Nussbaum Medien: Welche Themen aus Ihrem Wahlkreis haben für Sie aktuelle Priorität?
Mara Zeltmann: Ein großes Problem ist der voranschreitende Abbau der medizinischen Versorgung. Beispielsweise soll die Schwetzinger Notfallpraxis geschlossen werden. Das heißt, dass die Patient*innen, die dort behandelt werden auf die bereits viel zu überlasteten Krankenhäusern in der Umgebung ausweichen müssen. Vor allem für Menschen mit eingeschränkter Mobilität hat dies schwerwiegende Auswirkungen. Dies wollen wir verhindern. Auch dass die Problematik der steigenden Lebenshaltungskosten und vor allem der zu hohen Mieten betrifft die Menschen in unserem Wahlkreis. Hier steuert „Die Linke“ aktiv dagegen an. Wir fordern beispielsweise eine Mietpreisbremse und sammeln der derzeit Unterschriften für den Volksantrag „Mieten Runter“, der noch dieses Jahr an die Landesregierung weitergereicht werden soll.
NM: Hunderttausende Arbeitskräfte fehlen, ob in Pflege, Handwerksbetrieben oder an Schulen und Kitas – Tendenz steigend. Wie wollen Sie hier gegensteuern?
Zeltmann: Der Fachkräftemangel muss auf verschiedenen Wegen bekämpft werden. Zunächst einmal müssen die betroKenen Jobs attraktiver werden. Faire
Bezahlung und menschenwürdige Arbeitsbedingungen sind ein absolutes Muss. Darüber hinaus sollten große Unternehmen verstärkt ausbilden. Außerdem muss die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen erleichtert werden.
NM: Was der Wirtschaft zudem zu schaffen macht, ist die überbordende Bürokratie. Wie entkommt Deutschland diesem Dilemma?
Zeltmann: Bürokratie kann die Abläufe und Arbeit, vor allem im öffentlichen Dienst und der Verwaltung erschweren. Es ist also ein Problem, das nicht nur die Wirtschaft,
sondern auch unsere Gesellschaft und die Bürger*innen betrifft. Wenn bspw. ein Studierender, der mit seinem Mini-Job am Existenzminimum lebt, monatelang auf die Genehmigung seines Bafög-Antrags warten muss und noch länger bis zur ersten Auszahlung, dann lebt diese Person so lange in Armut. Das ist vermeidbar. Ein Bürokratieabbau wäre also in vielen Bereichen sinnvoll. Jedoch besteht die Gefahr, dass ein Bürokratieabbau auch sinnvolle Kontrollmechanismen aushebelt und Korruption ermöglicht. Wir fordern daher eine Minderung der Bürokratie im sozialen Bereich, in der Daseinsfürsorge und im öKentlichen Verwaltungsapparat, nicht jedoch in finanzkräftigen Bereichen wie beispielsweise der Finanzbranche.
NM: Welche Zukunft sehen Sie für die Rente in Deutschland?
Zeltmann: Mit unserem derzeitigen demografischen Wandel geht unser Generationenvertrag nicht auf. Altersarmut muss jedoch mit einer solidarischen Mindestrente
vermieden werden. Niemand soll Pfandflaschen sammeln müssen, um über die Runden zu kommen. Wir fordern daher, dass alle Menschen, also auch Beamte
und Politiker*innen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Das Geld ist da, wir müssen es lediglich anders verteilen. Darüber hinaus fordern wir die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, bessere Anerkennung von Care-Arbeit aber auch Erwerbslosigkeit.
NM: Wie soll es mit dem Deutschlandticket weitergehen?
Zeltmann: Das Deutschlandticket hat nicht nur die nachhaltige Mobilität vorangetrieben, sondern auch Lebensqualität geschaffen. Kein Tarifchaos, keine Waben, einfach
einsteigen und ankommen. Vor allem Menschen mit geringem Einkommen haben davon profitiert. Wir fordern daher, dass das Deutschlandticket wieder für 9 Euro erhältlich ist. Schüler*innen, Studierende und Rentner*innen sollen das Ticket darüber hinaus kostenlos nutzen dürfen.
NM: Stichwort Klimaziele: Was wurde bisher erreicht, wo besteht dringender Handlungsbedarf?
Zeltmann: Kein Klimaziel wurde ausreichend erreicht. Die Interessen der Reichen und Mächtigen überwiegen weiterhin. Die Nichteinhaltung der ohnehin zu schwachen
Vorgaben hat kaum Konsequenzen. Wir müssen den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben. Die, die für einen Großteil der CO2 Emissionen verantwortlich sind (Großkonzerne und Superreiche), müssen durch finanzielle Sanktionen (bei Nichteinhaltung der Ziele) diesen Ausbau finanzieren und somit vorantreiben. Die ökologische und energetische Wende muss darüber hinaus sozialverträglich gestaltet werden. Es darf nicht sein, dass diese Wende auf dem Rücken der Menschen durchgeführt wird, die am wenigstens zum Klimawandel beitragen.
NM: Mit welchen politischen Maßnahmen werden Sie Populismus und Extremismus entgegentreten?
Zeltmann: Extremismus keimt vor allem dort soziale Ungerechtigkeit existiert. Diese soziale Ungerechtigkeit möchten wir abschaffen. Außerdem muss die Bildung, insbesondere die politische Bildung, gestärkt und besser finanziert werden. Presse und Medien müssen unabhängig bleiben, Medienhäuser, die durch große Konzerne oder finanzstarke Unternehmer*innen gestützt werden, müssen dies transparenter darstellen.
NM: Worin sehen Sie das Scheitern der bisherigen Regierung und was kann die Politik daraus lernen?
Zeltmann: Demokratie bedeutet, dass Kompromisse eingegangen werden müssen. Dies war bei der Ampel nicht der Fall. Wenn einzelne nur auf ihre Agenda und das eigene Ego aus sind, funktioniert Zusammenarbeit nicht. In krisenreichen Zeiten muss eine Regierung geschlossen agieren, das hat die Ampel nicht geschafft.
NM: Was ist Ihre Vision für Deutschland?
Zeltmann: Ich wünsche mir ein Land, in dem alle ein schönes und menschenwürdiges Leben führen können. Niemand soll Angst vor Armut, Ausgrenzung, Verfolgung oder sonstiger Diskriminierung haben müssen.