, steht irgendwie im Widerspruch zu den ellenlangen Texten, die er mühelos zum Besten gibt. Doch wer ohne Schwäche ist, der ist auch schnell aalglatt. Das gilt für Schmidt zu keinem Zeitpunkt. Er versteht den leisen Witz in seinen kurzen Moderationen, ohne aber das Programm selbst dabei in den Hintergrund zu schieben. Und manchmal wirkt es fast so, als wenn er selbst weiß: Er ist der Interpret, der Meister ein ganz anderer. Das lässt den Liedern den Raum, und zu denen gehört natürlich die „Telefonbuchpolka“ genauso wie der „Der Musikkritiker“ und das mit Schmidts düsterer bis grinsender Miene garnierte „Geben Sie Acht“. So wird der Liederabend zu einer Hommage an das Werk Georg Kreislers mit einem dem würdigen Künstler. (cs)