Mit mehr als 700 Schülerinnen und Schülern, die von 80 Lehrkräften von der ersten Klasse bis zum Abitur unterrichtet und begleitet werden, ist die Freie Waldorfschule Engelberg eine der großen im Land. Die Schule feiert in diesem Jahr ihr 80-jähriges Bestehen. Der altehrwürdige Engelberg spürt, wie viele andere Schulen im Land, einen akuten Fachkräftemangel. Martin Schmidt, Vorstandsvorsitzender des Trägervereins und langjähriger Klassenlehrer erzählt, warum er schon seit 25 Jahren ein glücklicher Lehrer am Engelberg ist und warum es sich lohnt Klassenlehrer zu sein.
Als Sportlehrer ein Lieblingslehrer zu sein, ist mir eine Ehre – aber es wäre doch ein bisschen traurig, wenn ich nur mit Bällen und Barren punkten könnte. Sport ist schließlich mein Nebenfach! Mein wahres Talent liegt darin, jede Woche ein Highlight zu inszenieren. Das Foto zeigt einen dieser Momente, an dem ich um 6:30 Uhr die Turnhalle in eine magische Bewegungslandschaft verwandelt habe – und das wohlgemerkt, bevor ich meinen ersten Kaffee hatte! Wenn dann die Schüler/-innen eintreffen und loslegen, sehe ich ihre Freude, und das macht diese Stunden für mich wirklich unvergesslich. Magische Tage eben – Schweiß inklusive!
Ja, unbedingt, man nennt es heute „Edutainment“. In einer Welt, in der TikTok, YouTube und Co. scheinbar die uneingeschränkte Aufmerksamkeit unserer Schüler/-innen regieren, kann man sich als Lehrer manchmal wie ein analoger Dinosaurier im digitalen Dschungel fühlen. Aber genau deshalb gewinnt der persönliche Kontakt noch mehr an Wert! Als Klassenlehrer/-innen an der Waldorfschule sind wir keine flüchtigen Influencer, sondern treue Weggefährten, die ihre Schüler/-innen über Jahre hinweg begleiten. Dabei knüpfen wir ein Netz aus Vertrauen und Miteinander, das eine ganz eigene Magie entfaltet, Sicherheit gibt. Ich habe das Privileg, jedes einzelne Kind nach seinen individuellen Talenten zu fördern. Mein Geheimrezept? Wenn ich selbst für ein Thema brenne, wird die Klasse zu meinem treuesten Fanclub – zumindest in den besten Momenten.
Meine Arbeit im Forst hat mir den Weg zur Pädagogik eröffnet, die Waldorfpädagogik habe ich über meine Kinder entdeckt. Die Vorlesungen von Dr. Kranich an der Hochschule Stuttgart waren für mich bahnbrechend – er zeigte, wie man Unterricht wirklich kindgerecht gestaltet. Besonders beeindruckt hat mich dabei die Pflanzenkunde, die tiefere Fragen der Kinder über das Leben und die Welt beantwortet. Der Weg war weit, aber er fühlt sich richtig an – und zum Glück ist er noch lange nicht zu Ende.
Vor 25 Jahren fühlte ich mich wie bei einem Casting – ein Dutzend Kolleg/-innen bewarb sich mit mir um die Stelle. Heute sieht es anders aus, denn auch wir spüren den Fachkräftemangel. Quereinsteiger/-innen sind bei uns willkommen, und mit berufsbegleitender Weiterbildung wird der Einstieg erleichtert. Unsere Lehrersiedlung bietet zudem günstigen Wohnraum. Das alte Klischee, man brauche eine Erbschaft, um Waldorflehrer/in zu werden, gehört der Vergangenheit an – mittlerweile passt sogar das Gehalt!
Ein allgemeingültiges Rezept gibt es nicht. Aber wenn meine Schüler/-innen mir zeigen, dass ich ihr Interesse an der Welt geweckt habe, sie Rätsel lösen konnten und jetzt mit schlaueren Fragen an neue Dinge herangehen, dann erfüllt mich das mit echter Freude. Zugegeben, aktuell unterrichte ich die achte Klasse – also pubertierende Jugendliche. Das bedeutet: Ich muss nicht nur meine Unterrichtsstrategien, sondern auch meine Nervenstränge auf ein völlig neues Level bringen, um regelmäßig Glücksmomente zu erleben. Es ist eine Herausforderung – aber eine, die es wert ist.
Weitere Informationen zur Freien Waldorfschule Engelberg
www.engelberg.net.